Nach Birlikte-EklatWarum „Antifa AK Köln“ den Begriff Antifaschismus missversteht

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Tumulte auf der Bühne im Depot I des Schauspielhauses, rechts Meral Sahin.

Tumulte auf der Bühne im Depot I des Schauspielhauses, rechts Meral Sahin.

  • Der „Antifa AK Köln“ hat eine Birlikte-Veranstaltung mit AfD-Politiker verhindert.
  • Der Vorfall zeigt, dass die Antifa-Vertreter die letzten sind, deren Protest gegen die AfD Glaubwürdigkeit für sich beanspruchen kann.

Köln – Der Antifaschismus in Deutschland lebt! Und er bewirkt, wie der Verlauf des Kölner Birlikte-Festes zeigt, sogar etwas jenseits des Nullsummenspiels von Demonstration und Gegendemonstration bei AfD- und Pegida-Aufmärschen. Der „Antifa AK Köln“ hatte angekündigt, die von den Veranstaltern geplante Podiumsdiskussion mit dem AfD-Mitgründer Konrad Adam verhindern zu wollen. Auf die Drohung folgte die Tat: Mitglieder und Sympathisanten verhinderten durch lautstarke Störmanöver die Veranstaltung. Und das, obwohl auch die Sprecher der (türkischen) Opfer des vom NSU begangenen Keupstraßen-Attentats die Einladung des AfD-Vertreters gutgeheißen hatten. Wenn die Betroffenen schon selbst nicht wissen, was gut für sie ist – die Antifa weiß es auf jeden Fall.

Eine Frage der Fehlwahrnehmung

Dieses unerschütterliche Selbstvertrauen mag von der vermeintlichen historischen Gloriole des Firmenlogos herrühren: Antifaschismus – das ist, seit den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, der heroische, aufopferungsvolle, auch von Niederlagen gezeichnete Kampf gegen die braune Flut. Und weil die böse ist, ist besagter Kampf gut. Sagt etwa jemand etwas gegen Leute, die Nazis bekämpfen? Leider impliziert diese Frage eine Fehlwahrnehmung – die durch eine Gegenfrage als solche erkennbar wird: Ist der Menschheitsverbrecher Stalin deshalb „gut“, weil die Sowjetunion das Hitlerreich niederringen half?

Tatsächlich wird seit jeher mit dem Begriff Antifaschismus Schindluder getrieben – woran aus gegebenem Anlass erinnert sei. Der Antifaschismus ist so alt wie das von ihm Attackierte – der Faschismus eben. Der war eine Herrschaftsform, die sich zwischen 1922 und 1944 in Italien etablierte. Antifaschismus meint aber eben nicht nur den Kampf gegen Mussolini, sondern auch den gegen Hitler, Franco, griechische Obristen und lateinamerikanische Caudillos – obwohl all diese irgendwie „rechten“ Diktaturen wenig bis nichts gemein haben. „Faschismus“ wird damit zu einem untauglichen, weil die Vielgestalt der Empirie verfehlenden Oberbegriff.

Benito Mussolini, „Führer“ des italienischen Faschismus, mit Adolf Hitler bei einer Fahrt durch Florenz

Benito Mussolini, „Führer“ des italienischen Faschismus, mit Adolf Hitler bei einer Fahrt durch Florenz

Seine polemischen und denunziatorischen Qualitäten sind freilich nicht zu verachten – woraus sich auch erklärt, dass (nicht ausschließlich, aber vor allem) die mehr oder weniger kommunistische Linke so großen Gefallen an ihm wie an seinem Gegenbegriff (dem Antifaschismus) fand. Das scheinsachliche Argument der Rede vom „deutschen Faschismus“, dass man mit der Begriffswahl „Nationalsozialismus“ lediglich der Selbstdefinition der Nazis aufsitze, verfängt nicht: Auch „Faschismus“ war ursprünglich eine Selbstbezeichnung – von Mussolinis Kampfbünden halt.

Der Charme des „Faschismus“

Der Charme des „Faschismus“ für die radikale Linke bestand und besteht darin, dass er es in seiner Funktion als Kampfbegriff möglich macht, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Wenn – wie es die marxistische Faschismus-Doktrin seit den 20er Jahren behauptete – der Faschismus die offen terroristische Endstufe des in seiner Herrschaft bedrohten Kapitalismus ist, dann lassen sich solchermaßen auch liberale Demokratien mit kapitalistischer Wirtschaft als „präfaschistisch“ oder „faschistoid“ diffamieren und bekämpfen. „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“ reimte Brecht in seinem „Arturo Ui“.

So verschwinden unter dem Rubrum „Formen bürgerlicher Herrschaft“ (Reinhard Kühnl) flugs die – eigentlich offenkundigen – Unterschiede zwischen Diktatur und Demokratie. Als einzig wahrhaft-wehrhaftes Gegenmodell des Faschismus erscheint dann nicht mehr die Demokratie, sondern der Kommunismus. Durch diese begriffspolitische Operation gelingt es schließlich auch, den in der Formel „Rot gleich Braun“ kondensierten Diktaturvorwurf gegen die Linke abzuwehren. Und all diejenigen, die das nicht so sehen, sind ihrerseits „Faschisten“.

Gewaltbereit und demokratiefeindlich

„Antifaschismus – ein deutscher Mythos“ betitelte die Politologin Antonia Grunenberg bereits 1993 einen lesenswerten Essay. „Die Geschichte des Antifaschismus“, heißt es dort, „ist von totalitären Visionen, Denkblockaden, Gewalt und beschädigten Helden geprägt“. Dem ist nichts hinzuzufügen. „Beschädigt“ wurde der Antifaschismus zumal 1989 durch den Zusammenbruch des Staatssozialismus, dessen propagandistisch-verlogene Legitimationsideologie er gewesen war.

Doch hat der (linke) Antifaschismus – Birlikte zeigt es – seinen eigenen systemischen Untergang überlebt. Was beweist, dass sich Ideologien halt nicht immer durch gegenstrebige Erfahrung auflösen lassen. Man mag die Antifa für eine harmlose linksradikale Folkloretruppe halten, eine skurrile Sekte Ewig-Gestriger – und läge damit sicher nicht falsch. Unverkennbar aber ist – Birlikte zeigt es –, dass hier ein nicht unerhebliches Potenzial an je nach dem auch gewaltbereiter demokratiefeindlicher Intoleranz lauert. Die Antifa-Vertreter sind jedenfalls kraft ihrer eigenen Ausstattung die letzten, deren Protest gegen die AfD Glaubwürdigkeit für sich beanspruchen kann.

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