Hauptschule Köln-WeidenEngagierte Lehrer sind wütend über die Schließung

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Kistenpacken in Weiden: Helene Hoffmann-Issel und Claudia Göbel räumen die Verwaltungsbüros.

  • Die Schließung ist für Kritiker der Schulpolitik von Stadt und Land ein klares Indiz für die Bevorzugung der Schulform Gymnasium.
  • Im gesamten Stadtbezirk Lindenthal gibt es nun weder eine Haupt- noch eine Gesamtschule.

Weiden – Die letzten Zeugnisse sind geschrieben, ein paar Geschenkgutscheine als Dankeschön verpackt. Klassenbücher werden ins Lindenthaler Bezirksrathaus gebracht, Schülerakten kommen ins Schulamt – der Rest in den Aktenschredder. Es ist der letzte Akt eines traurigen Endes: Eine der bekanntesten Kölner Schulen, die Martin-Luther-King-Schule, räumt zum Schuljahresende das Gebäude im Weidener Schulzentrum.

„Der Abschied fällt schwer“, sagt die letzte Leiterin der Hauptschule, Helene Hoffmann-Issel, während sie mit Sekretärin Claudia Göbel Kisten packt. Die wenigen Lehrer, die hier im zu Ende gehenden Schuljahr die letzten Schüler unterrichteten, sind nicht nur traurig. Viele sind auch zornig und richtig wütend. „Hier war so viel Energie, so viel Engagement“, sagt Hoffmann-Issel. Alles ist verpufft, gescheitert an einer Politik, der der Praxisbezug fehlt, meinen Kollegen. „Sie fühlen sich allein gelassen“, sagt die Chefin.

Das Ende der Martin-Luther-King-Schule, die in den vergangenen Jahren mit immer neuen Ideen und Konzepten wertvolle Beiträge zur bildungspolitischen Debatte leistete, hat für viele Symbolcharakter: Die Schließung steht dafür, dass die Hauptschule als Schulform keine Zukunft mehr hat, weil nur noch wenige ihre Kinder anmelden.

Gymnasium bevorzugt

Dass die frei werdenden Räume dem Weidener Gymnasium zugeschlagen und nicht für den Aufbau einer Gesamtschule genutzt werden, ist für Kritiker der Schulpolitik von Stadt und Land ein klares Indiz für die Bevorzugung der Schulform Gymnasium. Vor allem steht die Schließung aber dafür, dass praktisches Engagement für den Bildungserfolg von benachteiligten Kindern nicht von denen, die politische Entscheidungen treffen, belohnt wird.

Vor fünf Jahren stand die Martin-Luther-King-Schule noch als vorbildliches Zukunftsmodell im Schulentwicklungsplan der Stadt: Schulleitung und Lehrer hatten ein Konzept für den Aufbau eines neuen Bildungsangebots entwickelt – eine öffentliche Schule vom ersten bis 13. Schuljahr für alle, eine Weiterentwicklung der Idee der Gesamtschule, die ganz auf individuelle Förderung setzen sollte. Die Kölner Hauptschule sorgte für Schlagzeilen, weil sie sich selber abschaffen wollte, um so den Weg für etwas Neues frei zu machen.

Die engagierten Lehrer um den ehemaligen Schulleiter Heinz Klein hofften darauf, als Schulprojekt des Landes anerkannt zu werden. Man wollte wachsen. Die städtische Schulverwaltung sagte Unterstützung zu.

Das Projekt scheiterte an einer starren Haltung der Landesregierung und ihrer Schulministerin. Dass sich Schulen selbst in eine neue umwandeln können, ist nicht vorgesehen. Da halfen auch alle Verweise auf die vielen Erfolge der Hauptschule wenig: Vorbildliche Berufsvorbereitung, Abschaffung des Sitzenbleibens und zu frühen Aussortierens, ein Sprachförderprojekt mit der Uni oder die intensive Kooperation mit vielen Partnern aus Wirtschaft und Stadtleben.

Keine Alternativen

„Wo sollen die Schüler, für die wir gearbeitet haben, in Zukunft hin?“, fragt die dienstälteste Kollegin verzweifelt. Die letzten Tage der Schule, die über 40 Jahre lang wie „ein zweites Zuhause“ war, nehmen sie so sehr mit, dass sie nicht mit Namen und Bild in der Zeitung erscheinen will. Sie fühle sich „einfach nur schlecht“.

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Die Hauptschule in Köln-Weiden.

Es gibt tatsächlich weit und breit keine Alternative. Im gesamten Stadtbezirk Lindenthal gibt es nun weder eine Haupt- noch eine Gesamtschule. Hoffmann-Issel sagt, sie sei erstaunt über das „Lindenthaler Elternklientel“ und ihre Interessenvertreter, „die nicht so weitsichtig sind, zu sehen, dass nicht alle Kinder aufs Gymnasium können.“ Die verbliebenen Neuntklässler der Martin-Luther-King-Schule müssen nach den Sommerferien nach Bilderstöckchen fahren, wo es noch eine Hauptschule gibt. Doch auch ihre Schließung ist bereits in Vorbereitung.

In den vergangenen Monaten haben sich noch einmal Politiker im Bezirk dafür ins Zeug gelegt, die Räume der Weidener Hauptschule für den Aufbau einer Gesamtschule zu nutzen, die später in einen Neubau ziehen könnte. „Ein Kampf gegen Windmühlen“ sei das gewesen, sagt die kommissarische Schulleiterin. Er kam zu spät, dem Gymnasium waren die Räume längst versprochen worden, es fehlte ein Konzept für eine alternative Nutzung. „Es ist ganz schlimm, dass die Schule ersatzlos wegfällt“, sagt die dienstälteste Kollegin. „Irgendwie können wir uns das alle noch nicht so richtig vorstellen“, meint Hoffmann-Issel. Sie wird an einer Hauptschule in Bedburg weiter arbeiten.

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