Nach EklatWenige Menschen bei Arsch-huh-Kundgebung - Umstrittener Redner tritt auf

Lesezeit 4 Minuten
Mehrere Hundert Teilnehmende bei der „Arsch Huh“-Friedenskundgebung „Give Peace a Chance“ am Aachener Weiher.

Mehrere Hundert Teilnehmende bei der „Arsch Huh“-Friedenskundgebung „Give Peace a Chance“ am Aachener Weiher.

Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, spricht von den Opfern der Hamas und den Toten in Gaza in einem Atemzug. 

Selten zuvor hatte sich die Ankündigung einer Friedenskundgebung als derart scharfer Boomerang erwiesen: Nachdem die Kölner Künstler-Initiative „Arsch huh, Zäng ussenander“ in ihrer Ankündigung für die Kundgebung „Give Peace a Chance!“ die Ermordeten des Terrors der Hamas und die palästinensischen Toten im Gazastreifen in einem Atemzug genannt hatte, sagte Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden, seine Teilnahme ab. Es folgte geballte Kritik aus Politik und Gesellschaft.

Man sollte Arsch huh jetzt nicht kaputtreden, nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Es geht ja darum, im Gespräch zu bleiben
Rita und Werner Weber aus Mauenheim

Am Sonntag (3. Dezember) haben sich um 15 Uhr nur einige Hundert Menschen vor der Bühne am Aachener Weiher versammelt. Rita und Werner Weber aus Mauenheim gehören zu „Arsch huh“- Unterstützern der ersten Stunde. Die Veranstalter hätten den Terror der Hamas und die Toten im Gazastreifen „nicht in einem Satz nennen sollen“, sagen sie. „Aber die Initiative bleibt für uns die wichtigste Kölner Institution gegen die Rechten. Man sollte sie jetzt nicht kaputtreden, nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Es geht ja darum, im Gespräch zu bleiben.“ Dass nur so wenige Menschen gekommen, sei „sehr traurig“.

„Arsch huh“ hält trotz der Kritik im Vorfeld auch an einem umstrittenen Redner fest: Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, hatte sich nach dem 7. Oktober erst spät vom Terror der Hamas distanziert und verbreitet seitdem immer wieder Medienberichte aus fragwürdigen Quellen wie dem türkischen Staatssender TRT, die das Leid der Palästinenser betonen. Abraham Lehrer hatte seine Absage indirekt auch mit Mayzeks Kommen begründet.

Alles zum Thema Arsch huh, Zäng ussenander

Aiman Mazyek spricht in einem Atemzug von israelischen und palästinensischen Toten

Auf der Bühne sagt Mayzek viele Dinge, die ihm Applaus eintragen: Dass Antisemitismus eine Sünde sei und er Antisemitismus verurteile, jede Menschenfeindlichkeit in islamischen Gemeinden „auf erbitterten Widerstand“ treffe, der Krieg im Nahen Osten „kein religiöser, sondern ein politischer Konflikt sei“, „jedes tote Kind eines zu viel“ sei, egal welcher Herkunft. Dass er „große Sorge um den Zusammenhalt der Gesellschaft habe“ und jeder sich um „Aussöhnung und Frieden“ bemühen müsse. Mayzek spricht indes auch in einem Atemzug von den „2000 israelischen Toten und inzwischen 15.000 toten Palästinensern“ – und tut damit genau das, was die Künstlerinitiative in ihrem Aufruf getan  und was den Eklat verursacht hatte.

Arsch huh hat in seiner Ankündigung die Angreifer der Hamas und die Opfer auf eine Stufe gesetzt. Das darf man nicht tun
Gerhart Baum, früherer Bundesinnenminister

Der frühere Bundesinnenminister und Menschenrechtsaktivist Gerhart Baum kritisiert das am Sonntagnachmittag scharf: „Arsch huh hat in seiner Ankündigung die Angreifer der Hamas und die Opfer auf eine Stufe gesetzt“, sagte er. „Das darf man nicht tun.“ Er könne Abraham Lehrers Absage, die er bedauere, nachvollziehen, und spreche trotzdem hier, weil er „das Signal der Kundgebung gegen den wieder aufgeflammten Antisemitismus in unserem Lande nachdrücklich unterstützen will“. Im Land, das den Holocaust zu verantworten hat, „dürfen Rassismus und Antisemitismus nie wieder eine Normalität werden“.

Der ehemalige SPD-Vorsitzende Norbert-Walter Borjans schlägt andere Töne an: Ihn verstöre die Massivität, „mit der jede und jeder attackiert wird, der sich auch die geschundenen Menschen eines Landstreifens sorgt, die vertrieben wurden und deren Hab und Gut in Trümmer bombardiert wird“, sagt er. Es sei fatal, dass „jeder Aufruf an die Regierung Netanjahu, das Völkerrecht zu beachten, in die Nähe von Antisemitismus gerückt wird“.

Ich fand es als deutsche Jüdin nie so gefährlich wie heute, mich politisch zu engagieren
Swetlana Nowoshenova, Jüdin von der Initiative „Palestinians and Jews for Peace“

Swetlana Nowoshenova, deutsche Jüdin von der Initiative „Palestinians and Jews for Peace“ sagt: „Wir werden täglich dafür beschimpft, Solidarität mit Juden und Palästinensern zu zeigen, Gemeinsamkeiten zu suchen“, sagt sie. Es mache sie traurig, dass der Antisemitismus in Deutschland so unverhohlen um sich greife. „Ich fand es als deutsche Jüdin nie so gefährlich wie heute, mich politisch zu engagieren.“ Antisemitismus dürfe indes nicht „als Pauschalvorwurf erhoben werden, um israelische Kriegsverbrechen zu rechtfertigen“. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft und die Synagogengemeinde bezeichnet sie als „Sprachrohr der Regierung Netanjahu“.

Viele Künstlerinnen und Künstler halten sich mit politischen Statements zurück. Sie konzentrieren sich auf das, wofür die Arsch-huh-Initiative 1992 gegründet wurde: Sie warnen vor Rassismus und dem Erstarken von Rechtsextremismus auch in Deutschland. „Ich glaube trotz allem an eine Zukunft, die geprägt ist von Frieden, Toleranz und Solidarität, sagt Kabarettist Wilfried Schmickler, hebt zu einer rhetorischen Tirade gegen die AfD an und schließt mit den Worten: „Sie können die AfD natürlich wählen, aber sagen sie später nicht, sie haben nichts davon gewusst.“

Stephan Brings betont, wie wichtig es ihm sei, „dass der freundschaftliche Dialog mit der jüdischen Gemeinde bestehen bleibt“. Die Musiker von Erdmöbel singen ihr Lied „Hoffnungsmaschine“, Brings „Liebe gewinnt“. Als alle Künstler gegen 17.30 Uhr zusammen John Lennons „Give Peace a Chance“, singen, stehen nur noch rund 150 Menschen vor der Bühne.

KStA abonnieren