Welttag gegen Gewalt an FrauenMit den Fäusten gegen die Tür

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Gewalt gegen Frauen schleicht sich in Beziehungen häufig erst allmählich ein.

Gewalt gegen Frauen schleicht sich in Beziehungen häufig erst allmählich ein.

Köln – Manchmal dreht sich Miriam L. (Name geändert) auf der Straße abrupt um und schaut, ob ihr Ex-Freund sie verfolgt. Zu oft hat sie seine Gewaltausbrüche miterlebt und das Hämmern seiner Fäuste an ihrer Haustür gehört. Sie glaubt nicht daran, dass er komplett aus ihrem Leben verschwindet. „Ich weiß, er sucht immer noch nach mir. Und wenn er mich findet, könnte er mir etwas antun“, sagt die zierliche 35-Jährige.

Vor drei Monaten hat sie innerhalb weniger Minuten ein paar Kleidungsstücke in eine Tasche gepackt, um mit ihren beiden kleinen Töchtern vor dem gewalttätigen Freund in ein Frauenhaus zu fliehen. Vier Jahre hat es gedauert, bis Miriam L. diesen Schritt gewagt hat.

Hohe Dunkelziffer an häuslicher Gewalt

Laut Kriminalstatistik waren im Jahr 2011 knapp 4000 Frauen in Köln von häuslicher Gewalt betroffen. Claudia Schrimpf, die sich seit 17 Jahren im Verein „Frauen helfen Frauen“ engagiert, geht von einer höheren Dunkelziffer aus: „Häusliche Gewalt ist immer noch ein Tabuthema. Viele Frauen wollen nicht zugeben, dass ihr Mann gewalttätig ist. Sie suchen die Schuld bei sich, wenn ihre Beziehung zerbricht. Immer wieder geben sie dem Mann eine Chance oder bleiben wegen der Kinder.“

Bei Miriam L. war es lange genauso: „Ich habe ihn geliebt, aber irgendwann wurde es zu viel. Ich hatte Angst um mein Leben.“ Sieben Jahre lang war sie mit diesem Mann liiert; die Veränderung in seinem Verhalten kam schleichend. Beim geringsten Anlass verlor er schließlich die Nerven, bedrohte und beleidigte sie, verbot ihr den Umgang mit Freunden.

Als er handgreiflich wurde, wollte sich Miriam von ihm trennen. Es folgten nächtliche Drohanrufe, immer wieder stand er vor dem Haus. „Ich wusste da noch nicht, dass es Frauenhäuser gibt. Meine Töchter haben vor Angst geweint, wenn er stundenlang gegen die Tür geschlagen hat. Ich habe dann die Rollladen runtergelassen und wir haben uns in der Wohnung versteckt“, berichtet sie mit stockender Stimme.

„Diese Frauen sind psychologischem Terror ausgesetzt. Oft trauen sie sich nicht einmal, Anzeige zu erstatten, weil sie fürchten, der Mann könnte dadurch noch wütender werden“, sagt Schrimpf.

Flucht ist keine Option

Das kleine Zimmer im Frauenhaus, das Miriam L. jetzt mit ihren Töchtern teilt, ist ihr Schutzraum – ein Ort, der streng geheimbleiben muss. Nicht einmal ihre Familie kennt die Adresse. „Ich fühle mich hier sicher. Außerdem sehe ich, dass es auch anderen Frauen so geht. Das ist also nicht das Ende“, sagt sie. Miriam versucht, im Alltag wieder Fuß zu fassen und ihre Ängste abzuschütteln. Sie ist zur Polizei gegangen, hat eine andere Wohnung gefunden und will bald wieder arbeiten.

Die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses haben ihr geraten, in eine fremde Stadt zu ziehen. Miriam L. hat abgelehnt. Trotz der Möglichkeit, ihrem Ex-Freund auf der Straße zu begegnen, will sie bleiben. Entschlossen sagt sie: „Ich werde mich nicht rausekeln lassen. Jahrelang habe ich gelitten, jetzt verstecke ich mich nicht mehr.“

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