Vor GerichtHIV-Patient hatte ungeschützen Sex und verschwieg Krankheit

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Köln – Ein 42-jähriger, mit HIV-infizierter Mann, der ungeschützten Sex mit mehreren Frauen hatte, ist vor dem Amtsgericht vom Vorwurf der versuchten gefährlichen Körperverletzung freigesprochen worden.

Ein Gutachter der Kölner Uniklinik, in der der Angeklagte seit Jahren in Behandlung ist, hatte im Zeugenstand bekräftigt, dass von dem Angeklagten aufgrund einer sorgsam überwachten Medikation keinerlei Ansteckungsgefahr ausgehe: „Er war weder zum Tatzeitpunkt noch heute infektiös – er konnte die Frauen gar nicht anstecken.“

Kondom „nicht zwingend notwendig“

Der Leiter der Abteilung Infektiologie der Klinik, Heinrich Rasokat, behauptete gar vor Gericht, dass die Benutzung eines Kondoms für die Vermeidung einer HIV-Infektion „nicht zwingend notwendig sei“: Eine kontrollierte und gut eingestellte Medikamenten-Therapie sei „der bessere Schutz vor einer Übertragung als ein Kondom“. Was nicht heißen dürfe, dass ein Kondom nicht sinnvoll sei zur Vermeidung anderer sexuell übertragbarer Geschlechtskrankheiten.

Finn S. (Name geändert) hatte sich 2008 am Drogenbesteck eines Junkies angesteckt. Seit 2012 ist er an der Uniklinik in Behandlung, wird dort viermal pro Jahr untersucht, nimmt regelmäßig seine Medikamente. „Sie sind offenbar ein Musterpatient“, lobte der Vorsitzende Richter den Angeklagten.

Ungeschützter Sex mit mehreren Kolleginnen

Der Vater von zwei kleinen Kindern machte eine Ausbildung an einem Kölner Berufskolleg. In dieser Zeit hatte er mit mehreren Kolleginnen ungeschützten Verkehr, sich hinterher den Frauen anvertraut. Die entgeisterten Partnerinnen hatten ihn daraufhin wegen gefährlicher Körperverletzung angezeigt. Sie hatten ihm nicht geglaubt, dass er nicht ansteckend sei. Erst nach einer entsprechenden Untersuchung mit negativem Befund konnten sie dessen sicher sein.

„Seine Behandlung ist erfolgreich. Bei ihm wurde zu keinem Zeitpunkt das HI-Virus im Blut nachgewiesen, obwohl er infiziert ist“, sagte Rasokat. Dies sei für den Laien ein „scheinbarer Widerspruch“, den der Sachverständige dann aufklärte: „Wenn man einmal mit dem Erreger in Kontakt gerät, sind die Antikörper, die auf Aids hinweisen, lebenslang nachweisbar.“

Eine wirksame Medikation sorge dafür, dass sich das Virus nicht weiterentwickeln und somit nicht ins Blut geraten könne. Ausdrücklich verwies Rasokat auf die rasante Entwicklung bei Aids-Therapien im Vergleich zu den 80er Jahren, wo die Forschung noch weit entfernt war von einer vernünftigen Medikation und jeder ungeschützte Geschlechtsverkehr das hohe Risiko einer Ansteckung darstellte.

HIV-Therapie mit Tabletten

Während in den Anfängen Aids-Patienten täglich zu einem exakt vorgegebenen Zeitrahmen zwölf Tabletten einnehmen mussten, ist heute die Einnahme von ein bis zwei Pillen erforderlich, die notfalls auch am nächsten Tag erfolgen kann. Setzt ein Patient die Therapie ab, „nimmt das Virus irgendwann an Lauf auf und kann ausbrechen“, schloss der Arzt seine Ausführungen.

Für die Staatsanwältin war angesichts dieser klaren Aussage der Tatvorwurf nicht mehr nachweisbar, ihre Forderung nach einem Freispruch die logische Konsequenz aus dem Gutachten. „Wir haben heute viel über medizinischen Fortschritt gelernt“, sagte der Richter im Urteil, mit dem er der Anklägerin folgte.

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