FC-Präsident Spinner„Antifa-Protest war nichts anderes als eine Straftat“

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Debatte auf der Festivalbühne

Debatte auf der Festivalbühne

Herr Spinner, seit dem Birlikte-Sonntag sind schon fast zwei Wochen vergangen. Trotzdem beschäftigt Sie die Erstürmung eines Podiums, auf dem AfD-Mitbegründer Adam sprechen sollte, nach wie vor. Warum?

Weil uns „Schnee von gestern!“-Gerede allzu leicht davon abbringt, an die grundsätzlichen Fragen zu gehen, die sich aus einem Einzelereignis ergeben. Und weil ich die Rechthaber nicht leiden kann, die nach dem erzwungenen Ausfall des Gesprächs meinten, das hätten sie ja schon im Vorhinein gesagt, und deshalb wäre es besser gewesen, ihrer Forderung nach Absage der Veranstaltung nachzukommen.

Das klingt danach, dass Sie anderer Meinung sind.

Absolut! Unser Rechtsstaat und unsere Gesellschaft basieren auf Regeln und deren Beachtung. Im Schauspiel hat nichts anderes stattgefunden als ein Hausfriedensbruch. Mögen die Motive aus Sicht der Störer noch so ehrenwert gewesen sein, das Signal ist ein anderes: Man kann in Deutschland ungerührt und ungehindert das Recht des Stärkeren – und hier: des Lauteren – gegen die Stärke des Rechts durchsetzen. Ich finde das fatal, weil so das Vertrauen in den Staat und seine Institutionen noch weiter sinkt.

Die Migrationsforscherin Naika Foroutan, die ja mit Konrad Adam diskutieren sollte, hat um Verständnis geworben für einen „performativen Akt“ der Gegenwehr gegen die Aushöhlung von Grundrechten und Werten unserer Verfassung durch die AfD. Man könnte sagen: eine besetzte Bühne als symbolisches „Nein“.

Ich halte wenig davon, Regelbrüche eilends zu einer Art künstlerischer Performance umzudeuten. Die Leute durchschauen den Trick und sind erst recht verärgert. Straftaten sind Straftaten und bleiben Straftaten. Das Schauspiel hätte einen hervorragenden Raum für eine Debatte über Programm und Politik der AfD geboten. Das haben bestimmte Leute aus dem Gefühl einer Überlegenheit heraus verhindert – ich frage mich bloß, welcher Überlegenheit?

Zur Person und zur Sache

Werner Spinner, geb. 1948, ist seit 2012 Präsident des 1. FC Köln. Zuvor arbeitete er fast 30 Jahre für die Bayer AG, zuletzt als Vorstand.

Im Januar gehörte Spinner zu den zehn Unterzeichnern der „Kölner Botschaft“, einer Reaktion auf die Gewaltexzesse an Silvester.

Dem Aufruf der Botschaft zum Dialog folgte auch das „Birlikte“-Kulturfestival Anfang Juni mit zahlreichen Gesprächsrunden. Eine davon war mit dem AfD-Mitgründer Konrad Adam geplant. Sie scheiterte am Sturm antifaschistischer Demonstranten auf die Bühne des Schauspiels. (jf)

Kann es nicht legitimerweise Grenzen dessen geben, worüber man öffentlich einen Dialog führen sollte?

Doch. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass Herr Adam die Gelegenheit bekommen hätte, die NSU-Morde oder das Keupstraßen-Attentat zu einer guten Sache zu erklären. Da wäre zum Beispiel eine Grenze des Sagbaren erreicht. Aber der Raum diesseits dieser Grenze sollte nicht zu eng bemessen sein, und vor allem kann nicht jeder seine persönlichen Grenzen zu den Grenzen aller machen.

Aber wie sich in Talkshows zeigt, ist die ganze Rhetorik der AfD gar nicht auf Dialog angelegt, sondern auf das Gegenteil.

Man muss so einer Situation als Moderator gewachsen sein, und das ist nicht immer der Fall. Der Erfolg der AfD beruht aber genauso auf der Behauptung, die Stimme dort zu erheben, wo sonst nur das von politischer Korrektheit erzwungene Schweigen herrscht. Diese Verschwörungstheorie wird nicht entkräftet oder widerlegt, wenn einem AfD-Vertreter von linken Demonstranten der Mund verboten wird.

Eine Studie der Uni Leipzig über „Die enthemmte Mitte“ hat einen massiven Anstieg der Fremden- und Islamfeindlichkeit in Deutschland festgestellt. Es werden plötzlich Parolen salonfähig, die vor nicht allzu langer Zeit als völlig indiskutabel gegolten hätten.

Ist das wirklich so? Die Parole von den Asylbetrügern zum Beispiel war doch schon vor 30 Jahren völlig salonfähig.

Beim Wort „Volksschädlinge“ wäre man aber heftiger zusammengezuckt, als dies heute der Fall zu sein scheint. Und der Islam war als Feindbild noch nicht präsent.

Die Abwehrhaltung gegen den Islam ist neuer, ja, und sie ist zu einem bestimmten Teil definitiv rassistisch. Für mich gehört der Islam zu Deutschland. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass die Abwehrhaltung gegen den Islam zum Teil durch Angst gespeist wird, und diese Angst nimmt zu, weil jede Woche „im Namen des Islam“ Menschen terrorisiert und ermordet werden. Schlimm ist, dass in so einer Situation dann nicht der Versuch des Dialogs und des Austauschs allgegenwärtig ist, sondern dass die AfD, aber auch Leute wie Donald Trump in den USA oder Viktór Orban in Ungarn diese Ängste instrumentalisieren und sich als Heilsbringer aufspielen können. In England neigt sich vor der Abstimmung über einen „Brexit“ die Waage momentan zugunsten der Befürworter eines EU-Austritts. Das zeigt, dass im Durcheinander einer großen gesellschaftlichen Verunsicherung die „Wir sind gegen alles“-Mentalität populär wird, selbst wenn sie – wie beim Brexit – politisch, ökonomisch und sozial grundfalsch sein sollte.

Welche Lehren ziehen Sie daraus, bezogen auf hiesige Verhältnisse?

Als „Kölner Botschafter“ sollten wir den Geist unserer Erklärung vom Januar lebendig halten: Einsatz für eine offene Gesellschaft! Dialog über unser Zusammenleben, wo immer er möglich ist! Ich hoffe auch, dass der Birlikte-Gedanke keinen bleibenden Schaden genommen hat und dass das Festival auch 2017 wieder stattfindet. Es bietet Raum für Begegnung und kann dazu beitragen, dass die Menschen sich nicht damit begnügen, zur „schweigenden Mehrheit“ zu gehören. Die darf es in Deutschland nicht mehr geben.

Das Gespräch führte Joachim Frank

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