Straßenkunst in KölnDer Dauer-Dom-Maler

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Ein Bild aus der Heimat: Augusto Kutxi-Bongo floh vor 21 Jahren aus Angola.

Ein Bild aus der Heimat: Augusto Kutxi-Bongo floh vor 21 Jahren aus Angola.

Köln – Dreißig Minuten. Für ein kleines Dom-Bild braucht er dreißig Minuten. Quadratisch, praktisch, als individuelles Mitbringsel aus Köln leicht zu verstauen, der Hintergrund mal blau, mal orange, mal rot. „Chinesen lieben rot“, sagt Augusto Kutxi-Bungo (37), wärmt seine Hände an einem kleinen Handwärmer, in dem ein Teelicht flackert. Der zugige Durchgang zwischen Dombauhütte und Römisch-Germanischen Museum ist seit mehr als zweieinhalb Jahren sein Atelier, sein Verkaufsraum– und eine Stätte der Begegnung. „Hier geht die ganze Welt vorbei. Das ist wundervoll. Ich liebe Köln, den Dom, die Stadt ist offen, die Leute sind freundlich. Ich male den Dom sehr gern.“ Immer und immer wieder. Die Vorstellung, dass Tausende seiner kleinen Kunstwerke auf der ganzen Welt verstreut sind, mache ihn glücklich. Jedes einzelne ein Unikat.

Kutxi-Bungo stammt aus Angola. Vor 21 Jahren kam er nach Deutschland – als Flüchtling. Es ist der 2. März 1995, der sein Leben verändert. An jenem Tag schlägt eine Granate in sein Elternhaus ein. Der Vater, ein Politiker, ist auf der Stelle tot. Augusto, damals 16 Jahre, schwer verletzt. Bis heute ist er davon überzeugt, dass es ein Attentat war, weil er zuvor nach einer Ausstellung politischer Bilder und Banderolen in Luanda eindeutige Drohungen erhalten hatte. Damals habe er sich für die Unita, die „Nationalunion für die totale Unabhängigkeit Angolas“ eingesetzt.

Über Russland gelingt ihm die Flucht nach Deutschland. Einer seiner älteren Brüder kannte noch die DDR, war acht Jahre als Student in Dresden. „Die Flucht war früher viel einfacher als heute. Ich habe ein Visum bekommen und konnte so nach Deutschland einreisen.“ Mit ein paar zusammengerollten Bildern im Gepäck.

Schon mit vier Jahren schickt ihn sein Vater in der Heimat in der Provinz Soyo in ein Kunstatelier. Während der Schulzeit besucht Kutxi-Bungo vier Jahre lang eine Kunstakademie in Kinshasa, arbeitet als Schriftzeichner und Siebdrucker, erstellt Wandmalereien. Von all dem ahnen die Menschen nichts, die vorbeigehen, kurz anhalten, um einen kleinen Dom zu kaufen. Für zehn Euro.

Jeder, der regelmäßig über die Museumsmeile geht, kennt ihn. „Seit sechs Jahren bin ich Köln. Anfangs habe ich viele verschiedene Jobs gemacht, jetzt lebe ich von der Straßenmalerei.“ Mit 900 Euro kommt er so gerade über die Runden, die kleine Kellerwohnung in einem Mehrfamilienhaus am Volksgarten ist der teuerste Posten. „Man muss schon kämpfen“, sagt Kutxi-Bungo. „Straßenkunst ist nicht einfach.“

Vor allem im Winter, wenn es dauerregnet und die Menschen achtlos an ihm vorbei hetzen. Wer stehen bleibt, ist vom Charme und der offenen Art des Angolaners schnell gefangen. Ein kleiner Dom für zehn Euro. Es gibt den Dom in Herzform, auf Wunsch in allen anderen Formaten. Gemalt im afrikanischen Stil. Farbenfroh, ausgelassen, so bunt wie das Leben, das täglich tausendfach an ihm vorbeiläuft. „Ich habe noch nie Ärger gehabt. Mir ist auch noch nie etwas gestohlen worden.“

Er habe sich Deutschland nicht ausgesucht, damals, vor 21 Jahren, als er die Heimat Hals über Kopf verlassen musste. Seine Mutter und die sieben Geschwister hat Kutxi-Bungo seither nicht mehr gesehen. Wie überhaupt ihm Angola sehr fremd geworden ist. Seine drei Kinder sind in Deutschland geboren, der Jüngste, Alexandri, ist gerade 19 Monate alt. „Wenn es klappt, werde ich nächstes Jahr meine Familie mal besuchen. Ich werde wohl wie ein Tourist in mein eigenes Land reisen.“

Und hoffen, dass alles gut geht. In einer Ecke seiner Kellerwohnung stehen seine politischen Bilder, Bilder der Befreiung, die er Ende der 1990er Jahre gemalt hat. Damals waren sie Teil kleiner Ausstellungen in Gemeindehäusern im Ruhrgebiet, in Dritte-Welt-Läden. Die Malerei als Waffe gegen den Krieg. „Heute zeige ich sie nicht mehr, möchte sie nicht mehr veröffentlichen.“ Aus Angst vor Repressalien eines korrupten Regimes, das seit den 1970er Jahren an der Macht ist. „27 Jahre Bürgerkrieg, in dem Zehntausende unschuldiger Menschen gestorben sind. Ich mische mich nicht mehr in politische Dinge ein. Das habe ich früher getan. Ich muss mich um meine Familie kümmern“, sagt Kutxi-Bungo. Der Arm des angolanischen Geheimdienstes reiche bis nach Europa. „Ich bin mir sicher, dass die Angolaner im Ausland genau beobachtet werden.“

Dreißig Minuten braucht Kutxi-Bungo für einen kleinen Dom. Nein, er denke nicht darüber nach, dass sein Leben hätte anders verlaufen können. „Ich bin als Flüchtling gekommen. Jetzt habe ich eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis und versuche, die deutsche Staatsangehörigkeit zu bekommen.“ Und will weiter malen. „Bis zur Rente. das sagt man doch so in Deutschland.“

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