Kölner StadtratStadt Köln prüft Rüge gegen AfD-Anwalt

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Sitzung des Stadtrates am Dienstagnachmittag

Sitzung des Stadtrates am Dienstagnachmittag

Köln – Es war ein Auftritt, wie ihn der Stadtrat noch nicht erlebt hat. Roger Beckamp, Vorsitzender der aus drei Mitgliedern bestehenden AfD-Fraktion, eilte am Mittwoch durch die Reihen nach vorn und drückte Oberbürgermeisterin Henriette Reker einen Briefumschlag in die Hand, eine Zustellung in eigener Sache.

Das Kuvert enthielt eine an Reker gerichtete anwaltliche Aufforderung, kritische Äußerungen zum AfD-Bundesparteitag im Maritim Hotel im kommenden April zu unterlassen; andernfalls soll Reker eine Geldstrafe zahlen. Zumindest für Beckamp selber dürfte der Vorgang nicht folgenlos bleiben – er hat damit offenbar gegen die durch die Gemeindeordnung bestimmte Treuepflicht eines Ratspolitikers verstoßen.

„AfD Bund ./. Stadt Köln wg. Äußerungen der OB“ heißt es in der Betreffzeile des Schreibens. Beckamp teilt darin ganz zu Anfang mit, dass er „in vorgenannter Angelegenheit“ die Partei Alternative für Deutschland in seiner Funktion als Rechtsanwalt berät und vertritt. Eine Rechnung ist ebenfalls enthalten. 1171,67 Euro mache die AfD geltend. Der Betrag diene seiner Mandantin als „Ersatz der ihr durch meine Tätigkeit entstandenen Kosten“.

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Rechtsanwälte mit Sitz im Rat dürfen nicht gegen die Stadt klagen

Das Problem dieser Aktion: Rechtsanwälte, die einen Sitz im Rat oder in der Bezirksvertretung haben, dürfen gar nicht gegen die Stadt klagen. Sie unterliegen der Treuepflicht, die Paragraf 32 der Gemeindeordnung regelt. Dort heißt es: „Inhaber eines Ehrenamts haben eine besondere Treupflicht gegenüber der Gemeinde. Sie dürfen Ansprüche anderer gegen die Gemeinde nicht geltend machen, es sei denn, dass sie als gesetzliche Vertreter handeln.“ Bevor sie ihr Mandat anträten, müssten sie sich verpflichten, ihre Aufgabe „nach bestem Wissen und Können wahrzunehmen, das Grundgesetz, die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen und die Gesetze zu beachten und Ihre Pflichten zum Wohle der Stadt Köln zu erfüllen“.

Die Verwaltung prüft die Angelegenheit bereits – und erwägt Konsequenzen. „Sollte ein Verstoß gegen die Treuepflicht vorliegen, wäre eine Rüge durch den Rat möglich“, sagte Stadtsprecher Gregor Timmer am Mittwoch. Weitergehende rechtliche Möglichkeiten hat die Stadt nicht. Die Oberbürgermeisterin werde jedoch die von der AfD verlangte Unterlassungserklärung keinesfalls unterschreiben, so Timmer.

Laut AfD hat Reker gegen das Gebot zur Neutralität verstoßen

Reker hatte angesichts des für den April geplanten AfD-Parteitag gesagt, sie finde es „unerträglich, dass unsere Stadt als Bühne für die Selbstdarstellung einer Partei missbraucht werden soll, die zum Sammelbecken für Propagandisten von Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit in Deutschland geworden ist“. Sie unterstütze alle, „die mit demokratischen und friedlichen Mitteln ihre Stimme gegen Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung erheben“.

Nach Auffassung des AfD-Fraktionschefs hat Reker mit diesem Protestaufruf gegen das Gebot zur Neutralität und Sachlichkeit verstoßen: „Die Oberbürgermeisterin ist Teil der Exekutive und hat als Organ des Staates das Neutralitätsgebot zu beachten.“

In einem ähnlichen Fall hatte das ein Gericht allerdings anders gesehen: Laut einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom November 2016 darf ein Oberbürgermeister durchaus zu Demonstration aufrufen. Die Organisatoren einer fremdenfeindlichen Kundgebung hatten gegen den Düsseldorfer Stadtchef Thomas Geisel geklagt, der die Bürger gebeten hatte, an einer friedlichen Gegendemonstration teilzunehmen. Das sei rechtens gewesen, befanden die obersten Verwaltungsrichter des Landes.

Allein mit seiner Aktion, die Lichter öffentlicher Gebäude während der Demo ausschalten zu lassen und auch Privatleute dazu aufzufordern, habe Geisel dann seine Befugnisse überschritten. Er habe damit „den auf eine geistige, diskursive Auseinandersetzung beschränkten Bereich politischer Kommunikation verlassen“.

AfD schickte offenen Brief an Kölner Karnevalsvereine

Vor Rekers Aufruf hatten bereits Karnevalisten und weitere Gruppen aus der Bürgerschaft für den 22. April Gegenkundgebungen am Heumarkt angekündigt. Der offenen Brief, den die AfD daraufhin an Karnevalsvereine schickte, sorgte für Unmut.

Ganz besonders erzürnt ist der Präsident der Traditionsgesellschaft Schnüsse Tring, Achim Kaschny. „Es ist nicht mehr auszuhalten, wie Sie die Adressen der Karnevalspräsidenten für ihre Propaganda nutzen“, wandte er sich an die Rechtspopulisten im Rat. „Sie missbrauchen die Plattform der Karnevalisten für ihre Werbezwecke. Und schreiben dann, Sie stehen für öffentliche Diskussionen, persönliche Gesprächen und Kneipenbesuche zur Verfügung. Das sind Mittel eines Wahlkampfes, nicht des Kölschen Karnevals“, heißt es in dem Brief Kaschnys. Die AfD schürten in ihrem Schreiben die Angst der Menschen, sich auf öffentlichen Plätzen zu bewegen. „Genau das können wir im Karneval nicht gebrauchen, weil wir friedlich und freundlich feiern wollen.“

Die Hotelkette Maritim will der AfD künftig keine Tagungsräume mehr zur Verfügung stellen. Die massiven Proteste gegen die Veranstaltung in Köln hätten das Unternehmen veranlasst, „sich deutlich von der aktuellen politischen Ausrichtung und Gesinnung der AfD zu distanzieren“.

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