Studio für Elektronische MusikWarum der Umzug ins Zamus nicht scheitern darf

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Karlheinz Stockhausen sitzt während einer Probe zu seinem Stück „Michaels Heimkehr“ an einem Schaltpult.

Der Komponist Karlheinz Stockhausen war eine zentrale Figur im Kölner Studio für Elektronische Musik.

Der Umzug des Kölner Studios für Elektronische Musik ins Zentrum für alte Musik steht wegen Kostensteigerungen auf der Kippe. Eine Ausstellung in Bonn zeigt jetzt, warum das Projekt nicht scheitern darf.

Nach 20 Jahren Irrungen und Wirrungen beschloss der Rat der Stadt Köln Anfang 2022, das weltweit berühmte Studio für Elektronische Musik des WDR Köln der Öffentlichkeit wieder als „lebendiges Museum“ zugänglich zu machen. Der von Stadt, WDR und Kulturministerium NRW getragene Wiederaufbau auf rund 260 Quadratmetern im Rahmen des Zentrums für Alte Musik (zamus) auf dem Helios-Geländes in Köln-Ehrenfeld steht jedoch erneut auf der Kippe, weil der Besitzer und Investor Paul Bauwens-Adenauer deutlich höhere Bau- und Mietkosten veranschlagt. Nun wird wieder gefeilscht und nach Alternativen gesucht für Studio, Gerätelager, Werkstatt, Dokumentations-, Personal-, Arbeits- und Demonstrationsräume. Derweil war bei der Ausstellung „Strom: Klänge“ in Bonn schon jetzt die Faszination der Pionierinstrumente der elektronischen Musik zu erleben.

Nachdem der Komponist und Cellist Michael Denhoff in der Bonner Gesellschaft für Kunst und Gestaltung bereits mehrere Ausstellungen kuratiert hatte, wollte er auch Teile des WDR-Studios zeigen. Als sich diese Idee jedoch zerschlug, setzte er sich mit dem Studio für Elektronische Musik der Hochschule für Musik und Tanz Köln in Verbindung. Denn WDR- und Hochschulstudio basierten anfangs auf den gleichen Geräten und hatten denselben ersten Leiter Herbert Eimert, der nach seiner Pensionierung im WDR als Professor an der Hochschule 1965 ein weiteres Studio aufbaute.

Der erste digitale Synthesizer mit Sampling-Technik Fairlight CMI hatte den Wert eines Einfamilienhauses

Der historische Fundus des Hochschulstudios entspricht weitgehend demjenigen, mit dem seit 1953 im WDR-Studio Komponierende aus aller Welt arbeiteten: Sinus-, Rausch- und Impulsgeneratoren, Filter, Entzerrer, Schwebungssummer, Mischpulte und Bandmaschinen. Die Bonner Ausstellung zeigt außerdem mehrere Analog-Synthesizer und den ersten digitalen Synthesizer mit Sampling-Technik Fairlight CMI vom Anfang der 80er Jahre im damaligen Wert eines Einfamilienhauses.

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Zusammengestellt hat die Ausstellung Marcel Schmidt, der das Hochschulstudio von 1973 bis 2017 technisch leitete, sowie sein Nachfolger Simon Spillner und der seit 2007 amtierende künstlerische Studioleiter Michael Beil. Noch bis zum 6. August lassen sich Bauweise, Material, Design und Praktikabilität der Geräte bewundern. Eine „Hörbar“ bietet eine Auswahl aus Produktionen des Hochschulstudios; hinzu kamen schließlich noch zwei Konzerte mit Stücken gegenwärtiger Kompositionsstudierender.

Eduardo Lazcana beleuchtete in einer audiovisuellen Arbeit die spezifische Materialität, Bau- und Funktionsweise traditioneller Instrumente wie Cello oder Klarinette durch besondere Mikrophonierung und Makro-Videoaufnahmen. Tamara Miller versetzte zwei Glasplatten über Transducer in Schwingungen, die mit bewegtem Mikrophon abgetastet wurden und je nach Abstand, Winkel, Position, Dämpfen und Aufsetzen des Mikrophons verschiedene Töne, Mixturen oder perkussives Rattern hören ließen. Erstmalig außerhalb der Kölner Hochschule zum Einsatz kam der legendäre Synthesizer ARP 2500. Das zwischen 1970 und 1981 gebaute Gerät ersetzt die bis dato üblichen Steckfelder durch zweimal 24 Matrizen, auf denen sich je zehn Regler bequem und schnell in zwanzig unterschiedliche Positionen zu individuellen Schaltungen verschieben lassen. Andrés León bespielte die mannshohe Apparatur mit noisigen Loops unter Verzicht der zwei Keyboards.

Heute ist die technologische Basis von Pop, Techno, Noise, Electronica, Ambiente und vieler neuer Musik selbstverständlich digital. Doch auf der Suche nach besonderen Klängen jenseits handelsüblicher Hard- und Software greifen viele Musikschaffende wieder nach analoger Klanggenerierung. Seit etlichen Jahren genießen daher historische Synthesizer der 1960er und 70er Jahre wie Moog, EMS und ARP Kultstatus, werden teuer gehandelt und von der Düsseldorfer Firma Behringer als erschwingliche Einzelteile originalgetreu nachgebaut, die Bands, Ensembles und Performer nach Belieben zu individuellen Modularsynthesizern verbinden. Die Bonner Ausstellung und die dortigen Veranstaltungen zeigen eindrücklich: Es ist höchste Zeit, den reichhaltigen Geräteparcours des Kölner WDR-Studios aus fünfzig Jahren endlich wieder nutz- und hörbar zu machen.


„Strom: Klänge - Das Studio für elektronische Musik der Hochschule für Musik und Tanz Köln“, Gesellschaft für Kunst und Gestaltung, Bonn, bis 6. August

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