DB-Instandhaltungswerk in Köln-BilderstöckchenHier werden die S-Bahnen und Regionalzüge der Bahn geprüft

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Die 105 Tonnen schweren Wagen können von beiden Seiten in das Werk gefahren werden.

Die 105 Tonnen schweren Wagen können von beiden Seiten in das Werk gefahren werden.

Bilderstöckchen – Pendler, die im Winter 20 Minuten länger in der Kälte am Bahnsteig stehen müssen, weil ihre S-Bahn mit einem Triebwerksschaden liegen geblieben ist – für Hans-Jürgen Strauch sind sie der schwerste Albtraum. Der Leiter des Instandhaltungswerkes der Deutschen Bahn in Köln-Nippes kennt seine Kunden . Sie wollen pünktliche, sichere und saubere Fahrzeuge, und das zu jeder Tages- und Nachtzeit. Um Anspruch und tägliche Realität besser als bisher in Einklang zu bringen, hat das Unternehmen 24 Millionen für einen Werkstattneubau auf dem Bahndamm an der Longericher Straße investiert.

„Das alte Werk in Deutz stammte im Prinzip noch aus der Vorkriegszeit“, sagt Strauch. Schlechte Lichtverhältnisse und enge Inspektionsgruben gehören seit dem Frühjahr 2015 der Geschichte an. Die neue Haupthalle des Werkstattkomplexes ist mit 160 mal 22 Metern üppig bemessen und bietet Platz für vier Arbeitsstände, die gleichzeitige Inspektionen auf verschiedenen Ebenen an den Fahrzeugen ermöglichen. Hebeböcke zum Anheben eines Triebzugs und moderne Dacharbeitsbühnen ersetzen die frühere Höhensicherung mit Gurten.

Gewartet werden die Triebzüge des im Kölner S-Bahn-Netz verkehrenden Typs ET 423 sowie – in einem geringeren Umfang – auch die Wagen der Rhein-Wupper-Bahn (RB48). Insgesamt 65 Fahrzeuge werden betreut. Alle 11.000 Kilometer kommen sie auf den Prüfstand – bei 270.000 Kilometer Jahreslaufleistung im Durchschnitt alle zehn bis 14 Tage.

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Während Strauch durch die Halle führt, ist einer der Werkstände gerade frei. Aber nicht lange. Eine Frauenstimme warnt bereits vor der Einfahrt des nächsten Triebwagens. Das hintere Werkstatttor öffnet, und sachte schiebt sich das 105 Tonnen schwere Fahrzeug an den vorgesehenen Haltepunkt.

„Die Wagen können von beiden Seiten in das Werk rangieren, das ermöglicht ein viel effektiveres Arbeiten als früher“, so Strauch. Maximal acht Inspektionen je Schicht sind möglich, gearbeitet wird in drei Schichten. Um Arbeitsunfälle mit Starkstrom zu verhindern, müssen alle Arbeiter beim Betreten der Arbeitsbühnen einen Schlüssel aus einem Sicherungskasten an sich nehmen. Erst wenn alle Schlüssel wieder an ihrem Platz sind, also alle Mitarbeiter den Gefahrenbereich verlassen haben, kann der Strom wieder zugeschaltet werden. „Arbeitsschutz spielt eine ganz wichtige Rolle“, versichert Strauch.

So gut die neuen Arbeitsbedingungen auch sind, die Instandsetzung steht und fällt mit den Mitarbeitern: Um Fachkräftemangel vorzubeugen, bildet die DB Regio West im Nippeser Werk auch aus. „Während der betrieblichen Ausbildung werden die Azubis direkt an den Fahrzeugen geschult“, erklärt Strauch. 28 sind es aktuell. Aber auch nach der bestandenen Gesellenprüfung geht es weiter: In Sonderlehrgängen spezialisieren sich die neuen Mitarbeiter auf bestimmte Fahrzeugkomponenten wie die Bremsen, Klimaanlagen oder Radstände. „Erst wenn wir wirklich überzeugt sind, dass die Theorie auch in der Praxis sitzt, erhält der Nachwuchs seine Lizenz, um eigenverantwortlich an den Zügen zu arbeiten.“

Eine besondere Partie unter Strauchs 70 Mitarbeitern ist Torsten Zeps. Der 40-Jährige ist nicht nur ein erfahrener Instandhaltungstechniker, er besitzt auch eine Ausbildung zum Triebfahrzeugführer. Er darf die ersten Testfahrten mit den Bahnen nach der Inspektion übernehmen. Gerade hat sein Trupp den Rundlauf an einer ET 423 abgeschlossen. Zeps Urteil: „Auf den ersten Blick haben wir nichts Gravierendes gefunden, aber die Radsätze sind abgenutzt und der Kühlwasserkreislauf ist beschädigt. Da werden wir einen Schlauch tauschen müssen.“ Nach einem halben Arbeitstag, so die Prognose des Mannes mit dem Klemmbrett unter dem Arm, wird der Triebwagen die Werkstatt aber wieder verlassen können.

Warum Zeps heute viel lieber an den Bahnen schraubt, statt sie zu fahren, ist schnell erklärt: „Ich bin kein Mensch, der acht Stunden alleine auf der Führerstand sitzen mag. Ich stehe eher auf Teamarbeit.“ Genau dieses Team bekommt es jenseits der klassischen Verschleißreparaturen auch immer häufiger mit Vandalismus zu tun: Zertrümmerte Scheiben und beschädigte Deckenverkleidungen, Graffiti und aufgeschlitzte Sitzpolster sind zusätzliche Herausforderungen. „Die meisten Probleme bereiten uns defekte Scheiben. Der Ausbau und das Einkleben der neuen Scheiben und das Einhalten der Trockenzeit sorgen bei den Bahnen für Standzeiten von mindestens zwei Tagen“, so Zeps.

Wesentlich kürzer dauert der Besuch der Bahnen in der neuen Waschanlage des Nippeser Werkes. Einmal pro Woche – meist nachts – werden die S-Bahnen vollautomatisch von Rückständen an ihren Außenhüllen befreit. Dabei hilft umweltverträglicher Neutralreiniger mit Bakterienkulturen. „Das ermöglicht uns eine Wasser-Recyclingquote von 80 Prozent,“ erklärt Werkleiter Strauch.

25 Minuten dauert die Behandlung, im Winter wird sie ergänzt durch eine Enteisung mit auf 40 Grad vortemperiertem Wasser aus feinen Sprühdüsen. Die sensiblen Bereiche des Fahrzeugs, etwa die Drehgestelle, werden so von Schnee und Eis befreit.

Bei der Materialverwaltung verfolgt die Bahn die Politik der kurzen Wege. Auf ein klassisches Zentrallager wurde verzichtet, dafür finden sich viele der wichtigsten Ersatzteile direkt an den Arbeitsständen. Der Rest der rund 1300 Komponenten wird über ein computergestütztes Lagersystem verwaltet, das benötigte Teile – ähnlich wie bei einem Süßigkeitenautomaten – in Sekundenschnelle von ihren Regalplätzen zur Ausgabeklappe befördert. „Wir haben Ersatzteile im Wert von 1,4 Millionen Euro vorrätig“, verrät René Donner, Leiter der Materialwirtschaft. Welche Nummer er am häufigsten eingeben muss? „Die für neue Sitzpolster.“

Und die Zukunft? Für die sieht der Werksleiter sich gerüstet. „Die Werkstatt ist so konstruiert, dass wir sie bei Bedarf direkt nebenan erweitern können“. Unwahrscheinlich sei dies nicht: 2014 nutzten 54 Millionen Fahrgäste, die S-Bahn in Köln – eine Steigerungsrate von fünf Prozent alleine zum Vorjahr. „Köln ist eine wachsende Metropole mit steigendem Mobilitätsbedarf.“

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