KriminalitätDie Masche mit dem Millionenerbe

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Die Betrüger locken mit dem Versprechen auf ein Millionenerbe. (Symbolbild: dapd)

Die Betrüger locken mit dem Versprechen auf ein Millionenerbe. (Symbolbild: dapd)

Köln – Liebe: Matthias Herting. Mein Name ist Jamie Guion, ich bin Anwält bei Isemba Associates & Advocates. Tatsächlich bin ich auf Sie gestoßen, als ich nach jemandem mit dem Familiennamen meines verstorbenen Klienten suchte, einem Geschäftsmann namens Dulactor Herting. Mein Klient lebte 13 Jahre in Spanien und verunglückte gemeinsam mit seiner Familie bei der Tsunami-Katastrophe im Dezember 2004.

So beginnt das Schreiben, das der Kölner Matthias Herting (Name geändert) kürzlich aus seinem Briefkasten zog. Ein seriös erscheinender Briefkopf mit einem golden umrandeten Firmenlogo, daneben die Kontaktdaten einer angeblichen Kanzlei in Madrid. Das dann folgende Angebot von „Anwält Guion“ klingt schlicht überragend, wenn auch irgendwie nicht ganz legal: Dulactor Herting habe kurz vor seinem Tod 9,2 Millionen Euro in einem Safe bei einer Sicherheitsfirma in Spanien hinterlassen. Die Kanzlei sei nun beauftragt, Erben ausfindig zu machen. Doch es gebe keine Angehörigen, beteuert „Anwält Guion“ in dem Brief. Schade ums Geld, denn das würde nun bald konfisziert und fiele der Spanischen Schatzkammer zu – was immer das sein soll. Wie gut, dass der Anwalt ein Hintertürchen kennt.

In diesem Sinne mache ich Ihnen den Vorschlag, sich als Angehöriger des Verstorbenen auszugeben. In meiner Funktion werde ich Ihren Namen als dessen nächsten Hinterbliebenen angeben. Sobald die Aushändigung an Sie ermöglicht wurde, können wir den Betrag teilen, 50 Prozent für mich und 50 Prozent als Ihr Gewinn. Seien Sie versichert, dass dieses Geschäft 100 Prozent risikofrei ist.

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Mehrere Tausend Euro verloren

Josef Schmitz von der Kölner Polizei kennt tatsächlich Menschen, die sich auf solche und ähnliche Betrugsmaschen eingelassen und mehrere Tausend Euro verloren haben. Denn früher oder später kommen die Täter auf den kleinen Haken zu sprechen, den das vermeintlich bombensichere Millionengeschäft hat: Das Opfer muss in Vorleistung treten und Gebühren überweisen, sonst könne die Summe nicht ausgezahlt werden.

Nur, wer macht so etwas? Wer fällt darauf herein? Josef Schmitz, Leiter des Betrugskommissariats, seufzt. „Die Gier schaltet das Hirn aus“, sagt er. Die Betrogenen stammten aus jeder Gesellschaftsschicht. „Erst zuletzt hat es in Köln einen erfolgreichen und weltläufigen Geschäftsmann getroffen“, ergänzt Kriminaloberrat Arnd Rüenaufer.

Dabei kann die Polizei den Opfern nur selten helfen. Die Täter agieren fast ausnahmslos aus dem Ausland. Außerdem ist ein Brief wie der von „Anwält Guion“ nicht verboten. Sein Angebot gilt juristisch nicht als Betrug, nicht mal als versuchter Betrug, sondern als reine Vorbereitungshandlung. Und die ist straffrei.

Der angebliche Advokat aus Spanien nennt in seinem Anschreiben eine Rufnummer der Kanzlei. Sie beginnt mit der Vorwahl von Mallorca – obwohl sich das Büro laut Briefkopf in Madrid befindet. Egal. Nach dem fünften Klingeln meldet sich ein Mann, er spricht gebrochen Deutsch.

„Hello?“ – „Guten Tag, ich rufe aus Deutschland an, wegen Ihres Angebots mit den 9 Millionen.“ – „Ja.“ – „Steht das noch?“ – „Natürlich, ich bin glücklich, dass du anrufst.“ – „Kein Problem, wie geht es denn jetzt weiter?“ – „Ich kann gerade nicht sprechen, ich habe drei Kunden in meinem Büro. Schick mir eine E-Mail, dann sehen wir weiter.“ – „Was soll ich denn schreiben?“ – „Name und Vorname. Das reicht. Ich antworte.“ – „Kostet mich unser Geschäft irgendetwas?“ – „Nein, warum? Was sollten das für Kosten sein? Ich weiß keinen Grund.“

In wenigen Fällen hat die Polizei im Ausland Täter ausfindig gemacht und vor Gericht gestellt. Kriminaloberrat Rüenaufer weiß: „Die Täter sind häufig gebildet, viele leben in England.“ Als Erfinder des sogenannten Vorschussbetrugs, bei dem die Opfer in der Erwartung hoher Gewinne eine bestimmte Summe vorschießen, gilt die „Nigeria-Connection“ (siehe Infobox).

Gegenbewegung gegründet

Inzwischen hat sich eine weltweite Gegenbewegung formiert, die sich „Scambaiter“ nennt, Betrügerköderer – Menschen also, die sich einen Spaß daraus machen, die Betrüger zu betrügen. Zum Schein gehen sie auf die abstrusen Angebote der Täter ein. Verstricken sie in wochenlange E-Mail-Schriftwechsel und stehlen ihnen die Zeit. Sie machen sich über die Täter lustig, vereinbaren zum Beispiel ein Treffen. Angeblich um zu wissen, nach wem sie Ausschau halten müssen, verlangen die „Scambaiter“ Fotos von den Tätern, die sie dann im Internet veröffentlichen. Dabei agieren sie äußerst vorsichtig und streng anonym – sie wissen, dass sie sich mit Kriminellen anlegen. Einigen Betrügerköderern soll es sogar schon gelungen sein, die Verbrecher selbst zur Überweisung einer angeblichen Gebühr zu bewegen.

Auch „Anwält Guion“ schickt noch einmal eine E-Mail hinterher. Schließlich wolle er „herzlich erweitern Sie für den Austausch mit mir die Notwendigkeit, in dieser schwierigen Zeit der Wirtschaftskrise in der Welt zu erweitern“. Und er beruhigt noch einmal: „Haben Sie Angst überhaupt nicht. Ich kann etwas nie tun, dass Sie in Gefahr stellen wird.“ Herr Guion glaubt sogar, „dass dies der Beginn einer dauerhaften Beziehung zwischen Ihnen und meiner Familie zu sein kann ist“.

Das geht dann vielleicht doch ein bisschen weit. Fragt man Betrugsermittler Schmitz, wie man mit E-Mails und Briefen der kriminellen Märchenerzähler umgehen soll, kommt die Antwort schnell und präzise: „Wegwerfen, am besten sofort wegwerfen. Und bloß nichts überweisen.“

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