Interview mit Graffiti-KünstlernUm die Gestaltung geht’s, nicht den Nervenkitzel

Lesezeit 5 Minuten
Ihre Kunst sei wichtig, nicht ihre Namen, finden Abe und Biatsch.

Ihre Kunst sei wichtig, nicht ihre Namen, finden Abe und Biatsch.

Abe und Biatsch, Sie sind als Graffiti-Künstler in Köln aktiv. Wann haben Sie zuletzt illegal eine Wand besprüht?

Abe: Wenn man so will, vor ein paar Tagen. Da waren wir auf einem Abrissgelände unterwegs. Auf dem Papier wäre das wohl illegal, de facto stört das an solchen Orten niemanden. Wir hatten schon öfter mit Sicherheitsdiensten zu tun, die finden oft sogar gut, was wir machen.

Biatsch: Das ist ja auch schön: ein sauberes, strahlendes Graffiti an einem kaputten Ort. Wir haben nicht den Drang, auf der Hohe Straße unsere Bilder zu malen. Wir malen, um zu malen, nicht um uns zu präsentieren. Deshalb suchen wir uns Plätze, an denen wir Zeit haben, zu malen und Fotos der Bilder zu machen, die wir als Erinnerung mitnehmen.

Abe: Die Gestaltung steht im Vordergrund, nicht der Nervenkitzel. Ist das nun „legal“, ist das „illegal“? Bei uns ist es meistens irgendwo dazwischen. Wir sagen: Es ist „egal“.

Sie bewegen sich in einer rechtlichen Grauzone. Ist das der Grund, aus dem Sie anonym bleiben wollen?

Biatsch: Beim Graffiti gehört es dazu, dass der Betrachter kein Bild vom Künstler vor Augen hat. Das basiert natürlich auf dem Spiel mit dem Illegalen. Aber unabhängig davon hat ein Graffiti eine andere Wirkung, wenn man nicht weiß, wer es gemalt hat.

Abe: Der Betrachter hat von uns nur das Bild, das er aus der Kunst herauszieht. Wir geben sicher gewisse Charaktereigenschaften preis. Unsere Bilder drücken Empfindungen und Stimmungen aus. Wenn ich gut drauf bin, ist das Bild ausgewogen. Wenn ich Stress habe, dann ist auch das Bild aggressiver.

Wie beschreiben Sie Ihren Stil?

Biatsch: Ich verfolge einen Comic-Stil: Gerade Linien, wenige Farbverläufe, alles konturiert. Ich male viele Charaktere, die aus einem Comic stammen könnten. Zum Beispiel einen grünen Zombie mit hervorquellenden Augen, ein typisches Element aus Serien, die ich früher gesehen habe. Aus „Clever und Smart“ oder „Asterix und Obelix“. Bei Asterix, da gibt es immer diese Tusche-Striche, die von dick zu dünn gehen.

Abe: Ich male viele Schriftzüge, und die Buchstaben sind über die Jahre sehr eigen geworden. Ich habe immer kleine, nie große Buchstaben. Und ich mag es gerne bunt.

Welche Bedeutung haben Ihre Künstlernamen, die Sie auch immer wieder in den Bildern verewigen?

Abe: Keine. Abe habe ich mir ausgedacht, und das ist mein Spitzname geworden. Das war vor 15 Jahren. Ich habe immer mal überlegt, den Namen zu ändern. Andererseits habe ich so viele Jahre in die Gestaltung der Buchstaben gesteckt, dass ich mich davon nicht mehr trennen will. Ich sehe da mehr die Buchstaben als eine Bedeutung.

Biatsch: Das englische „Bitch“, das war ja so ein Wort, das immer wieder in Raptexten auftauchte, und wir haben das früher alle so gezogen, dass es klang wie „Biatsch“. Die vielen verschiedenen Buchstaben haben mich angesprochen. Mittlerweile lasse ich auch mal einen weg, weil es mir doch zu viel ist. Mal das s, mal das c.

Nun stellen Sie eigene Werke im Kulturcafé Lichtung aus. Macht es Sinn, Straßenkunst wie im Museum zu präsentieren?

Abe und Biatsch sind die Künstlernamen zweier Kölner Graffiti-Künstler. Der 28-jährige Abe und der 30-jährige Biatsch sind in Rodenkirchen aufgewachsen und Jugendfreunde. Bis 12. Juni ist im Kulturcafé Lichtung, Ubierring 13, die Ausstellung „Kannenkids“ mit Arbeiten der beiden zu sehen. Ausgestellt sind etwa 60 Exponate: kleinformatige Originale auf Passepartout und Leinwand sowie Fotos von großformatigen Werken auf Wänden. (asp)

Abe: Graffiti ist Straßenkunst, aber es hat sich entwickelt. In der Lichtung sind ausgefeilte Skizzen zu sehen. Die könnten Vorlage für eine Wand sein, aber sie sind auch eine eigene Kunstform. Wenn ich vor der Wand stehe, dann male ich mit dem ganzen Körper. Die Bewegung geht vom linken Arm bis in den rechten Fuß. Wenn ich zu Hause eine Skizze male, dann ist das eine ganz andere Bewegung. Eben aus dem Handgelenk.

Biatsch: So haben wir auch angefangen. Ich habe immer schon gemalt, als kleiner Junge in der Schule. Auch gerne mal auf dem Tisch, damit die anderen das sehen. Und dann habe ich auf der Straße auf einmal die Graffiti wahrgenommen.

Abe: Genau, so hat das angefangen. Ende der 1990er, da wuchs die Szene in Köln noch einmal stark. Seitdem habe ich keine langweiligen Bahnfahrten mehr. Weil es immer was zu gucken gibt.

Biatsch: Ich denke, dass viele Leute ohne diese Wahrnehmung rumgehen. Die laufen seit zig Jahren an einem Bild vorbei und haben es nie wahrgenommen. Die Blicke werden nur auf die grellen Werbetafeln geleitet. Da gibt es eine Aufmerksamkeitskonkurrenz.

Schauen Sie sich zeitgenössische Kunst im Museum an?

Abe: Im Museum war ich schon lange nicht mehr.

Biatsch: Ich war in den letzten fünf Jahren immer auf der Art Cologne, aber ich bin nicht begeistert.

Warum?

Biatsch: Ich bin mit den meisten Sachen unterfordert. Ich bin vielleicht zu verwöhnt vom Graffiti. Wenn ich da ein Bild sehe, dann achte ich nicht nur auf den Gesamteindruck, sondern auf den Stil der Buchstaben: Aus wie vielen Elementen die aufgebaut sind. Welcher Schwung drin ist. Welche Effekte der Sprayer benutzt hat. Ob der ein cooles Gefühl für Farben hat.

Abe: In Graffiti kann man sich verlieren.

Biatsch: Besser als zeitgenössische Kunst gefallen mir eher noch alte Bilder. Aus der Zeit, als es noch keine Fotos gab, sondern Porträts gemalt wurden. Das bewundere ich dann wieder. Vieles heute ist so weit weg davon. Das ist höchstens eine coole Idee, aber da steckt keine Fertigkeit dahinter.

Abe: Graffiti ist dagegen ein Handwerk.

Wäre es nicht schön, damit kommerziell erfolgreich zu sein wie die Künstler auf der Art Cologne?

Abe: Mit Sicherheit. Aber da müssten wir uns ein paar mehr Gedanken machen, wie man das angeht. Oft ist es so: Ich fange an und weiß nicht, was ich male. Und dann reagiere ich auf das, was ich gerade gemalt habe: die Linie, die Farbe. Und dann weiß ich irgendwann auch: Jetzt reicht es.

KStA abonnieren