Waschbären vor dem AussterbenIn Köln geliebt, in Kanada eine echte Plage

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Eine Waschbärdame im Kölner Zoo.

Köln – Während die Kölner über das bevorstehende Aussterben der Waschbären in ihrem Zoo trauern, in den Tierpark strömen und Abschied nehmen, bin ich als Kanadier erleichtert über ihr geplantes Verschwinden.

In meiner Heimatstadt Toronto sorgen diese nachtaktiven Viecher für Wut, Angst und gelegentlich auch Street-Art: Die Nagetiere mit der Zorro-Maske bevölkern nachts die Gassen, schmeißen Mülltonnen um und verteilen den Abfall auf den Straßen und Wegen. Sie graben sich durch Grünflächen, erklimmen Strommasten und hinterlassen ihren Kot auf den Häuserdächern. Grillfeiern und Picknicks sind ihre Hauptziele — zwei Vergnügen, für die wir in Kanada nur ein paar Monate das passende Wetter haben.

Wehe dem, der eine Katzenklappe hat

Eine Katzenklappe zu haben ist gefährlich, denn die Waschbären huschen dadurch ins Haus und sind so geschickt, dass sie Türklinken bedienen, auf Schränke klettern und die Speisekammern plündern. Manche Tiere haben Tollwut und ihre Bisse und Kratzer können Mensch und Haustieren gefährlich werden.

Totontos Bürgermeister John Tory rief im Frühjahr 2015 den Krieg gegen die Waschbären aus. „Eine Niederlage ist keine Option“, sagte er Reportern. Für 21 Millionen Euro wurden von der Stadt neue Mülltonnen mit Schlössern angeschafft.

Attacken auf Waschbären

Auf der Internetseite der Stadt gibt es Tipps, wie Waschbären aus dem eigenen Garten ferngehalten werden können, jedes selbst angebaute Gemüse sollen die Bewohner der Stadt vor dem Verzehr gründlich abspülen.

Einige greifen zu aggressiven Methoden: 2013 wurde ein Mann wegen Tierquälerei schuldig gesprochen, weil er eine Waschbärfamilie mit einer Schaufel attackiert hatte. Die Öffentlichkeit reagierte darauf — wie auch in ähnlichen Fällen — mit einem Mix aus Empörung über die Tat und Verständnis für den Täter.

Es ist unklar, wie viele Waschbären in den Straßen von Toronto leben, aber jährlich werden von städtischen Mitarbeiten rund 4500 Waschbärkadaver eingesammelt. Viele von ihnen werden nachts von Autos angefahren — manchmal aus Versehen, manchmal aber auch mit Absicht. Das hat zu einer darwinistischen Genselektion geführt: Es überleben nur noch die, die Schlösser und Türen austricksen können.

Trauer um Waschbär „Conrad“

Die britische Hauptstadt London hat ein ähnliches Problem mit Füchsen, amerikanische Großstädte mit Kojoten.

Und längst nicht jeder in Kanada hasst die Waschbären. Vergangenen Sommer starb ein Tier auf einem Bürgersteig in Toronto — und weil die städtischen Mitarbeiter nicht schnell genug zum Abtransport anrückten, errichteten Passanten einen Schrein für den toten „Conrad“. Mit einem gerahmten Foto, Kerzen und Blumen, „Ruhe in Frieden, du Hübscher“, schrieb eine Bürgerin in einem niedergelegten Brief.

Als ich von den Kölner Waschbären Inga und Gina und dem baldigen Aussterben im Zoo las, habe ich mir ähnliche Szenen hier in der Stadt vorgestellt. Wenn Ihr Kölner die Waschbären vermisst — ich schicke Euch gern ein paar Tiere aus Kanada.

Unser Autor Dylan Robertson ist Gast-Journalist aus Ottawa in Kanada. Er arbeitet im Rahmen des „Arthur F. Burns Fellowship“, einem Austauschprogramm, für zwei Monate beim Kölner Stadt-Anzeiger.

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