Schauspiel KölnDepot, Grotte und Carlsgarten sollen als Spielstätten erhalten bleiben

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Mehr als nur Interimsstätte? Das Carlswerk in Mülheim

Köln – Stefan Bachmann hat einen Wunsch. Der Intendant des Schauspiel Köln möchte das Wörtchen „Interim“ nicht mehr hören. „Interim“ nennt man die Übergangszeit, in der das Schauspiel Köln darauf wartet, sein generalüberholtes Haus am Offenbachplatz beziehen zu können. Und „Interim“ bezeichnet auch die rechtsrheinische Spielstätte, das Carlswerk, in der die städtische Bühne ausharrt.

Nun ist dieser Übergang einerseits unüberschaubar geworden. Erst in einem Jahr will sich Bernd Streitberger, der neue technische Betriebsleiter der Baustelle, auf ein neues Datum der Wiedereröffnung festlegen. Bachmann rechnet derzeit mit weiteren drei Spielzeiten in Mülheim.

Andererseits hat Bachmann an der Schanzenstraße erfolgreich einen neuen Mittelpunkt der Stadt gesetzt. Die Spielstätten im Depot, der Carlsgarten – daraus sind viel mehr als nur Zwischen- oder Verlegenheitslösungen geworden.

Die Zukunft des Depots

In einer Machbarkeitsstudie hat Stefan Bachmann seine Vision von der Zukunft des Depot entworfen: Wenn die Bühnen wieder an den Offenbachplatz gezogen sind, soll die Mülheimer Spielstätte für weitere 20 Jahre mit Option auf Verlängerung angemietet und umgebaut werden.

Das Depot 2 bliebe als Spielstätte erhalten, ebenso die Grotte und der Carlsgarten. Der große Saal würde in einen Kostümfundus und zwei dringend benötigte Probebühnen unterteilt. Zudem würde eine kleine Bürgerbühne eingerichtet werden. Der Umbau würde ein Jahr in Anspruch nehmen, als Baukosten sind sechs Millionen Euro veranschlagt.

Die Proberäume an der Oskar-Jäger-Straße sowie zahlreiche über die Stadt verteilte kleine Lager könnte man aufgeben.

Ein Fünf-Jahresvertrag mit dem Vermieter, der Beos AG, stünde kurz vor dem Abschluss, verkündet Bachmann. Über die weitere Zukunft der Immobilie als rechtsrheinische Spielstätte, Probebühne und Zentrallager muss die Politik entscheiden (siehe Kasten).

Die neue Spielzeit links- und rechtsrheinisch

Hinter den Kulissen wird bereits an der Fechtszene aus „Hamlet“ geprobt.

Hinter den Kulissen wird bereits an der Fechtszene aus „Hamlet“ geprobt.

Klassiker, Rechtsrheinisch

Der Spielplan, den Bachmann zusammen mit seinem leitenden Dramaturgen Thomas Laue am Mittwoch vorstellte, spiegelt die bis auf weiteres vertauschten Ufer des Schauspiel Köln jedenfalls bestens wieder: In Mülheim eröffnet der Intendant als Regisseur am 23. September die Saison mit „Hamlet“. Hausregisseur Moritz Sostmann inszeniert „Faust I“ in der großen und „Faust II“ in der kleinen Spielstätte. Rafael Sanchez, ebenfalls Hausregisseur, richtet für Martin Reinke in der Titelrolle den „Tod eines Handlungsreisenden“ ein. Angela Richter verabschiedet sich als Hausregisseurin, zukünftige gemeinsame Projekte, so Bachmann, seien aber nicht ausgeschlossen.

Neu in Köln

Peter Miklusz (32) hat an der Ernst Busch-Schule Schauspiel studiert und bereits am Wiener Burgtheater unter Stefan Bachmann gespielt. In der Titelrolle des „Woyzeck“ (Regie: Leander Haußmann) am Berliner Ensemble wurde Miklusz 2015 zum Nachwuchsschauspieler des Jahres nominiert. Miklusz wird seinen Kölner Einstand als Prinz Hamlet geben.

Sophia Burtscher, 25 Jahre alt, hat am Salzburger Mozarteum Schauspiel studiert. Köln ist ihr erstes Stadttheater-Engagement.

Wolfgang Pregler, geboren 1956, war an den Münchner Kammerspielen und am Deutsche Schauspielhaus Hamburg engagiert, stand für Marc Rothemunds „Sophie Scholl – die letzten Tage“ und Uli Edels „Der Baader-Meinhof-Komplex“ vor der Kamera. Kölner Zuschauer kennen ihn aus Karin Beiers „Demokratie in Abendstunden“.

Auch Thomas Brandt und Justus Maier, bislang als Studierende der Leipziger Hochschule für Musik und Theater am Schauspiel, sind neu im Ensemble. Jacob Leo Stark und Thomas Müller verlassen Köln.

Stattdessen blickt man mit Botho Strauß’ „Groß und klein“ zurück in die goldenen Jahre der Bundesrepublik und noch ein wenig weiter zurück mit Heinrich Bölls „Ansichten eines Clowns“, Thomas Jonigk hat den Roman dramatisiert und wird auch inszenieren. Zwar konnte man die „Ansichten“ erst vor zwei Jahren im Theater Bonn erleben. Aber 2017 ist nun mal Böll-Jahr, der Kölner Autor wäre Hundert geworden.

Des weiteren: Robert Borgmann nimmt sich Maxim Gorkis „Sommergäste“ vor, Linus Tunström Nicolai Gogols „Der Revisor“, letzteres eine Produktion des Düsseldorfer Schauspielhaus, im Austausch läuft am jeweiligen Abend Bachmanns „Geschichten aus dem Wiener Wald“ in Düsseldorf.

In Köln beschließt Bachmann die Spielzeit mit „Geächtet“, Ayad Akhatars Integrations-Komödie gilt als Stück der Stunde und wird an vielen deutschsprachigen Bühnen gespielt.

Neue Stücke, Linksrheinisch

Am Offenbachplatz, wo man momentan nur die „Kultur der Behinderungsanzeige“ pflege, wie Bauleiter Streitberger scherzte, könnte ab dem 29. September das wahre – Verzeihung! – Interims-Theater stattfinden. Bachmann ist es tatsächlich gelungen, wie berichtet, die ehemaligen Opernterrassen für ein Jahr aus der stillstehenden Baustelle auszugliedern.

Nun sollen im Rohbau Erst- und Uraufführungen stattfinden – den Anfang macht „Karnickel“, in dem Dirk Laucke genussvoll das linke Bildungsbürgertum auseinandernimmt – inszeniert von Pinar Karabulut, Matthias Köhler Charlotte Sprenger und Andrea Imler, den ehemaligen Regieassistenten und heutigen Jungregisseuren am Schauspiel Köln.

Gespielt werden soll jeweils donnerstags bis sonntags, gerne auch mit anschließenden Partys. Der Name der temporären Bühne zeugt von Galgenhumor: „Außenspielstätte am Offenbachplatz.“

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