Mit Hilfe der Kölner LeitstelleMutter konnte Baby selbst wiederbeleben

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Dirk Blumenthal berät in der Leitstelle.

Dirk Blumenthal berät in der Leitstelle.

Köln – Nur noch wickeln und dann ins Bett. Doch während die frischgebackene Mutter ihrem Neugeborenen die Windeln wechselt, hört es auf zu atmen. Das Baby ist nur zwei Tage alt. Alarmiert meldet sich die Frau bei der Leitstelle der Feuerwehr.

In solchen Fällen muss schnell gehandelt werden. Denn wenn das Herz stehen bleibt, zählt jede Sekunde. Nach nur zwei bis drei Minuten ohne Sauerstoffversorgung entstehen schon bleibende Hirnschäden.

Notarzt Robert Spangl fährt zum Patienten.

Notarzt Robert Spangl fährt zum Patienten.

Kaum ein Krankenwagen schafft es in dieser Zeit zum Patienten. Seit einigen Jahren führt die Feuerwehr deshalb die sogenannte Laienreanimation durch. Bei einem Notruf begleitet der Beamte in der Leitstelle den Anrufer bei den Wiederbelebungsmaßnahmen – so lange, bis der Notarzt eintrifft.

Herzstillstände werden täglich gemeldet

So auch im Fall des Neugeborenen aus dem Agnesviertel, das vor einigen Monaten Anzeichen für einen Plötzlichen Kindstod zeigte. Die Mutter konnte das Baby mit Herz-Druck-Massage und Mund-zu-Mund-Beatmung reanimieren.

Meistens sind die Patienten zwar keine Neugeborenen, doch Herzstillstände werden täglich bei der Leitstelle gemeldet. Drei bis vier Mal pro Tag leiten die Beamten eine Laienreanimation an. Das sind knapp 1500 Fälle pro Jahr. Alltagsgeschäft für Feuerwehr und Rettungsdienst.

Nicht jeder Patient kann wiederbelebt werden. Doch wenn in den ersten drei Minuten reanimiert wird, liegt die Überlebenschance bei etwa 70 Prozent. Pro Minute, die gewartet wird, sinkt sie um weitere 10 Prozent.

Wie der Fall des Neugeborenen zeigt, tritt ein Herzstillstand nicht nur bei älteren Menschen mit Vorerkrankungen auf. Häufig seien es junge Menschen, die am Samstagnachmittag beim Sport umkippen, erläutert der leitende Notarzt Robert Stangl. „Ich kann mich an keinen Köln Marathon ohne Reanimation erinnern.“ Oft verschleppten Sportler einen Infekt und fangen zu früh wieder an, zu trainieren. Das Ergebnis: eine Herz-Muskel-Entzündung.

Kaum einer erinnert sich an Erste-Hilfe-Maßnahmen

„Dann steht eine ganze Mannschaft um den rum und wartet auf uns“, erklärt der Notarzt. Dabei könne jeder helfen. „Doch bis wir eintreffen, ist der Patient eigentlich schon fertig.“ Hierbei sei die Laienreanimation das entscheidende Moment.

„Wir wollen den Notrufer mit ins Boot nehmen, um die Zeit zu überbrücken“, sagt der Leitstellendisponent Peter Weber, der bereits unzählige Wiederbelebungen telefonisch betreut hat. Rettungswagen dürften maximal acht Minuten zum Einsatz brauchen. Eine Wartezeit, die sich in einer Notsituation wie eine Ewigkeit anfühle. „Manche fragen direkt, was kann ich machen?“

Die Beamten in der Leitstelle klären dann auf. Sie geben klare Anweisungen, was zu tun ist. Geben den Rhythmus der Massage vor. „Ich betone, dass wir das zusammen machen, um ihnen die Angst zu nehmen“, sagt Weber. Nur selten lehnten Anrufer die Maßnahmen ab. „Aber wir versuchen dann, sie mit guten Worten zu überreden.“ Die Mehrheit funktioniere einfach.

Mittlerweile beschränkt sich die Laienreanimation auf eine Herz-Druck-Massage. Das Blut in den Gefäßen enthalte noch ausreichend Sauerstoff, so Stangl. Das Problem aber: Zwei Drittel der Bevölkerung könnten sich kaum an Erste-Hilfe-Maßnahmen erinnern.

Deshalb haben viele Anrufer Berührungsängste. „Sie wollen nichts falsch machen“, sagt Stangl. „Aber es ist kein Hexenwerk. Die Technik ist primitiv.“ Kinder ab der 5. Klasse könnten sie durchführen. „Das Falsche wäre, nichts zu unternehmen. Zeit ist Leben“, ist Feuerwehr-Sprecher Christian Heinisch.

Ablauf der Reanimation

Im Falle eines Herz-Kreislauf-Stillstands wird mit einer Herz-Druck-Massage sauerstoffhaltiges Blut in das Gehirn gepumpt. Die Leitstelle der Feuerwehr führt Notrufer durch die Wiederbelebungsmaßnahme. Hier haben wir einige Schritte zusammengetragen:

1. Ansprechen: Versuchen sie, die Person anzusprechen.

2. Puls fühlen: Falls Person nicht reagiert, Puls am Hals ertasten.

3. Wenn Sie keinen Puls spüren: setzen Sie einen Notruf ab.

4. Ein Leitstellendisponent wird Sie durch die Reanimation führen: Legen Sie dazu als erstes den Oberkörper frei.

5. Handballen platzieren: Denken Sie sich eine Linie zwischen den Brustwarzen und platzieren sie ihre Handballen in der Mitte.

6. Rhythmisch drücken: Mit dem Oberkörper auf den Brustkorb der Person drücken. Folgen Sie dabei dem vorgegebenen Rhythmus.

7. Pumpen: Pumpen Sie weiter, bis die Sanitäter vor Ort eintreffen.

8. Mund-zu-Mund beatmen: Falls Sie zusätzlich Mund-zu-Mund beatmen: Drücken Sie abwechselnd 30 Mal auf den Brustkorb, um der Person dann zwei Mal Luft zuzuführen.

9. Zusätzlicher Hinweis: An vielen öffentlichen Stellen sind mittlerweile Defibrillatoren an den Wänden angebracht. Das Gerät funktioniert vollautomatisch und kommuniziert mit dem Erst-Helfer. Es misst eigenständig den Herzrhythmus des Patienten und löst nur aus, wenn nötig. Die sogenannten AED hängen z.B. in allen Filialen der Sparkasse Köln/Bonn, der Kreissparkasse am Neumarkt und in einigen Museen der Stadt Köln. (akh)

Notfälle im Flugzeug

Wird ein Fluggast krank, leistet die Besatzung erste Hilfe. In gravierenderen Fällen kann die Crew etwa beim Medaire Call Center anrufen. Von dieser internationalen Leitstelle im Banner Health Good Samaritan Hospital in Phoenix, Arizona aus beraten Ärzte Besatzungen weltweit. Pro Jahr erhalten sie 38000 Notrufe. Sie stellen eine Diagnose und geben Erste-Hilfe-Tipps.

Eine außerplanmäßige Landung empfiehlt das Team nur, falls der Patient ärztliche Behandlung braucht. Sie suchen den nächstgelegenen Flughafen mit einem geeigneten Krankenhaus und informieren die Mediziner dort. Auf diese Weise ist bereits alles für den Kranken vorbereitet, wenn das Flugzeug schließlich landet. Letztendlich entscheidet aber der Flugkapitän, ob er der Empfehlung der Ärzte folgt. (akh)

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