Motel OneKein Bett im Kornfeld

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Soeben eröffnet: das Low Budget Design Hotel „Motel One“ am Waidmarkt.

Soeben eröffnet: das Low Budget Design Hotel „Motel One“ am Waidmarkt.

Köln hat Hotels, Köln hat Hostels und nun auch ein Motel mit der Nummer Eins. Mitten in der Stadt, an einer der Hauptverkehrsadern liegend, eröffnete in der vergangenen Woche fast klanglos Kölns drittgrößter Schlafplatz-Anbieter. Es ist – was niemanden überraschen wird – der Gegenentwurf zum Bett im Kornfeld. Eher das Plumeau im Kreuzungsbereich. Aber vor allem ist es ein Ort, um Vorurteile zu begraben; oder um aus der Liegeposition im absolut schalldichten Zimmer auf den Autoverkehr herabzuschauen. Oder um sich an der Bar von den knapp 13000 Lichtpunkten der weit nach draußen strahlenden LED-Wand hypnotisieren zu lassen.

Viel Design zu niedrigem Preis ist das Konzept der Motel One Group. Die Übernachtung kostet überall in Europa 69 Euro im Einzel- und 84 Euro im Doppelzimmer. Motel One ist mittlerweile Deutschlands führende Low Budget Design Hotelkette und zudem die am schnellsten wachsende Hotelkette Europas. Mit der Fertigstellung eines weiteren, kleineren Hauses am Mediapark verfügt die Motel One Gruppe in Köln neben ihrem bereits bestehenden Standort in Marsdorf und dem Waidmarkt über eine Kapazität von circa 670 Zimmern. (she)

Fangen wir bei den Vorurteilen an: Nahezu alles, was uns amerikanische Filme anhand von blutbesudelten Duschvorhängen oder Typen wie Norman Bates über Motels vor Augen geführt haben, wirkt im Vergleich zu dem neu eröffneten Haus am Waidmarkt wie ein schlechter Witz aus einem vergangenen Jahrhundert. Gut, man könnte auch hier nach US-Vorbild gewissermaßen vom Autositz aus ins Bett fallen. Aber es wäre fast sträflich, wenn man den Fahrstuhl aus der im Übrigen gut beleuchteten Tiefgarage nicht im Erdgeschoss anhalten ließe. Und sei es nur, um eine auffallend gut gelaunte Mitarbeiter-Mannschaft zu erleben, die dem Gast durch die türkisfarbenen Bekleidungselemente (bis hin zum Nagellack) auch optisch fröhlich und frisch erscheint.

Apropos Türkis: Rund 70 Prozent der Motel-One-Lounges sind identisch, die restlichen 30 Prozent verströmen Lokalkolorit. In Köln ist es das Thema „Kölnisch Wasser“, wozu natürlich keine Farbe besser passt als jenes Blaugrün, das schon die 4711-Flasche zum Eye-Catcher machte.

Alles vom Feinsten

Blickfang in der Lobby am Waidmarkt sind die drei „Egg-Chairs“, die bereits vor der Eröffnung silhouettenartig hinter den Fensterscheiben auszumachen waren. Nun könnte man annehmen, dass es sich bei diesen Sesseln gewissermaßen um Alibi-Möbelstücke handelt, mit denen das Haus sein Design-Versprechen einlöst. Tatsächlich wirken aber auch die Ledersofas gegenüber der Rezeption so, als seien sie eben erst von einem namhaften Einrichtungshaus am Kaiser-Wilhelm-Ring geliefert worden.

Das Motel One ist vergleichsweise preiswert. Das Adjektiv „billig“ vergisst man hingegen sofort, wenn man das Interieur etwas eingehender betrachtet. Angefangen vom Frühstücksraum mit seinen charakteristischen Regentropfenlampen, dem italienischen Schiefer an der Wand im Eingangsbereich über die Designerlampen in den zwar nur 16 Quadratmeter großen Zimmern (die im Übrigen mit gereinigter Frischluft versorgt werden) bis hin zu den Bad-Armaturen in Manufakturqualität und dem hochwertigen Flachbildschirm an der Wand ist alles vom Feinsten. Sogar in der Auslegeware spiegelt sich die Vorliebe von Ursula Schelle-Müller, die im Unternehmen für Marketing und Design zuständig ist und der expandierenden Hotelkette einen unverwechselbaren Look verliehen hat.

Das Einzige, das man in den Zimmern vergeblich sucht, sind Minibar und Telefon; zwei Elemente, die nach Worten von Hoteldirektor Mathias Gerber enorm personalintensiv, damit natürlich auch preistreibend – letztlich aber überflüssig seien – angesichts einer Bar, die 24 Stunden geöffnet habe und der Tatsache, dass heute kaum noch jemand ohne Handy reise.

Im Motel One kostet die Einzel-Übernachtung an mehr als 300 Tagen im Jahr 69 Euro (gegebenenfalls plus Kulturförderabgabe.) In der restlichen Zeit gebe es an die Messen angelegte Aufpreise, die bei 20, 50 oder 70 Euro pro Nacht lägen. Der einzelne Gast komme pro Übernachtung also nicht über 150 Euro hinaus, werde aber auch an Tagen mit geringerer Auslastung keine Schnäppchen machen können. Das branchenübliche Yielding, ein System zur Nachfragesteuerung mittels Kapazitätsverfügbarkeiten und Preisen, werde man im Motel One nicht finden.

Es gibt aber auch andere Dinge nicht: etwa das hoteleigene Restaurant, die Wellness, den extravaganten Room-Service. Es gibt auch keinen Tagungsraum. Wer Hunger hat, muss vorerst auf die von Sternekoch Alfons Schuhbeck kreierten Toast-Variationen zurückgreifen oder warten, bis im Frühjahr 2013 sowohl die auf Sushi und Grillgerichte spezialisierte japanische Restaurantkette Okinii als auch die auf frische, fettarme Kost fokussierte Kette „SupaSalad“ im Quartier am Waidmarkt eingezogen sind.

Hoteldirektor Mathias Gerber hat sich trotz der großen Bettenkapazität zum Ziel gesetzt, „dass wir jeden Gast persönlich wahrnehmen“. Das ist ein hoher Anspruch bei 369 Zimmern. Aber Gerber scheint es zu mögen, wenn die Messlatte für seine Arbeit hoch liegt. Während der vergangenen drei Jahre, in denen er das Marsdorfer Motel One geführt hat, gelang es ihm nach eigenen Worten, die Auslastung „von 50 auf 80 Prozent“ zu steigern.

Wenn man unbedingt meckern will, kann man sich darüber beschweren, dass die dicken weißen Frotteetücher noch fusseln. Oder dass die Schokolädchen auf der Bettdecke fehlen. Das störte den Gast aus Trier, der am Abend nach der Eröffnung mit Blick auf die Kreuzung im Lounge-Sessel saß, indes nicht. „Wenn man viel unterwegs ist, dann weiß man Spreu und Weizen zu unterscheiden. Und hier sind die edlen Körner.“

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