Kommentar zu EM-PrämienGrößer kann ein Gender Pay Gap kaum sein

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Alexandra Popp

Alexandra Popp jubelt nach ihrem Treffer zum 2:0 Endstand in der 90. Minute gegen Österreich.

Es hilft nichts, wir müssen über dieses Kaffeeservice reden. Denn früher oder später kommt es ja doch aufs Tapet, wenn es um Frauen geht, die in Deutschland Fußball spielen. Zum Gewinn der Fußball-EM 1989 erhielt die deutsche Mannschaft eben jenes Service. Heute wird dieser Fehlgriff vor allem erwähnt, um zu verdeutlichen, wie weit wir gekommen sind bei der Frage, welchen Stellenwert die deutschen Fußballerinnen mittlerweile haben.

Aber stimmt das wirklich? Klar, niemand würde sich heute noch trauen, die Nationalspielerinnen so abzuspeisen, aber wer die Diskussion über die Prämien für einen Gewinn der Europameisterschaft verfolgt hat, muss leider konstatieren, dass der deutsche Fußball noch einen weiten Weg vor sich hat.

Bierhoffs Argumentation ist eine Frechheit

Jede Spielerin würde für den Titel 66 000 Euro erhalten. Das ist zweifellos eine gewaltige Steigerung zur EM 2017, da wären es 37 500 Euro gewesen. Aber die DFB-Männer hätten 2021 bei der EM für den Titel je 400000 Euro erhalten. Größer kann ein Gender Pay Gap kaum sein.

DFB-Direktor Oliver Bierhoff preist den Rekord, betont aber, aufgrund der unterschiedlichen Einnahmen und Umsätze bei Frauen- und Männer-Turnieren sei eine Gleichbehandlung leider nicht möglich. Diese Argumentation ist schlicht eine Frechheit.

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Der DFB hat über Jahrzehnte verhindert, dass Frauen in Deutschland professionell Fußball spielen konnten. 1955 verbot er den Vereinen sogar, eigene Frauen-Abteilungen zu gründen. Und auch später legte er den Spielerinnen unendlich viele Steine in den Weg.

Zu einem damals noch inoffiziellen WM-Turnier schickte der DFB 1981 die Mannschaft der SSG 09 Bergisch Gladbach, weil es schlicht keine Nationalmannschaft gab. Die Frauen finanzierten ihre Reise selbst und wurden tatsächlich Weltmeisterinnen. Pionierinnen wie Anne Trabant-Haarbach mussten gegen so viele Widerstände ankämpfen, dass man sich fragt, wie sie überhaupt Zeit zum Fußballspielen fanden.

Der DFB bestraft die Spielerinnen für die eigenen Versäumnisse

Und für die eigenen Versäumnisse bestraft der DFB die Spielerinnen heute. Die Wahrheit ist: Keinem der Männer täte es weh, komplett auf eine Prämie zu verzichten. Aber so weit müsste der DFB, der übrigens ein gemeinnütziger Verein und damit der Allgemeinheit verpflichtet ist, gar nicht gehen: Warum addiert er nicht die Prämien und teilt dann durch beide Teams? Auch mit 233 000 Euro müsste Manuel Neuer sicher nicht am Hungertuch nagen.

Der DFB hätte hier endlich – wie viele Verbände anderer Länder auch – ein deutliches Zeichen setzen können. Er hat die große Chance verpasst. Die Nationalmannschaft macht derzeit hingegen alles richtig. Die Frauen überzeugen durch ihr Art, Fußball – und nicht Frauen-Fußball, es sagt ja auch niemand Frauen-Schwimmen – zu spielen. Entscheidend ist eben auf’m Platz. Sie machen Werbung für ihren Sport und stehen verdient im Halbfinale.

Dem DFB hingegen würde man für sein Verhalten gerne ein Kaffeeservice vor die Füße knallen.

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