Roncalli-Chef Bernhard Paul„Am liebsten würde ich alles in Köln machen“

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Bernhard paul roncalli

Roncalli-Gründer Bernhard Paul wird 70.

Köln – Bernhard Paul wurde am 20. Mai 1947 in Lilienfeld (Österreich) geboren. Nach dem Grafik-Studium in Wien gründete er 1976 den Circus Roncalli. Seit dem ist er als Zirkusdirektor sowie als „Clown Zippo“ unterwegs. Das Winterquartier ist seit 1984 in Mülheim – auf dem Ex-Gelände des Circus Williams. Paul ist seit 1990 mit Eliana Larible verheiratet. Das Paar hat drei Kinder: Vivien, Adrian, Lili.

Herr Paul, Sie feiern am heutigen Samstag Ihren 70. Geburtstag und sind mit dem Circus Roncalli schon seit 41 Jahren auf der „Reise zum Regenbogen“. Wann erreichen Sie denn mal das Ziel?

Das weiß ich doch auch nicht. Die Reise geht jedenfalls noch weiter und endet irgendwann in der Kiste. Das ist mir inzwischen klar geworden. Früher habe ich immer geglaubt, dass es mal ein Leben nach Roncalli gibt. Dass ich eines Tages nur noch am Strand sitze und male. Aber diese Idee von Ruhestand haben mir meine drei Kinder ausgeredet.

Sie haben mir beigebracht, dass ich weiterzumachen habe. Und mal im Ernst:  als Rentner zu Hause auf der Couch vor dem Fernseher  sitzen? Das kann und will ich mir nicht vorstellen. Ich arbeite ja nicht in einem Kohle-Bergwerk. Als Künstler hat man eben  das Recht, so lange zu arbeiten, bis es nicht mehr geht.

Queen Elisabeth gibt ihren Thronfolgern ja gar keine Chance. Wie sieht das im Hause Paul aus?

Ich möchte schon gerne abgeben, um dann mehr Zeit zu haben – zum Reisen, zum Malen und zum Musik  machen. Wenn die Kinder  mehr Aufgaben übernehmen. Meine älteste Tochter Vivian ist jetzt 27, die will mich schon  entlasten.

Sie ist derzeit sehr erfolgreich mit ihrer Luftring-Akrobatik, aber es drängt sie doch sehr in Richtung Management und Organisation des Zirkus. Und da will ich sie einerseits  weitgehend machen lassen, aber schon auch meine Erfahrung einbringen. Bei Entscheidungen weiß ich oft, was geht und was nicht. Die Kinder müssen nicht mehr dieselben Fehler wie ich machen. Derzeit ist Roncalli doch gut aufgestellt.

Als einer der wenigen in der Branche...

Einige große Zirkus-Unternehmen wie Althoff, Sarrasani, Barum, Busch und Barelli haben in den letzten Jahren mangels Publikum aufgegeben, bei uns stehen die Leute immer noch Schlange. In den USA hat jetzt sogar der renommierte Traditionszirkus „Ringling Bros. and Barnum & Bailey“ zugemacht – nach knapp 150 Jahren. Hierzulande ist Krone noch der letzte Dinosaurier, der überlebt hat. Und in der Schweiz der Zirkus Knie. Der ist für mich die Nummer Eins.

Muss Roncalli sich stets neu erfinden, um zu bestehen?

Ganz neu wäre fatal. Die Leute wollen schon das Roncalli-Typische sehen –  mit Weltklasse-Artisten und herausragenden Clowns. Doch man muss sich natürlich immer ein Stück weit neu erfinden und etwas Spannendes riskieren und ausprobieren. Geht  das dann allerdings in die falsche Richtung, bleiben die Zuschauer weg.

Das Neue muss auch harmonieren. Die Leute kommen ja auch wegen der Atmosphäre, darin liegt unser große Stärke. Daher gilt es,  das Bühnenbild, das Zelt und die Wagen immer noch schöner zu gestalten. Die Leute kommen nicht wegen der Ponys.

Und deshalb lassen Sie die Tierdressuren ab dem nächsten Jahr komplett weg?

Mit dieser Entscheidung knicke ich keineswegs vor irgendwelchen militanten Tierschützern ein, sondern reagiere auf den geänderten Publikumsgeschmack. Früher schnupperten die Zuschauer und meinten „Oh, Pferde“, heute heißt es: „Hier stinkt’s“. Zudem läuft der Vertrag mit Karl Trunk, der mit seiner Pferdedressur schon seit einigen Jahren bei uns ist, zum Ende der Saison aus.

Aber mit Pferden hatte doch das Zirkusgeschäft  Ende des 18. Jahrhunderts überhaupt erst angefangen. Die gehörten doch  zu einer Zirkusvorstellung immer irgendwie dazu.

Früher gehörten Pferde auch zum Straßenverkehr. Auch da sind sie verschwunden. In Wien will man jetzt sogar die letzten Fiaker abschaffen. In der Stadt kann man diese Tiere einfach nicht mehr artgerecht halten. Ich möchte mit meinem Zirkus künftig nicht irgendwo am Stadtrand gastieren,  sondern auf den großen Plätzen mitten in der City. Da gibt es zumeist nicht einmal eine Wiese. Es geht mir auch um die Tiere. Ich kann denen in Innenstädten kein Paradies bieten.

Es gibt halt verschiedene Arten, Zirkus zu machen. Ich habe mich für Theater-Zirkus entschieden. Und da machen wir alle zwei Jahre ein neues Programm und fahren weitgehend die gleichen Städte an. Einige Städte, die immer mehr Auflagen gemacht haben und sich zuletzt blöd angestellt haben, habe ich ganz  aus der Tournee-Liste gestrichen. Da fahren wir nicht mehr hin.

Da Köln weiterhin ganz oben auf der Liste steht, scheinen Sie ja Ihren Frieden mit der Stadt gemacht zu haben. Früher haben Sie  oft geschimpft, dass Köln keine Visionen habe.

An der Kritik ist  immer noch etwas dran, aber das Verhältnis zur Stadt hat sich verändert – mit den Politikern. Da weht ein anderer Wind. Die Oberbürgermeisterin Henriette Reker finde ich ganz toll. Sie ist schnell im Denken.  Auch mit der Verwaltung läuft inzwischen alles gut und problemlos. Wir dürfen unser Zelt weiterhin mitten in der City auf dem Neumarkt aufschlagen, und der Neurather Weg in Mülheim, an dem unser Winterquartier liegt, wird noch im Juni ganz offiziell in Circus-Roncalli-Weg umbenannt.

Die Schilder hängen ja schon. Neben den Roncalli-Aktivitäten in anderen Städten, so dem Weihnachtsmarkt und dem Café in Hamburg, dem Apollo-Varieté in Düsseldorf und dem Weihnachtszirkus in Berlin, will ich mich auch wieder mehr in Köln und in die hiesige Kulturarbeit einbringen. Schließlich bin ich hier länger als in meiner Heimatstadt Wien. Man schlägt Wurzeln. Ich liebe die Kölner und die Stadt. Ich bin nicht zufällig hier. Ich war auf Anhieb hier zu Hause. Am liebsten würde ich alles, was ich mache, in Köln machen.

Kommt deswegen auch Ihr Zirkus-Museum nach Köln? In der Vergangenheit hatten Sie doch mehrfach gedroht, es anderswo anzusiedeln.

Das stimmt, und es gab auch ganz konkrete Anfragen von fünf Städten. Aber jetzt habe ich mich für Köln entschieden, und jetzt wird es ruck-zuck gehen. Das Museum wird auf dem Gelände des Winterquartiers gebaut, die zugehörigen Pläne sind schon lange fertig.

Da werden mein Zirkus und meine Clown-Sammlung gezeigt, aber auch Musikinstrumente und Anzüge der Beatles, das von Coco Chanel entworfene Kleid, das  Marlene Dietrich  in  ihrem letzten Film „Gigolo“ trug,  und dazu eine Gitarre von David Bowie, der auch in dem Film mitspielte. Fürs Museum versuche ich gerade noch ein benachbartes Grundstück hinzuzukaufen.

Sie verschönern also die Ecke zwischen Mülheim und Höhenhaus. Was würden sie sonst gerne in der Stadt verändern?

Was in Köln fehlt, ist eine Markthalle im alten Stil – wie in Barcelona oder am Naschmarkt in Wien. Dort treffen sich die Stadtgesellschaft und Menschen aus der ganzen  Welt. Was mir gar nicht gefällt, ist der  Zustand vieler Plätze. Ich habe schon vor Jahren vorgeschlagen, man solle den Flächen Funktionen zuordnen: eine für  Markt, eine für Kultur, eine für Feste. Passiert ist nichts. Und die meisten Plätze sind auch noch ungepflegt und dreckig. Um etwas zu verbessern, auch was das Image nach außen angeht, braucht man nicht unbedingt viel Geld, aber ein Konzept.

Man muss denken wie ein Bühnenbildner oder ein Filmarchitekt. Hier ein schöner Kiosk, da ein Pavillon, und dort ein paar Bilder oder Zitate von stadtbekannten Originalen an den Wänden, die die hässlichen Flecken überdecken. Wenn man die Stadt nach vorne bringen will, gehören die Leute, die was bewegen wollen, an einen Tisch. Ich wäre gerne Berater in einem Gremium zur Stadtgestaltung und Verschönerung – mit Politikern, Künstlern, Journalisten. Ich hätte 300 Ideen – aus dem Stand. Wenn nur einige davon umgesetzt würden, wäre Köln nicht nur bundesweit wieder in aller Munde.

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