KleopatraIrritierend selbstbewusst

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Frauen in Ägypten hatten andere Recht als Römerinnen oder Griechinnen.

Frauen in Ägypten hatten andere Recht als Römerinnen oder Griechinnen.

Lüstern, skrupellos, machthungrig – die römische Propaganda hat es leicht, Kleopatra zu diffamieren. Zu selbstbewusst tritt die „Königin der Könige“, wie Marcus Antonius sie tituliert, in Rom auf. Ihr alexandrinischer Hof- und Lebensstil provoziert die römische Elite. Doch sie ist selbst für ägyptische Verhältnisse eine Ausnahmeerscheinung.

Tatsächlich verstößt Kleopatra gegen Anstand und Sitte der Römer: Sie ist, wie im ägyptischen Herrscherhaus durchaus üblich, zunächst mit zwei ihrer Brüder verehelicht. Sie lebte also in einem offiziös inzestuösen Verhältnis. Dann verführt sie die beiden verheirateten Römer Cäsar und Antonius zum Ehebruch – zumal die Ehe mit einer Nichtrömerin illegitim ist. Dass sie Cäsars Sohn Caesarion zum Gottkönig erklärt, auch das widerspricht dem Geist der römischen Republik. Dass sie sich zwei römischen Aristokraten zuwendet, stößt allerdings auch ihre eigenen Leute vor den Kopf.

Mann und Frau gleichgestellt

Doch damit allein ist die Ablehnung der römischen Propaganda nicht erklärt. Kleopatra verstößt auch gegen das Frauenbild der griechisch-römischen Männerwelt. Da herrscht ein grundsätzliches Misstrauen: Die Frau könne ihre sexuellen Gelüste nicht kontrollieren. Warnendes Beispiel: Die schöne Helena, die Griechen wie Trojaner ins Unglück reißt. Mädchen werden deshalb in strenger Obhut unter häuslichem Verschluss gehalten. In Ägypten dagegen genießt die Frau – zumindest in gewissen sozialen Schichten, Lebensbereichen und Epochen – auch außerhalb ihres Heims Freiheiten, die römische Frauen nicht kennen.

In Ägypten sind Mann und Frau rechtlich weitestgehend gleichgestellt. In Rom werden Mädchen früh verheiratet, in Ägypten kann die Frau ihr Veto gegen eine ungewollte Ehe einlegen. Eheverträge sichern sie auch im Falle einer Scheidung wirtschaftlich ab. Sie ist geschäftsfähig, kann also Verträge eingehen, Eigentum erwerben, ja berufstätig sein als Bäckerin, Weberin, Musikerin, Bäuerin. Zugegeben: typische Frauenberufe. Aber sie kann auch hohe Priester- und Staatsämter einnehmen, jedenfalls einige unter ihnen. In Rom bleibt der Mann stets Vormund der Frau. Und im klassischen Athen gilt es schon als unschicklich, über Frauen öffentlich zu sprechen.

Emanzipation?

Männer regieren Ägypten über 3000 Jahre hinweg. Pharaoninnen wie Hatschepsut (1479–1558 v. Chr.) sind die Ausnahme. Und auch sie wird offiziell als Mann dargestellt. Immerhin aber gibt es intime Bildnisse mit ihrem Geliebten, gehüllt in einen Hauch von Nichts. Auch Kleopatra zeigt sich ungewöhnlich selbstbewusst auch auf Tempelwänden: Allein bringt sie Opfer dar, ohne männliche Begleitung.

Die ersten Griechen, die Ägypten bereisen, sind irritiert: „Die Frauen gehen auf den Markt und treiben Handel, wogegen die Männer zu Hause sitzen und weben“, schreibt Herodot und ergänzt: Die Ägypterinnen pinkeln im Stehen, die Männer im Sitzen. Der Grieche war offenbar ziemlich provoziert durch das Selbstbewusstsein der Frauen am Nil.

In ägyptischen Darstellungen ergreift nicht selten das Mädchen die Initiative der Partnerwahl, auch sexuell – was in Rom undenkbar ist. Die alten Ägypter hatten ein entspanntes Verhältnis zu Nacktheit, Erotik und Sex. Die Tänzerinnen Kleopatras tanzten nackt – in Rom traten die Vestalinnen hochgeschlossen auf.

War die ägyptische Frau emanzipiert? Schon der Begriff ist der Zeit fremd. Auch im alten Ägypten ist das Gros der Frauen auf Kinder, Küche, Kult verwiesen. Alles andere ist Männersache. Übrigens wurden fast alle antiken Texte über Frauen von Männern verfasst – auch die über Kleopatra. (hch)

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