Betrunkene Radfahrer, unaufmerksame AutofahrerUnfallzahlen in Köln auf Rekordniveau

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Unfall A555

Ein Unfall auf der A555 hat am Donnerstagnachmittag einen langen Stau bei Köln verursacht.

Köln – Besorgniserregend. Vollständig ignorant. Nicht akzeptabel. Mit deutlichen Worten hat Polizeipräsident Jürgen Mathies bei der Vorstellung der Unfallstatistik Autofahrer kritisiert, die zu schnell fahren und zu geringen Abstand halten – sowie Radfahrer, die betrunken unterwegs sind, rote Ampeln ignorieren oder auf der falschen Seite fahren.

Radfahrer oft Opfer, aber auch Verursacher

Sie alle sind laut Polizei maßgeblich für die kräftig gestiegenen Unfallzahlen in der Stadt verantwortlich. Knapp 42000 Unfälle ereigneten sich im Vorjahr in Köln, so viele wie seit mehr als 25 Jahren nicht. Fast 5800 Menschen wurden verletzt – auch das ein Rekordwert.

Zugleich machte Mathies deutlich, dass die Polizei mit ihren Maßnahmen zur Unfallbekämpfung in manchen Bereichen am Ende ihrer Möglichkeiten ist.

Die wichtigsten Entwicklungen der Statistik 2016 im Überblick

Nie wurden bei Unfällen so viele Radfahrer in Köln verletzt wie im Vorjahr: Fast 1900, das sind 400 mehr als 2015. Vier starben.

Ein Grund für den rasanten Anstieg: In den vergangenen acht Jahren ist die Zahl der Radfahrer in Köln laut Polizei um 20 Prozent gestiegen. In knapp mehr als der Hälfte aller Unfälle haben die Radfahrer im Vorjahr die Ursache selbst gesetzt, berichtet Hermann Schiffer von der Verkehrsdirektion – meistens, weil sie auf der falschen Straßenseite fuhren oder den Radweg in falscher Richtung benutzten. „Auffallend viele“ Radfahrer seien betrunken gewesen.

Radfahrer sollen sich an Regeln halten

„Radfahrer wollen mehr Raum auf der Straße“, stellte Mathies fest, „das ist auch nachvollziehbar.“ Sie sollten sich andererseits aber auch an die Regeln halten, forderte der Polizeipräsident. Vor allem von Interessenverbänden wie etwa der „Critical Mass“-Bewegung wünsche er sich, dass sie in den eigenen Reihen noch stärker darauf hinwirkten. Kein Verständnis habe er, dass viele Radfahrer uneinsichtig reagierten, wenn Polizeibeamte sie auf Fehlverhalten ansprächen.

Mathies kündigte an, Regelverstöße von Radfahrern künftig noch häufiger kontrollieren und ahnden zu wollen. Zudem soll die Öffentlichkeitskampagne „Köln steht bei Rot“ auch auf Fahrradfahrer ausgeweitet werden.

Handyverstöße am Steuer

Ein weiterer trauriger Höhepunkt aus der Statistik: Nie hat die Polizei in Köln so viele Handyverstöße am Steuer gezählt wie im Vorjahr, insgesamt 9400. Das mag vor allem daran liegen, dass die Beamten ihre Kontrollen verschärft haben. Aber: Zwischen 2008 und heute stieg auch die Zahl der Unfälle um 75 Prozent, bei denen die Polizei keine klare Ursache feststellen konnte. Die Beamten vermuten in vielen Fällen, dass der Verursacher vor dem Aufprall telefoniert oder Textnachrichten getippt hat.

Aus der Polizei-Kampagne „Lenk dich nicht app“ gegen Handynutzung am Steuer.

Aus der Polizei-Kampagne „Lenk dich nicht app“ gegen Handynutzung am Steuer.

„Wir können es nur oft nicht gerichtsfest nachweisen“, sagte Mathies. Gegensteuern will die Polizei mit der neuen Öffentlichkeitskampagne „Lenk dich nicht app. Kein Handy am Steuer“ – und mit noch mehr Kontrollen. Aber nicht nur Smartphones lenken Fahrer ab, ebenso „Körperpflege während der Fahrt“ und Haustiere im Auto, berichtet Schiffer. In einem Fall sei es ein Hamster gewesen, der eine Autofahrerin vermutlich derart aus der Konzentration gebracht hatte, dass sie einen Frontalzusammenstoß verursachte.

Rudolfplatz und Neumarkt: Es wird weiter gerast

Im Vorjahr starb kein Mensch in Köln als Folge eines illegalen Straßenrennens – das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Das war wohl nur Zufall. Denn gerast wird weiter. Mitten in der Stadt machen die Täter Reise- zu Rennstrecken, wie Mathies es ausdrückt. Ein Schwerpunkt liegt zum Beispiel auf der Strecke vom Rudolfplatz zum Neumarkt.

Aber auch auf vielen anderen Straßen fallen Raser mit ihrem lebensgefährlichem Imponiergehabe auf, berichtet Schiffer. Die Polizei hat im Vorjahr 57 illegale Autorennen gestoppt. „Wir haben es bei den Fahrern mit einer neuen Form von Intensivtätern zu tun“, sagt Mathies. Schiffer versichert: „Wir gehen jedem Zeugenhinweis auf Raser oder Rasertreffpunkte nach.“

28 Verkehrstote auf Kölner Autobahnen

Überhöhtes Tempo und zu geringer Abstand waren im Vorjahr die Ursachen bei drei von vier Unfällen auf den Autobahnen um Köln. Und auch hier registrierte die Polizei mit 12100 die höchste Unfallzahl seit mehr als zehn Jahren.

28 Menschen starben, 2000 wurden verletzt. „Die Unfälle waren über das gesamte Autobahnnetz verteilt“, berichtete Mathies – wenngleich es auf der A1 und auf der A3 rund um das Autobahnkreuz Leverkusen besonders häufig krachte. Der Polizeipräsident zeigte sich besorgt: „Die Entwicklung läuft uns aus dem Ruder.“

Dass sich vor diesem Hintergrund Autofahrer über vermehrte Radar- und Laserkontrollen beschweren, nennt er „abstrus“. Trotz intensiverer Kontrollen, baulicher Veränderungen, verbesserter Beschilderungen und greller Warnleuchten habe sich die Situation nicht gebessert, so Schiffer. „Wenn Verkehrsteilnehmer Vorschriften partout nicht einhalten wollen, weiß ich nicht mehr, was Polizei noch mehr tun soll.“

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