VeedelsspaziergangElke Koska zeigt uns ihr Köln-Rodenkirchen

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Ist das Kunst oder kann man das essen? Elke Koska in ihrem Rodenkirchener Loft vor einen Buffet aus künstlichen Gerichten.

Ist das Kunst oder kann man das essen? Elke Koska in ihrem Rodenkirchener Loft vor einen Buffet aus künstlichen Gerichten.

Rodenkirchen – „Was machen wir, einen Spaziergang durch mein Veedel?“ Es folgt eine kurze Pause, dann ein helles Lachen am anderen Ende der Leitung. „Sehr gern. Aber erwarten Sie keine Liebeserklärung an Rodenkirchen. Das Veedel ist blass und unaufgeregt. Zum Wohnen aber sehr beruhigend. Eine ideale Tankstelle, um Kraft zu tanken.“

Elke Koska, Managerin, Muse und Ex-Ehefrau des Aktionskünstlers HA Schult, wohnt seit vier Jahren in Rodenkirchen. Allerdings nicht im vornehmen Auen- oder Malerviertel, sondern mitten im Industriegebiet, zwischen einer Kfz-Werkstatt und einem Ingenieurbüro. Eine Hausnummer gilt für alle hier ansässigen Firmen, es gibt keine Klingel. Wer zu ihr will, muss anrufen.

New Yorker Dinnerpartys

„Welcome in meinem Veedel“, sagt Koska und öffnet die Tür. Der Raum ist riesig, sehr hoch und ziemlich dunkel. Es ist quietschbunt, schrill, vollgestellt, unübersichtlich. Eine Mischung aus Zauberland und Museum. Als Gast ist man zunächst völlig überfordert.

Die Bewohnerin ist amüsiert. „Mein Loft ist mein Veedel. Da gibt es zahlreiche schöne Ecken. Hier mein Lieblingsrestaurant: der selbstgebaute Esstisch mit den lustigen Micky-Maus-Stühlen steht mitten auf der Piazza.“

Dann geht sie nach links an einem sechs Meter hohen Regal voller Blechdosen vorbei und bleibt hinter einer Theke stehen: „Meine Küche ist das Epizentrum. Als ich Schult kennengelernt habe, konnte ich nicht einmal ein Spiegelei braten. Dann habe ich bei einem Drei-Sterne-Koch gelernt und später in New York Hunderte Dinner-Partys gegeben – für sogenannte wichtige Menschen, um die Kunst von Schult bekannt zu machen. Das ist vorbei. Schult ist berühmt, heute koche ich nur noch für meinen Mann und mich.“

Muse als Lebensaufgabe

Der Mann ist aber nicht mehr der über 70-jährige HA Schult, sondern ein 33-jähriger Musiker aus Ghana. Die Muse von Schult sei sie immer noch, betont Elke Koska. Denn ihre Lebensaufgabe sei es, Schult in seiner Kunst zu stützen. Sie ist für Logistik und Organisation verantwortlich. Schult ist der Visionär; sie versucht, das Machbare zu realisieren.

Elke Koska ist stolz auf ihr persönliches Veedel. Und die 300 Quadratmeter scheinen mehr zu bieten als ein ganzer Stadtteil. „Als ich hier einzog, war das eine verlassene Werkstatthalle. Ich habe alles renoviert, Wände eingezogen, eine Küche eingebaut, ein Badezimmer installiert. Ich verändere immer die Räume, in denen ich wohne. Auch in Hotelzimmern hänge ich bunte Tücher über Lampen und Sessel. Alles um mich rum muss bunt und schön sein.“

Sie zeigt auf einen großen Tisch voll mit künstlichem Essen. Gebratene Wachteln, Sachertorten, Tomaten-Mozzarella mit Basilikum, Spiegeleier, Hamburger, Leberwurstbrote, Obstsalat und überdimensionale Eistüten. „Ich habe noch nie in meinem Leben in einer Imbissbude gegessen oder beim Discounter eingekauft. Ich bin ein kreativer Mensch, und Sachen, die im Pappkarton rumstehen, finde ich nicht appetitlich.“

Koska steuert die gute Stube ihres Veedels an, eine Ansammlung von Couches umringt von Palmen, dekorierten Weihnachtsbäumen, leuchtenden Schneemännern, Enten, Mäusen und Kamelen.

Im Hundemuster-Outfit durch Rodenkirchen

Ihr Schreibtischstuhl ist mit goldenen Flügeln dekoriert und erinnert an das Flügelauto von HA Schult aus den 80er Jahren. Der Spaziergang durch das ganz persönliche Veedel scheint beendet. Koska verschwindet im oberen Stockwerk und kommt kurz darauf in neuem Outfit zurück, einem Kleid mit Hundemuster. „Ich wechsele meine Kleidung mehrmals am Tag. Ich inszeniere mich und meinen Alltag. Und jetzt zeige ich Ihnen das Veedel meiner Lieblinge.“

Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Das Veedel außerhalb des bunten Lofts - mit Elke Koska zum hässlichsten Ort Kölns.

Wir verlassen das Rodenkirchener Industriegebiet und fahren in den Forstbotanischen Garten. Die Hunde Schoko und Luna scheinen sich auszukennen, sie gehen zielstrebig in den Wald. „Der FoBo ist ein positiver Ort, da vertragen sich alle Hunde, und die Menschen kommunizieren miteinander, natürlich über ihre Tiere. Ich kenne jeden Rodenkirchener, der einen Hund hat. Zum Kaffee aber hat mich noch nie jemand eingeladen. Ich denke, ich bin zu bunt.“

Die Hunde sind alt und kommen aus Tierheimen, der eine aus Ungarn, der andere aus Spanien. Die Wahl-Rodenkirchenerin holt grundsätzlich nur alte Hunde, die keiner mehr haben will. „Ich hatte bislang 18 Hunde. Die bekommen bei mir das Gnadenbrot. So traurig es ist, wenn die nach drei Monaten sterben, aber ich weiß, das war die glücklichste Zeit ihres Lebens.“

Der hässlichste Ort der Stadt

Der Spaziergang ist noch nicht zu Ende, Elke Koska steuert mit ihrem Auto jetzt die Bonner Straße an. Am Verteiler wird die sonst fröhliche Muse energisch: „Für mich ist das der hässlichste Ort Kölns, dieses unsäglich schäbige rote Rohr. Das ist kein Kunstwerk, da sind die Proportionen falsch, und es ist keine kreative künstlerische Äußerung drin. Es zerstört die ganze Gegend. Wenn ich das gesehen habe, dann fahre ich immer runter zur Weltkugel von HA Schult, um mal was Künstlerisches zu sehen. Das Geld hierfür hätte die Stadt in soziale Projekte stecken sollen.“

Wir haben jetzt die Schönhauser Straße erreicht, hier im Bioladen „Temma“ und beim „Basic“ am Stadtgarten kauft Koska ihre Lebensmittel ein. Ansonsten habe sie keine Stammboutiquen, weder in Rodenkirchen noch in Köln.

„Alles was ich trage, nähe ich selbst. Ich kaufe die Stoffe bei Stoffmüller in der Innenstadt, die Bordüren beim Karnevalswierts. Ich gehe auch nie shoppen, das langweilt mich. 150 Mäntel habe ich genäht. Schuhe lasse ich bei einem Schuster in München fertigen, der kennt meinen Geschmack, der macht mir Schuhe mit drei Absätzen oder 20 Zentimeter hohen Plateausohlen. Die Handtaschen mache ich selbst“

Sehnsucht nach dem Fluss

Die Frau, deren wilde Haarpracht voller Blumen ist, parkt ihr Auto in der Goltsteinstraße vor „Il Gelato“. Hier ist die schrille Koska Stammkundin, drei bis viermal in der Woche gönnt sie sich jeweils zwei Kugeln. „Meine Lieblingssorten sind: Roseneis, Rotkohleis oder Birne-Petersilie. Immer im Hörnchen, weil ich eine Eisbeißerin bin. Ich schlecke nicht.“

Nach der Eisbeißpause geht es über die Rheinuferstraße nach Deutz, direkt zum Rheinufer. 15 Jahre lang hat Elke Koska in einem Pfeiler der Deutzer Brücke gelebt.

„Ich fahre häufig abends aus Sehnsucht hierher. Der Blick auf den Dom macht mich glücklich, bei jedem Wetter. In den 15 Jahren habe ich eine innige Beziehung zum Dom aufgebaut. Ich liebe auch den Rhein, Flüsse symbolisieren Freiheit.“

Urlaub im konventionellen Sinn hat Elke Koska noch nie gemacht, am Strand liegen oder wandern, das sei nicht ihr Geschmack. Die Welt hat sie an der Seite von HA Schult gesehen „Wenn ich Sehnsucht nach China habe, fahre ich zum Mauritiussteinweg. Der Chinaladen ist eine Offenbarung. Dort kaufe ich meistens 1000-jährige Eier, eine chinesische Delikatesse. Und habe ich Sehnsucht nach Afrika, fahre ich nach Ehrenfeld. Dort ist Kölns größter Afrikashop, da schaue ich mir die getrockneten Fische und die Ziegenfüße an – quasi als Ereignis.“

Samstagnacht, wenn es der bunten Dame in dem Rodenkirchener Industrieloft zu ruhig wird, fährt sie zum Ebertplatz in den Nigerianischen Club. Die Stimmung sei wahnsinnig, die Musik supertoll, ab 2 Uhr gehe da die Post ab, berichtet sie. Sonntags begleitet sie ihren Ehemann dann gern zum ghanaischen Gottesdienst nach Mülheim.

„Ein Veedel ist was Schönes, etwas, wo man sich zu Hause fühlt. Ich fühle mich in ganz Köln zu Hause, ein einziger Stadtteil ist mir zu eng, das schränkt mich nicht nur visuell, sondern auch geistig ein.“

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