KVB-Chefin Haaks im Interview„Ich kann mir vorstellen, dass man den ÖPNV-Ausbau zeitlich streckt“

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Wachstum und Defizite, wie passt das zusammen? KVB-Chefin Stefanie Haaks sucht nach Lösungen.

Wachstum und Defizite, wie passt das zusammen? KVB-Chefin Stefanie Haaks sucht nach Lösungen.

Die KVB steht finanziell massiv unter Druck und erwartet bald jährliche Verluste von mehr als 200 Millionen Euro. Was hat das zur Folge?

Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) erwarten bis 2035 immense Kosten. Erstmals hat das Unternehmen eine detaillierte Langfrist-Strategie bis zu dem Jahr, in dem die Stadt klimaneutral sein will, ausgearbeitet. Investitionen in Höhe von rund 3,5 Milliarden Euro sind dafür Stand heute notwendig, hinzu kommt ein weiteres Minus von rund 90 Millionen Euro infolge von Zinsen und Abschreibungen.

Getrieben durch die vielen Investitionen, aber auch durch höhere Tariflöhne und das für die KVB defizitäre Deutschlandticket erwartet das Unternehmen im kommenden Jahr Verluste von mehr als 180 Millionen Euro, die dann immer weiter steigen – intern geht man bis 2028 von einem Jahresminus von rund 250 Millionen Euro aus. Ein Gespräch mit Vorstandschefin Stefanie Haaks über mögliche Wege aus der Krise. 

Frau Haaks, steht die Verkehrswende mit Blick auf die finanziellen Herausforderungen der KVB infrage?

Stefanie Haaks: Nein. Der politische Wille zur Verkehrswende ist da, die Wachstumsstrategie ist gefordert. Dennoch haben wir Alternativszenarien entworfen, in denen wir aufgezeigt haben, was es bedeuten würde, den Ausbau zu reduzieren. Der Aufsichtsrat hat sich gegen diese Szenarien entschieden und für den Wachstumskurs – eine Entscheidung, die ich klar begrüße. Dennoch stellt sich die Frage, wie wir wachsen sollen, wenn sich unser Ergebnis nicht verschlechtern darf. Beides gleichzeitig funktioniert nicht.

Welche Szenarien für die weitere Entwicklung gibt es?

Wir haben dem Aufsichtsrat drei Szenarien vorgelegt. Das Minimalszenario stellt die Projekte dar, die wir nur sehr, sehr ungern stoppen würden. Das Alternativszenario stellt dar, was rein betriebswirtschaftlich am sinnvollsten wäre – hier fallen drei Ausbauprojekte in Zündorf Süd, Hürth und am Linie-13-Gürtel weg. Das Wachstumsszenario ist die aktuelle Beschlusslage, es umfasst alle geplanten Erweiterungen. In diesem Szenario erweitern wir unsere Kapazität um 12,5 Prozent. Der Aufsichtsrat hat uns in diesem Szenario  bestärkt.

Wäre es Ihr Ziel als Vorstandschefin gewesen, auf das wirtschaftlich optimale Alternativszenario auszuweichen?

Nein. Im ersten Schritt wollen wir die Verkehrswende maximal unterstützen. Dann haben wir uns die Zahlen angeschaut und uns die Frage gestellt: Was wäre zu tun, wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass unsere Projekte schlicht nicht finanzierbar sind? Es ist im Prinzip eine Vorbereitung für den Ernstfall. Unser Auftrag und unser Ziel ist es, alles, was geht, umzusetzen. Wenn Sie Tischler sind und gefragt werden, ob Sie zwei oder drei Tische bauen wollen, antworten Sie mit drei. Weil es ihr Handwerk ist. Und wir wollen unser Netz möglichst vollständig ausbauen, das ist unser Antrieb. Ich kann mir dennoch vorstellen, dass entschieden wird, dass man den Ausbau zeitlich streckt – und für diesen Fall hoffe ich sehr, dass man unsere Expertise mit einbindet und nicht rein politisch entscheidet.

Der Ausbau des KVB-Netzes ist Teil der städtischen Strategie für die Klimaneutralität im Jahr 2035. Gibt es bereits Berechnungen, wie sich mögliche Verzögerungen darauf auswirken könnten?

Nein, die gibt es nicht. Denn bislang gibt es keine flächendeckende Verzögerung, die beschlossen ist. So weit sind wir noch nicht. Die Auseinandersetzung zur Frage, was die strategischen Probleme, mit denen wir zu kämpfen haben, für die Klimaneutralität bedeutet, läuft – mit Klimadezernent William Wolfgramm, Verkehrsdezernent Ascan Egerer und Wirtschaftsdezernent Andree Haack sowie Baudezernent Markus Greitemann. Letztlich ist das Erreichen der Klimaneutralität in der Verantwortung der Stadt, unsere Verantwortung ist es, unsere Aufträge im Ausbau zu erfüllen.

Was sind neben den Verlusten im laufenden Betrieb die größten Herausforderungen bei der Verkehrswende?

Wir wollen alle unsere Stadtbahnen mittelfristig austauschen und damit einen modernen Standard etablieren. Beim aktuellen Austausch von 124 Niederflur-Bahnen verzögert sich die Lieferung nach jetzigem Stand um rund 30 Monate, sodass wir viel mehr alte Bahnen als bislang gedacht noch einmal ertüchtigen müssen – weitere Mehrkosten also. Das sind Dinge, auf die wir kaum Einfluss haben. Hinzu kommt der Fernwärmeausbau in Köln: Dieser muss mit unseren Baumaßnahmen sehr gut koordiniert werden. Wann wir überhaupt wo bauen können und dürfen, wird noch eine große Frage sein, die mit allen Partnern gut abgestimmt werden muss. Neben den Tarifabschlüssen, die logischerweise zu höheren Kosten führen, ist das Deutschlandticket für uns eine große Herausforderung. Aus meiner Sicht kann es nicht sein, dass Bundespolitik und Landespolitik etwas entscheiden, was hier in Köln trotz der anteiligen Kompensationen zu einem Jahresminus von über 17 Millionen Euro führt – obwohl der Rat nie die Chance hatte, darüber abzustimmen.

Geht es bei der höheren Effizienz, die Sie anstreben, auch um die Personalplanung?

Nein. Wir planen keine einzige Stelle im Unternehmen zu streichen. Wenn wir es schaffen, Prozesse so gut zu verbessern, dass eine Stelle wegfällt, nutzen wir das Personal woanders zur Qualitätsverbesserung. Denn wir haben nicht nur finanzielle Probleme, sondern auch einen Fachkräftemangel, sogar einen Arbeitskräftemangel. Wir sind bei unserem Wachstumskurs also gut beraten, unser Personal zu halten.

Wie steht Köln im Vergleich mit anderen Großstädten in Deutschland da?

Es gibt Städte, die schon früher in die Verkehrswende investiert haben und vor den massiven Kostensteigerungen gebaut haben. Für wirklich gute Finanzierungsbedingungen sind wir zu spät dran. Andererseits gibt es auch Städte wie München, die den ÖPNV-Ausbau gestoppt haben. Andere Städte reduzieren – wie wir – den Fahrplan, aber nicht nur wegen Personalmangel, sondern auch wegen der Kostensteigerungen. Wieder andere stehen finanziell besser dar. Es gilt, das Beste aus der Situation zu machen und die Verkehrswende trotz aller Probleme umzusetzen.

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