VeedelsspaziergangSchauspielerin Nina Vorbrodt zeigt uns ihr Nippes

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Die Schauspielerin, Autorin, Sprecherin und Stadtführerin Nina Vorbrodt möchte nach Möglichkeit nie mehr aus ihrem Veedel wegziehen.

Die Schauspielerin, Autorin, Sprecherin und Stadtführerin Nina Vorbrodt möchte nach Möglichkeit nie mehr aus ihrem Veedel wegziehen.

Nippes – Gut, dass diese Frau keine Karriere im Getränkehandel angestrebt hat. Sie wäre, wie im Laufe der Geschichte noch deutlich werden wird, die denkbar schlechteste Kandidatin. Aber als Fürsprecherin für ihr Veedel ist die Schauspielerin, Autorin und Sprecherin Nina Vorbrodt die allererste Besetzung.

Dabei ist die im Weyertal geborene Kölnerin einem großen Fernsehpublikum zunächst als aufmüpfige Münchner Göre untergekommen. Mit nicht mal kinnlangen roten Haaren tauchte sie am 18. Dezember 1988, damals 16-jährig, in der Lindenstraße als Freundin von Benny Beimer auf. Fast vier Jahre lang konnte man sie in der Rolle der kompromisslosen Umweltaktivistin Kornelia Harnisch erleben. Kompromisslos ist die 44-Jährige auch im richtigen Leben. Zumindest, was trinkbare Flüssigkeiten betrifft. „Keinen Tee, keine Säfte, keine Limos.“ Selbst Kaffee, das Lieblingsgetränk der Deutschen, käme ihr nie in die Tasse. Nachdem wir das – gemeinsam im Café von „Törtchen Törtchen“ sitzend – schon mal geklärt haben, verkneifen wir uns auch tapfer jeden Blick auf die bunten Kunstwerke in der Kühltheke. Bei Süßem ist es ganz anders als bei Kaffee, den sie wegen des bitteren Geschmacks nicht mag. „Ich könnte mich ausschließlich von Zucker ernähren“, betont sie und schiebt ein „leider!“ hinterher. Zucker sei allerdings auch ihr einziges Laster. „Ich rauche nicht und trinke sehr wenig. Ich bin ein sehr glücklicher und zufriedener Mensch.“

Nina Vorbrodt wuchs in Braunsfeld auf und kam seinerzeit durch eine Suchaktion im „Express“ zu ihrer Rolle in der ARD-Sonntagsserie „Lindenstraße“. Auch ihre weiteren TV-Erfolge zum Beispiel in Serien oder Filmen wie „Schimanski“, „Das vergessene Leben“ oder „Fremde Haut“ basieren auf „Learning by doing“, wie sie sagt.

Wir schauen durch das Fenster. „Ab der Florastraße wird die Neusser Straße immer cooler“, findet Vorbrodt, die nach eigenen Worten „unheimlich gerne und gut isst“ und sich freut, dass sich neben den traditionellen Adressen im Veedel in letzter Zeit immer mehr andere Lokale aufgetan haben. „Ein Burgerladen oder schräg gegenüber der neue Sushi-Laden – auch sehr, sehr lecker.“ Kölsche Küche ist nämlich nicht so ihr Ding, „von Blutwurst krieg ich Herpes“. Ihr Lieblingsessen sei Thailändisch, und es gebe dafür im Veedel auch einen ganz passablen Imbiss. Ansonsten müsse sie Nippes halt mal verlassen.

Wir gehen ein paar Schritte stadtauswärts vorbei am „Eigenheim“. Dort sei sie ausschließlich an Karneval, berichtet Vorbrodt und erzählt von Kreutzi, dem Wirt, der nur alte kölsche Lieder auflege wie „Feschers Köbes“, „Achterbahn“ von den Bläck Fööss oder „Der kleine Mann“ von Toni Steingass. „Das Schöne ist, dass die ganze Kneipe alle Lieder mitsingen kann“, sagt Vorbrodt.

„Janz schrecklische“ Jahre

Das trifft auf sie selbst freilich auch zu. Dabei stammen ihre Eltern aus Essen, „haben sich aber in Köln kennengelernt“, fügt die Schauspielerin lachend hinzu.

Apropos Essen. Dort, wie auch an der Schauspielschule in Bochum, wo sie sich im Anschluss an ihr Abitur und eine einjährige Reise um die Welt bewarb, fand man sie unbegabt und lehnte sie ab. Interessanterweise fällt ihr aber auch ohne entsprechendes Diplom eine Rolle nach der anderen zu.

Was kein Drehbuch vorgab, war ihr Umzug in die Südstadt. Sie, damals 23 und frisch verheiratet, zog zu ihrem Mann in die Severinstorburg. „Das war geil, mit den Schießscharten als Fenster.“ Natürlich sei das „keine normale Wohnung“ gewesen, und irgendwann sei ihr der Krach aus der Umgebung so dermaßen auf die Nerven gegangen, dass sie unbedingt rausgewollt habe. „Eigentlich wollte ich seitdem nach Nippes.“

Doch mit wachsendem Babybauch schien ihr eine ländliche Umgebung passender für ein Leben mit Kind. Es folgten zehn Jahre in Volkhoven, die das kölsche Mädche als „janz schrecklisch“ in Erinnerung hat. „Ich saß immer im Auto und guckte auf die Uhr, wie lange man braucht, bis das Herkules-Hochhaus ins Blickfeld kam.“ Vor sechs Jahren, inzwischen war die Tochter zehn und sie alleinerziehend, fand sie ihre heutige Wohnung in Nippes. „So eine Normalo-Wohnung, von der ich früher dachte, ich könnte nie so wohnen. Und jetzt hab’ ich die, mit großen Fenstern, netten Nachbarn und freier Sicht. Und da will ich auch nie wieder raus!“

Es gibt im Veedel noch jemanden, auf den das zutreffen könnte: Willi Semrau. Er ist der Herrscher über den gefühlt nicht mal doppelbettbreiten Laden mit der Aufschrift „Vorwerk“, der sich neben dem Service für – auch nicht mehr taufrische – Staubsauger auf Schmuck, Väschen, Lämpchen und Gläschen aus den 50er bis 70er Jahren spezialisiert hat. Dort ein Geschenk für ihre Freundin zu finden, „die total auf Orange steht“, ist überhaupt kein Problem.

Nach begeisterter Betrachtung des Ladens, der auch „Nippes in Nippes“ heißen könnte, nimmt Nina Vorbrodt – stets ihr Rad neben sich schiebend – Kurs auf eine weitere Lieblingsadresse im Veedel, den „Heimathirsch“. In dieser Bar gibt es nicht nur Kölsch und – ganz wichtig – ein vielschichtiges Kulturprogramm wie zum Beispiel die montägliche „Jäzzzeit“. Ferner gibt es Getränke, die wesentlich besser schmecken, als es der Klang des Namens erahnen lässt. Da es aber noch relativ früh am Tag ist, werfen wir nur einen nüchternen Blick auf die Flaschen mit „Froschkotze“, „Wilde Sau“ oder „Schlumpfpisse“. Ohne einen winzigen Schluck „Bärendreck“, seinen selber gekochten Lakritzschnaps, lässt uns Wirt William Blask aber nicht weiterziehen. Mit einem lecker Kölsch hätte er Nina Vorbrodt allerdings auch nicht hinterm Ofen hervorlocken können. „Ich mag nämlich auch kein Bier. Als kölsches Mädche hab’ ich deswegen schon oft überlegt, ’ne Selbsthilfegruppe zu gründen.“

Nicht nur schöne alte Häuser

Weiter geht’s durch die Mauenheimer Straße. Was ihr in ihrem Nippes so gut gefalle, sei dieser Mix aus „schönen alten Häusern und den Bausünden der 60er Jahre. Und dass es noch ein paar Läden gibt, die sich sträuben konnten gegen die Filialisten“, sagt sie und nennt Schreibwaren Düssel in der Florastraße. Am Baudriplatz lehnt sich die Frau, die seit 2002 in sieben Staffeln der Comedy-Reihe „Sechserpack“ mitgespielt hat, an einen dort geparkten, wunderschönen alten Bulli, dessen türkisfarbener Lack perfekt mit den Henkeln ihrer Handtasche harmoniert und erzählt von „Auf Achse“, der Serie, in der sie vor 20 Jahren Armin Rohdes Tochter Lotte spielte.

Wir kommen auf das Thema Garderobe zu sprechen – da könnte das Angebot an Geschäften aus Sicht der Schauspielerin in Nippes größer sein. Ein schöner Laden sei „Frau Schulze“, dort finde man Marken, die es nicht überall gibt, zudem viele Bio- und Fairtrade-Produkte, sagt die 44-Jährige. Sie selber hasse es, „Klamotten zu shoppen“, weshalb ihr Kleiderschrank überwiegend aus Rollen-Kostümen bestehe.

Wer wie Nina Vorbrodt Blumen mag, kommt an der Adresse Simon-Meister-Straße 18 nicht vorbei. Wäre sie nicht Schauspielerin geworden, dann möglicherweise Floristin, sagt sie und fügt hinzu, dass sie sich immer selber Blumen kaufe und das Geschäft Rosinski „das Paradies schlechthin“ sei.

Es ist jedoch nicht das einzige in Nippes. „Die »Einheit 15« ist mein absoluter Favorit.“ Das Lokal sei total gemütlich und das Essen „hammerlecker“. So lecker, dass sie „am liebsten alles essen“ würde. Mit der Vorstellung von Ziegenkäse-Rote-Bete-Salat mit karamellisierten Walnüssen ziehen wir weiter Richtung Nippeser Tälchen. Man kann weiß Gott schlechtere Gedanken hegen. Apropos Vorstellung: Bis 25. November spielt Nina Vorbrodt im Bonner Contra-Kreis-Theater wieder die Angela Merkel in Juli Zehs grotesker Komödie „Mutti“.

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