Museum Schnütgen zeigt kostbares StundenbuchWohliges Gruseln im Advent

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Legende der drei Lebenden und der drei Toten, gedrucktes Stundenbuch, Druck: Paris, Yolande Bonhomme, 1525, Museum Schnütgen.

Legende der drei Lebenden und der drei Toten, gedrucktes Stundenbuch, Druck: Paris, Yolande Bonhomme, 1525, Museum Schnütgen.

Der Freundeskreis des Museum Schnütgen hat ein kostbares gedrucktes Pariser Stundenbuch aus dem Jahr 1525 erworben, das nun in einer Sonderpräsentation gezeigt wird. 

Unheimliche Geschichten mochten die Menschen auch schon in früheren Zeiten. Aber was sollte man tun ohne Kino, Krimis oder Netflix? Eine überraschende Antwort liefert das Museum Schnütgen. Dort kann man ab sofort ein kostbares Stundenbuch bewundern, das im Jahr 1525 in Paris gedruckt wurde.

Nun ist ein solches Gebet- und Andachtsbuch eigentlich dafür gedacht, Laien dabei zu helfen, ihren Tag mit regelmäßigen Gebetseinheiten - in Anlehnung an den klösterlichen Tagesablauf - zu strukturieren, aber ein wenig Unterhaltung kann ja auch da nicht schaden.

Der Tod ist in dem aufwändig gestalteten Buch allgegenwärtig. Zu Beginn des Totenoffiziums (Gebete zu Ehren der Verstorbenen) wird auf einer Doppelseite die Legende von den drei Lebenden und den drei Toten in detailreichen Bildern dargestellt. Drei junge, hochmütige Edelmänner begegnen auf der Jagd drei Toten, deren teilweise schon verweste Leiber eindrucksvoll an die Nichtigkeit irdischer Vergnügungen und die Sterblichkeit jedes Menschen erinnern.

Natürlich sollten solche Darstellungen die Menschen ermahnen, ein gottgefälliges Leben zu führen, aber wie Moritz Woelk, Direktor des Museums, bei der Präsentation der Neuerwerbung anmerkte, ging es auch darum, die Menschen zu unterhalten, wohliges Gruseln im Advent sei da garantiert.

Die Neuerwerbung kostete 35.000 Euro

Der Freundeskreis des Museum Schnütgen machte die Neuerwerbung möglich, 35.000 Euro kostete das Stundenbuch, das Kustodin Karen Straub auf der Kunstmesse Tefaf in Maastricht entdeckt hatte. 

Sie war sowohl von der Schönheit der zweifarbig auf Papier gedruckten Bilder fasziniert, als auch von der Geschichte des Buches. Denn für dessen Herstellung war eine Frau verantwortlich. Yolande Bonhomme führte nach dem Tod ihres aus Koblenz stammenden Mannes Thielman Kerver im Jahr 1522 die Geschäfte des Pariser Druck- und Verlagshauses erfolgreich weiter. 15 bis 25 Angestellte arbeiteten dort, 5 Druckpressen gab es. Bis zu ihrem Tod leitete sie 35 Jahre lang die Geschäfte und veröffentlichte in dieser Zeit mehr als 200 Titel, darunter 56 Stundenbuch-Ausgaben.

Von dieser Ausgabe des Stundenbuches sind heute noch elf erhalten, eines findet sich in der British Library, einige Exemplare gibt es noch in Paris. Nun kann auch Köln eines sein Eigen nennen. Im Museum Schnütgen wird es neben einer Stundenbuch-Handschrift und zwei weiteren Druckwerken gezeigt. Exemplarisch lässt sich so aufzeigen, wie der Buchdruck den Markt veränderte. 

Der Buchdruck erschloss neue Käuferschichten

Eine flämische Handschrift, die neben dem Stundenbuch ausgestellt ist, verdeutlicht diesen Wandel. Sie enthält 13 Miniaturen, das gedruckte Stundenbuch hingegen glänzt mit 58 ganzseitigen Darstellungen und zahlreichen kleinformatigen Bildern.

Handschriften auf Pergament waren Unikate und ungefähr so teuer wie ein Haus. Bezahlbar waren sie daher nur für eine äußerst kleine Klientel. Auch die auf Papier gedruckten Stundenbücher waren kein Massenprodukt, aber sie konnten doch in höherer Stückzahl hergestellt werden. 

Weil in jenen Zeiten von Urheberrechten noch niemand sprach, kann man erstaunliche Überschneidungen entdecken. So finden sich einige der Darstellungen aus dem Pariser Stundenbuch auch in einem Kölner Messbuch von 1525, das ebenfalls im Museum Schnütgen zu sehen ist. Gedruckt wurde es ebenfalls in Paris, aber in einer anderen Werkstatt. Bilder und Motive verblieben nicht in einer Druckwerkstatt, sondern wanderten, indem sie kopiert oder als Druckplatten übernommen wurden.

Nicht nur wegen dieser Parallelen sind Moritz Woelk und Karen Straub glücklich über die Neuerwerbung. Auch zu anderen Ausstellungsstücken lassen sich vielfältige Bezüge herstellen, etwa zu den Figuren des Zizenhausener Totentanzes, die Darstellungen im Stundenbuch ähneln. Der Tod ist eben allgegenwärtig, wir können ihm nicht entkommen. Daran hat sich auch in den vergangenen 500 Jahren nichts geändert. 

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