WohnungenDrei Mitarbeiter von GAG und Stadt Köln sollen Schmiergeld erhalten haben

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In dieser Neubausiedlung ist Ostheim soll ein GAG-Mitarbeiter illegal gegen Geld Wohnungen an Flüchtlinge vermittelt haben.

In dieser Neubausiedlung ist Ostheim soll ein GAG-Mitarbeiter illegal gegen Geld Wohnungen an Flüchtlinge vermittelt haben.

Köln – Um kurz vor 9 Uhr am Mittwoch sammeln sich etwa zehn Ermittler im Eingangsbereich des Kalk Karrees am Ottmar-Pohl-Platz. Mit einem Durchsuchungsbeschluss in der Tasche besteigen sie einen Aufzug und fahren in die zweite Etage, Amt für Wohnungswesen. Zeitgleich werden Polizisten in vier Niederlassungen des städtischen Immobilienunternehmens GAG vorstellig, außerdem bei drei Privatwohnungen in Köln.

Kurz darauf äußert eine Stadtsprecherin in einer ersten Stellungnahme Entsetzen darüber, dass es in den eigenen Reihen zu Fällen von Bestechung gekommen sein soll. Bestürzung auch in der GAG-Zentrale in Müngersdorf, der Vorstand beraumt eine Krisensitzung an. Nur die Bewohner des Waldbadviertels in Ostheim ahnen in diesem Moment noch nicht, dass ihre Siedlung im Zentrum der Ermittlungen steht. In der Straße Bertha-Benz-Karree sind in den vergangenen Jahren bereits mehrere Neubauten entstanden, andere befinden sich noch im Bau. Auch am Mittwochvormittag werden dort Dächer gedeckt und Dämmmaterial verbaut.

Offizielle Wartelisten sollen umgangen worden sein

Einige fertige Wohnungen stehen noch leer, viele sind schon vergeben. In manchen Häusern sollen sich die Wohnungen befinden, die ein 32 Jahre alter GAG-Mitarbeiter mit einer Kollegin (53) und einer städtischen Mitarbeiterin (51) des Amts für Wohnungswesen gegen Schmiergeld an Flüchtlinge vermittelt haben soll. 3000 Euro, so die bisherigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, sollen pro Wohnung geflossen sein.

Dafür sollen die drei Verdächtigen die offiziellen Wartelisten für Wohnungen umgangen und die offiziellen Vergaberichtlinien ignoriert haben. Die illegalen Einnahmen sollen sie gleichmäßig untereinander aufgeteilt haben. „Die Zuweisung der Wohnungen soll nach derzeitigem Stand der Ermittlungen gegen Zahlung eines Bestechungsgeldes an den Wohnungsvermittler sowie die zuständigen Sachbearbeiterinnen bei der Stadt Köln sowie der Wohnungsbaugesellschaft erfolgt sein“, bestätigt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Anwohner kennen GAG-Mitarbeiter

Der 32-jährige GAG-Mitarbeiter ist bekannt im Bertha-Benz-Karree, verschiedene Anwohner berichten dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Mittwoch, ihn hier schon häufig gesehen zu haben, etwa bei Wohnungsbesichtigungen. Auch seine ebenfalls in den Fokus der Ermittler geratene Kollegin ist hier bestens bekannt, nach Aussage mehrerer Anwohner soll sie mit ihnen die Mietverträge abgeschlossen haben.

Einmal habe sie auf ihrer Terrasse geraucht und ein Gespräch während einer Wohnungsbesichtigung mitbekommen, erzählt eine Anwohnerin. Der 32-Jährige sei nicht dabei gewesen, dafür andere Personen, die ihr verdächtig vorgekommen seien. Zwei Menschen mit ausländischem Akzent hätten spätabends Wohnungsinteressenten in die Räume geführt und ihnen später gesagt: „Willst du die Wohnung haben? Dann regle ich das.“ Die Anwohnerin wunderte sich, sagt sie, denn so einfach bekomme man hier eigentlich keine Wohnung. Erst müsse man auf eine Warteliste kommen, „einfach regeln kann das eigentlich keiner“, sagt sie. Auch kamen ihr die Uhrzeiten, an denen die Wohnungen gezeigt wurden, seltsam vor: oft am Wochenende, sogar nach 22 Uhr, zudem sonntags. Sie, die schon lange in GAG-Wohnungen lebe, habe das gewundert. „Das ist schon sehr unüblich“, sagt sie.

Keine Hinweise auf weitere Verdächtige

Laut Staatsanwaltschaft gebe es bislang keine Hinweise darauf, dass noch mehr als die drei ermittelten Verdächtigen an der mutmaßlichen Schwarzmaklerei beteiligt gewesen sind – auszuschließen sei das aber nicht. Aus anderen deutschen Städten etwa ist bekannt, dass Mittelsmänner den Kontakt zwischen Flüchtlingen und Vermietern hergestellt haben.

Im Internet gibt sich der 32-jährige Verdächtige unter seiner Privatadresse als Immobilienmakler aus. Untersuchungen der Polizei deuten darauf hin, dass er die Flüchtlinge womöglich selbst angesprochen hat. Die Ermittlungen seien aber noch nicht abgeschlossen, betont die Staatsanwaltschaft.

Ein anonymer Hinweis bei der Korruptionshotline des Landeskriminalamts (LKA) hatte die Ermittlungen überhaupt erst ins Rollen gebracht. Das war im Herbst vorigen Jahres. Nach Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ soll ein Mitarbeiter der GAG aber bereits Monate vorher, im Frühjahr, erstmals einen Hinweis auf die möglichen kriminellen Geschäfte mit Wohnungen für Flüchtlinge erhalten haben. Im April 2016 soll er an einer Sitzung mit dem so genannten Auszugsmanagement teilgenommen haben – ein Zusammenschluss von Caritas, Deutschem Roten Kreuz und dem Kölner Flüchtlingsrat unter Leitung des Amtes für Wohnungswesen mit dem Ziel, Flüchtlinge aus beengten Massenunterkünften möglichst schnell in private Wohnungen zu vermitteln.

Stadt will disziplinarrechtliche Schritte prüfen

In der Sitzung soll ein Teilnehmer von Flüchtlingen berichtet haben, die behaupten, sie hätten Geld gezahlt, um an Wohnungen zu gelangen. Nachweise für diesen Vorwurf hätten die Betreffenden zwar nicht erbracht, der GAG-Teilnehmer soll der Runde aber sinngemäß versichert haben, er kümmere sich darum. Ein GAG-Sprecher erklärte am Mittwoch, üblicherweise würden Hinweise auf Missstände bei der Vergabe von Wohnungen an die interne Revision weitergeleitet, die diese prüfe. Ein Zusammenhang zwischen Inhalten der Sitzung im April und den heutigen Durchsuchungen sei ihm allerdings „nicht bekannt“, betonte der Sprecher.

Eine Stadtsprecherin teilte indes mit, die Mitarbeiterin des Wohnungsamtes sei „zunächst mit sofortiger Wirkung von ihrer Arbeitsleistung freigestellt“. Weitere disziplinarrechtliche Schritte würden nach Abschluss der Ermittlungen geprüft. Es gelte die Unschuldsvermutung. Auch die GAG hat ihre beiden Mitarbeiter bis auf weiteres freigestellt.

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