Netflix-Doku über David BeckhamVom Helden zum Verräter und zurück

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David Beckham und Victoria Beckham bei der Premiere der vierteiligen Miniserie in London. Er trägt einen schwarzen Anzug, sie einen weißen Hosenanzug.

David Beckham und Victoria Beckham bei der Premiere der vierteiligen Miniserie in London

Netflix hat eine sehenswerte Miniserie über David Beckham produziert, die auch die Widersprüche seiner Persönlichkeit beleuchtet.

Es war ein Schuss, der David Beckham in England berühmt machte. 1996 spielte Manchester United gegen den FC Wimbledon, der Verein führte schon 2:0. Da sah Beckham an der Mittellinie, dass der gegnerische Torwart zu weit rausgerückt war, und überwand ihn mit einem Weitschuss.

Immer und immer wieder hatte er solch präzise Schüsse in seiner Jugend unter den strengen Blicken seines Vaters trainiert. Niemandem sei es vorher gelungen, so zu treffen, sagt dieser in der neuen Netflix-Miniserie mit dem schlichten Titel „Beckham“, nicht mal Pelé. Es ist ein interessanter Anflug von Größenwahn von einem Mann, der seinem Sohn ansonsten nie sagen wollte, wie gut er war, weil er fürchtete, dieser strenge sich dann nicht mehr an. 

Neben der schlagzeilenträchtigen Ehe mit dem ehemaligen Spice Girl Victoria sind es zwei Beziehungen, die David Beckhams Weg geprägt haben, das machen diese vier Serienteile deutlich: Die zu seinem Vater Ted, der als großer Fan von Manchester United nichts mehr ersehnte, als seinen Sohn dort spielen zu sehen.

Und die zu seinem Ziehvater Alex Ferguson, den Beckham nie beim Namen, sondern immer nur „The Boss“ nennt. Der Übertrainer von Manchester United erkannte das Talent des kleinen, eher schmächtigen Blondschopfs schon früh, förderte ihn - und geriet später mit ihm über dessen Lebenswandel in Streit. Einer, der nur schwarze Fußball-Schuhe auf dem Platz erlaubt und sozialistische Prinzipien hatte, wie Gary Neville, ein langjähriger Mitspieler und Freund Beckhams, es nennt, kann es nicht gutheißen, wenn ein Talent den Verlockungen der Glitzerwelt erliegt.

Natürlich sind solche Dokumentarfilm-Projekte immer auch eine große Werbemaschine, und Stars, die sich darauf einlassen, dürfen sicher sein, dass sie nicht schlecht wegkommen. Aber Oscar-Preisträger Fisher Stevens arbeitet in seinem Porträt die Widersprüche in der Persönlichkeit des englischen Superstars gekonnt heraus.

Da ist der Junge aus einfachen Verhältnissen in London, der sich als nicht besonders schlau bezeichnet und von sich sagt, er habe nie viele Freunde gehabt. Er wollte eigentlich immer nur kicken. In Interviews wirkte Beckham oft scheu, es sieht nicht so, als genieße er das Rampenlicht. Da schien immer auch der kleine, brave Junge durch, der den Kundinnen seiner Mutter, denen sie zu Hause die Haare frisierte, Tee und Toasts servierte. 

Er wollte erkannt werden, er brauchte die Aufmerksamkeit

Gleichzeitig räumt er ein, dass ihm die funkelnde Show-Welt, in die er dank Victoria eintauchte, von Anfang an sehr gut gefiel. Er wollte erkannt werden, er brauchte die Aufmerksamkeit. „Er wollte mehr als nur Fußball“, sagt Neville.

Beckham bestreitet das nicht. Teure Uhren, schnelle Autos, modische Experimente, er verschob die Grenzen dessen, was als Fußball-Star außerhalb des Feldes möglich war. Den Eintrag „Metrosexualität“ bei Wikipedia ziert ein Bild von Beckham. Doch der vierfache Familienvater betont, das habe sein Spiel nie beschädigt, Fußball sei immer die Nummer 1 für ihn gewesen. 

Im Fußball sind es oft nur wenige Sekunden, die über Sieg und Niederlage entscheiden, die bestimmen, ob dich die Massen lieben oder kreuzigen wollen. Beckham war der Star, den sich die Engländer in den 1990ern ersehnt hatten. Er sollte sie endlich wieder zu einem großen internationalen Titel führen. 

Beckham bekam die Schattenseiten des Ruhms auf brutale Weise zu spüren

Die WM 1998 sollte seine werden, doch erst gab es Streitereien mit Trainer Glenn Hoddle, der ihm wie Ferguson vorwarf, nicht fokussiert zu sein. Und dann flog Beckham wegen einer unglücklichen Aktion gegen Diego Simeone vom Platz. Der räumt in der Doku gut gelaunt ein, geschauspielert zu haben, eine rote Karte sei Beckhams leichter Tritt nicht gewesen.

Den englischen Fans war das egal, der englischen Boulevardpresse erst recht. Der Held wurde zum Verräter, denn England verlor das Spiel im Elfmeterschießen. Und auf einmal waren sich alle sicher, ohne diese rote Karte wäre man sicher Weltmeister geworden. 

Beckham bekam die Schattenseiten des Ruhms auf brutale Weise zu spüren. Es gab Morddrohungen gegen ihn, über Monate wurde er in den Stadien ausgebuht. Noch heute sieht man ihm an, wie sehr er darunter litt. Er wünsche sich manchmal eine Pille, die einen bestimmte Erinnerungen vergessen lasse.

Doch er biss sich durch, feierte danach zahlreiche Erfolge. Aus englischer Sicht legendär ist natürlich das Champions-League-Finale gegen Bayern München in Barcelona, bei dem Manchester United im allerletzten Moment durch zwei späte Tore gewann - beide nach Ecken von Beckham.

Denn neben all dem Glitzer und allen Kontroversen ruft diese Mini-Serie einem wieder ins Gedächtnis, dass David Beckham einfach ein sehr guter Fußballer war. 


Alle vier Teile der Miniserie „Beckham“ gibt es bei Netflix.

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