Protest in NippesKölner Kleingärtner wehren sich gegen Baupläne der Stadt

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Köln – Der Gartenzwerg sieht grimmig aus. Die Frau mit der roten Zipfelmütze ist nicht in Karnevalspartystimmung. Sie ist zu einer Demo gekommen und hat vor dem Rathaus Stellung bezogen, 150 weitere Teilnehmer an ihrer Seite. Mit Gießkannen bewaffnet sind Kleingärtner und Anwohner aus Nippes und dem Agnesviertel angerückt, nicht um Blumen zu bewässern. Sie benutzen die Kannen als Blasinstrumente. Ein lautes Dröhnen hängt über dem Rathausvorplatz. Die Menschen in der Stadt sollen wissen, wie wütend sie sind – auf die Stadtverwaltung:

Sie hat Flächen für 37 000 Wohnungen ausgemacht, die in den nächsten 13 Jahren gebaut werden könnten. Eines der betroffenen Gebiete liegt zwischen dem Sechzigviertel in Nippes und der Inneren Kanalstraße, wo sich 322 Schrebergärten des Flora e.V. befinden. Sie müssten den Neubauten weichen. Das möchten ihre Besitzer nicht hinnehmen: „Kleingärten sind historisches Kulturgut und eine soziale Errungenschaft. Sie bilden im Stadtraum grüne Oasen, die den Klimawandel aufhalten und dessen Folgen abmildern“, schreit Katja Erdmann durch eine aus Pappe gebastelte Flüstertüte. „Kleingärten sind Biotope für heimische und bedrohte Säugetiere, Vögel und Insekten.“

Kleingärtner am Maarweg durften nach Protest bleiben

Erdmann hat zu der Demo eingeladen. Sie ist nicht Mitglied im Flora e.V., sondern in dem Kleingärtnerverein Kölsche Kiwis am Maarweg, möchte die Gärtner aus Nippes aber unterstützen. Denn auch die Schreibergärten am Maarweg sollten vor zwei Jahren einem Bauvorhaben der Stadt weichen. Die Besitzer protestierten – und konnten bleiben.

Den gleichen Erfolg erhoffen sich die Kleingärtner  aus dem Norden. Jeder von ihnen hat einen guten Grund dabei: „Mein Schrebergarten ist mein Herz“ steht auf einem der Schilder, die sie in den Händen tragen. „Ich habe unseren Garten mit meinem Vater bepflanzt. Er ist vor 4 Jahren an Krebs gestorben. Das ist ein Stück Erinnerung, die abgerissen wird“, sagt der etwa 13jährige Julian traurig. Über den emotionalen Wert, den der Garten für sie hat, sprechen viele Demonstranten – und über den erzieherischen: „Das ist ein Platz für unsere Kinder, wo wir gesundes Gemüse anbauen, wo Kinder lernen, dass es nicht aus dem Supermarkt kommt“, erzählt Julians Mutter Monika Kipping. Außerdem seien die Kleingärten für das Klima in der Stadt immens wichtig:

„Wenn ich im Sommer abends in meinem Garten sitze, wird es feucht. Dann ziehe ist meine Jacke an, fahre nach Hause ins Agnesviertel und da steht die Hitze“, schildert Ulla Herpers. Sie habe eine Flechte auf ihrer Gartenmauer gefunden, die darüber Auskunft gebe, wie hoch der Sauerstoffgehalt der Luft dort sei.

„Die Kleingärten sind die grüne Lunge von Nippes“, sagt Maren Krämer. „Grüne Lunge“, so heißt auch die Initiative, die sie mit anderne Kleingärtnern gegründet hat. Nippes sei ein Viertel mit wenig Grün, erzählt Anwohner Kay Hohenböken. Er ist mit seinem Freund Chris Boltendahl gekomme, um die Kleingärtner zu unterstützen. „Wir haben zwei große Bauvorhaben hinnehmen müssen, das Werkstattviertel und nun das Clouthgelände“. Das könne  Nippes doch nicht noch mehr verdichten. Dass der Bedarf an neuen Wohnraum riesig ist und die Stadt dringend dafür sorgen muss, sei ihnen klar. Aber nicht in Nippes, finden sie. Köln solle am Rand wachsen. „Es fehlt doch völlig an Infrastruktur für so viele Bewohner im Viertel. Kitas und Schulen platzen jetzt schon aus allen Nähten“, sagt Boltendahl.

Die Demoteilnehmer können  viele gute Gründe gegen das Bauprojekt vorbringen. Doch eines, meint ein Teilnehmer, könne man selbst noch besser machen: „Das nächste Mal sollten wir nicht Samstag vor dem Rathaus demonstrieren, denn dann ist doch überhaupt niemand hier, der uns zuhört“, sagt Bernd Weber.

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