„Ein wenig Wehmut schwingt jedes Mal mit“Kölner Familie Wirtz züchtet seit 1968 Weihnachtsgänse im Hahnwald

Lesezeit 3 Minuten
Eine Schar Gänse ist auf einer Wiese.

Die Gänseherde auf der Wiese

Rund 800 Vögel hat Züchter Wilhelm Wirtz seit Mai groß gezogen vom Eintagsküken zur Mastgans.

Noch sind ein paar Türchen zu öffnen bis Weihnachten, noch watscheln Gänse über die Wiese an der Bonner Landstraße gegenüber dem Hermannshof. Aber die Schar hat sich schon deutlich verkleinert. „Ein wenig Wehmut schwingt jedes Mal mit, wenn man sie acht Monate lang aufgezogen hat und wenn es dann nach Weihnachten plötzlich so ruhig ist“, sagt der Herr der Gänse vom Hermannshof, Wilhelm Wirtz.

Tierfreunde beschwerten sich beim Veterinäramt über Gänse im Matsch

Ausnahmsweise warten die großen Vögel nicht auf ihrer angestammten Grasfläche auf Weihnachten, sondern auf einem benachbarten Pachtgrundstück. Die Gänse sind vor ein paar Wochen umgezogen wegen des vielen Regens im Herbst. Der hat die „Stammwiese“ allzu matschig gemacht. Der Anblick des Federviehs im Regen und Morast war verstörend und Mitleid erregend. Tierfreunde und -schützer hätten sich deshalb beim Kölner Veterinäramt beschwert, berichtet Hermann Wirtz. Er schüttelt den Kopf. So ganz verstehen kann er die Sorgen nicht. „Gänse sind Wassertiere“, betont er, ihnen würde Nässe nichts ausmachen.

Ein Mann mit Bart steht im Hof eines Bauernhofs.

Wilhelm Wirtz, der Herr der Gänse

Ihr Gefieder sei quasi imprägniert durch das Fett der Bürzeldrüse. Einen Unterstand habe er zwischenzeitlich angeboten, aber den hätten die Gänse nicht angenommen. „Eine große Halle mit einer Freifläche rundherum wäre natürlich wunderbar“, sagt der Landwirt. Davon träume er, aber dafür fehle bislang der Platz. Rund 800 Vögel hat er seit Mai groß gezogen vom Eintagsküken zur Mastgans. „Es werden auch in diesem Jahr so gut wie keine übrig bleiben“, weiß der Landwirt aufgrund der Vorbestellungen.

„Die Nachfrage nach unseren frischen Gänsen ist ungebrochen hoch. Ich könnte noch deutlich mehr aufziehen und vermarkten“, sagt der 37-Jährige. Dafür habe er aber keine Kapazitäten. Zwar ernähren sich immer mehr Menschen vegetarisch oder vegan. Der deutsche Fleischer-Verband stellt etwa einen Rückgang des Fleischverzehrs um sieben Prozent fest vom Jahr 2021 auf 2022, das gilt als ein Rekordtief. Aber von diesem Trend merkt der Landwirt Wilhelm Wirtz offenbar nichts.

Ein Kilo Gans vom Hermannshof in Köln-Hahnwald kostet 16,50 Euro

Viele Stammkunden, zwei Restaurants und zwei Metzgereien würden bei ihm zuverlässig bestellen, aber auch junge Familien. Und auch auf Wochenmärkten werden die Gänse angeboten. Die Kundschaft schätze besonders die Freilandhaltung und dass die Tiere aus der Region kommen; dass man sehen kann, wo und wie sie aufgezogen werden. Auch geschlachtet, gerupft, verpackt werden die Gänse auf dem Hof und jeweils direkt vermarktet entsprechend der Vorbestellung. „Es liegt selbstverständlich auch in unserem eigenen Interesse, dass die Gänse gesund aufwachsen, dass sie umherlaufen können, dass sie eine gute Muskulatur aufbauen und an Gewicht zulegen“, betont er. Rund fünf Kilo wiegt eine durchschnittliche Gans bei ihm, ein Kilogramm kostet in diesem Jahr 16,50 Euro.

Eine junge Frau hat ein Baby auf dem Arm, daneben stehen ein Mann mit Bart und eine ältere Dame.

Drei Wirtz-Generationen mit Christa, Knut, Wilhelm und Mutter Brunhild

Auf dem Hermannshof angrenzend an das Nobelviertel Hahnwald lebt die Landwirt-Familie Wirtz bereits seit 1933. Frische Weihnachtsgänse gibt es seit 1968. Immer noch wird der Bauernhof als Familienbetrieb geführt, drei Generationen leben derzeit dort. „Alle helfen“, sagt der Landwirt, der nebenbei selbstständig als Fliesenleger arbeitet und außerdem rund 30 Hektar Acker- und Grünfläche bewirtschaftet.

Wichtige Pfeiler sind vor allem Mutter Brunhild und Ehefrau Christa, die von Beruf Bürokauffrau und derzeit in Erziehungsurlaub ist. Neben den Gänsen müssen auch noch 100 Enten, sechs Pferde, fünf Hunde und eine Katze versorgt werden. Tochter Gida Maria ist viereinhalb Jahre alt, Sohn Knut Hermann ist mit neun Monaten der jüngste Spross. „Er liebt es, auf dem Trecker zu sitzen und zu lenken“, erzählt Wilhelm Wirtz und lacht. Ob eines seiner Kinder den Betrieb in Familientradition weiter führen wird, steht in den Sternen.

KStA abonnieren