Künstler-MythosWanderausstellung „The Mystery of Banksy“ ist in Köln zu sehen

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Eine Figur im Kapuzenpulli sitzt an einem Schreibtisch.

Erwischt: Da sitzt Banksy, oder doch nicht? Blick in die Kölner Ausstellung „The Mystery of Banksy - A Genius Mind“.

Warum bei diesem Künstler sogar 200 Kopien den Mythos nähren.

Wenn ein Künstler ein ehemaliges Spaßbad in den unglücklichsten Ort der Welt verwandelt, kann eigentlich nur Banksy dahinter stecken. Am 21. August 2015 eröffnete er im englischen Ferienort Weston-super-Mare seine „Dismaland“ getaufte Parodie auf Disney World, und weil das eine Idee von Banksy war, schlug man besser nach, ob er den fantastischen Ort Weston-super-Mare vielleicht erst auf die Landkarte gesetzt hatte. Aber den gibt es tatsächlich, und natürlich war der Vergnügungspark, in dem abgeschossene Kampfhubschrauber in Minigolfanlagen steckten und an einer Losbude „Gewinnen streng verboten“ stand, ein sagenhafter Erfolg – wie alles, was der ehemalige Straßenkünstler Banksy anfasst.

Banksy, der Künstler ohne Gesicht, ist längst ein Politikum

Seinen bescheidenen Anfängen als „Straßenratte“ ist Banksy längst entwachsen. Er kungelte mit Sotheby’s, um sein ikonisches Mädchen mit rotem Ballon während einer Auktion zu schreddern, er eröffnete in Bethlehem direkt an der israelischen Grenzmauer ein Hotel, das mit dem „schlechtesten Blick der Welt“ wirbt, und er schickt mittlerweile ein eigenes Rettungsschiff ins Mittelmeer. Banksy, der Künstler ohne Gesicht, ist ein Politikum, seine Schablonenbilder sind Nachrichten und manchmal Millionen wert. Jedes Mal, wenn ein neues Motiv an einer englischen Mauer, den Ruinen eines ukrainischen Wohnhauses oder einer Klowand auftaucht, geht es um die Welt.

Es liegt in der Logik der von Banksy oft und gerne kritisierten Konsumwelt, dass an Banksys Erfolg auch etliche Menschen teilhaben möchten, die nicht Banksy sind. Am erfolgreichsten sind dabei die deutschen Veranstalter der Wanderausstellung „The Mystery of Banksy – A Genius Mind“, die jetzt auch in Köln abgestiegen und gleichzeitig an zwei anderen Orten zu sehen ist. Seit der Premiere im März 2021 hat die Cofo Exhibitions GmbH & Co. KG nach eigenen Angaben rund zwei Millionen Eintrittskarten verkauft – der Vorverkauf für Köln, der 20. Station, verheißt offenbar einen Rekord. Und das alles, ohne auch nur ein einziges Banksy-Original zu zeigen.

Es wäre einfach, die Kölner Banksy-Ausstellung als Ausverkauf zu geißeln

Es wäre einfach, die Kölner Banksy-Ausstellung als Ausverkauf zu geißeln oder als „Dismaland“ für Kunstfreunde, die nicht gerne mit Repliken abgespeist werden. Andererseits wäre es auch albern, Banksy gegen die Kommerzialisierung seiner Person und seines Werks, die er ja selbst in Vollendung betreibt, in Schutz nehmen zu wollen, nur weil jemand anderes abkassiert. Und was die etwa 200 Banksy-Kopien angeht, die jetzt in einem ehemaligen Kölner Autohaus zu sehen sind, verweist die Kuratorin der Ausstellung mit einigem Stolz darauf, dass auf diese Weise viele zerstörte oder in Privatsammlungen verschwundene Banksy-Werke der Öffentlichkeit zurückgegeben werden. Bei solchen Wendungen fragt man sich dann kurz, ob man vielleicht ungefragt in einer Fortsetzung von Banksys Mockumentary „Exit Through the Gift Shop“ mitspielt. Und das hat schon wieder was.

Für das, was sie ist, ist die Kölner Ausstellung übrigens sehr gut. Sie beginnt in einem kompetenten „Nachbau“ des „Walled-off-Hotels“ in Bethlehem mitsamt originalgetreuen Nachahmungen ausgesuchter Einrichtungsgegenstände: dem maskierten Blumenwerfer etwa, der Kissenschlacht zwischen einem israelischen Polizisten und einem Palästinenser oder den mit orangefarbenen Rettungswesten übermalten Strandszenen in Öl. Es folgt eine Einführung ins Werk des Künstlers, während der ein Bobby in Lebensgröße gegen die Wand pinkelt und eine englische Königin etwas ganz und gar nicht jugendfreies tut. Und so geht es weiter: mit lauter Banksy-Klassikern, die man in der Regel schon mal im Internet, aber nicht in Originalgröße gesehen hat.

Ein roter Elefant streckt seinen Rüssel nach einem Fotografen aus.

Ein großer Elefant in der Kölner Banksy-Ausstellung, zum Glück eingezäunt.

Selbst für Banksy-Kenner ist so eine „falsche“ Retrospektive ja doch interessant und deutlich sinnlicher, als sich auf einem der verbürgten Banksy-Kanäle durch eine Bildergalerie zu navigieren. Der Mann hat eben schon einiges gemacht (ist ja auch nicht mehr der Jüngste), und vieles davon ist ganz schön fies, ganz schön lustig – und manchmal geht es sogar zu Herzen. Die Bandbreite seiner Erfindungen reicht von Micky Maus und Ronald McDonald, die das berühmte vietnamesische Kriegsmädchen in die Mitte nehmen, bis zur Corona-Krankenschwester als Superheldinnen-Figur. Von sarkastisch bis süßlich ist alles möglich, und wahrscheinlich hilft diese Werkschau eines „Genies“ dann auch dabei, die ästhetische Halbwertzeit von Banksys ikonischen Motiven zu bestimmen.

Bei einem politischen Künstler wie Banksy stellt sich irgendwann die Frage, was von seinen Werken bleibt, wenn nur noch Historiker die Anspielungen verstehen. In Köln kommt man noch gut mit, die Themen sind entweder noch frisch oder so zeitlos wie seine Konsumenten, die ein Schlussverkaufs-Plakat anbeten. Dabei schaut Banksy nie auf seine allegorischen Figuren herab. Selbst der prügelnde Polizist findet vor ihm halbwegs Gnade – er blickt durch ihn hindurch und sieht die anonyme Staatsgewalt als eigentlichen Angriffspunkt seiner Kritik.

Wer es vergessen hatte, wird in Köln auch daran erinnert, worin Banksys Straßenglaubwürdigkeit liegt. Weniger in seiner politischen Haltung oder in seinen „Entlarvungen“ des Kunstmarkts (jeder weiß doch, wie der funktioniert). Sondern weil er Partei für die kleinen Leute ergreift, indem er die Mauern, an denen sie täglich vorübergehen, zu verschönern versucht. An dieses Ideal kommt die Kölner Banksy-Ausstellung zwar nicht heran. Aber sie verkauft es auch nicht unter Wert.


„The Mystery of Banksy – A Genius Mind“, Oskar-Jäger-Str. 99, Köln, Di.-Mi. und So. 10-18 Uhr, Do.-Sa. 10-20 Uhr, voraussichtlich bis März 2024.

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