Tv-GeschichteAlles so schön bunt hier

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Ingenieur Walter Bruch zeigt die Farbskala des PAL-Systems.

Ingenieur Walter Bruch zeigt die Farbskala des PAL-Systems.

Die bunte Revolution begann mit einem Fehlstart. Als der damalige Vizekanzler Willy Brandt am 25. August 1967 im Rahmen der Berliner Funkausstellung um 10.57 Uhr auf einen großen, roten Knopf drückte, um das Farbfernsehen in Deutschland symbolisch zu starten, war das Bild schon bunt. Ein Techniker hatte einen Hauch zu früh von Schwarz-Weiß auf Farbe umgestellt. Peinlich, aber kaum beachtet, denn die kleine Schummelei konnte in der Bundesrepublik kaum jemand nachvollziehen. Lediglich 6000 Farbfernseher waren 1967 in Deutschland registriert. Für die rund 14 Millionen anderen Rundfunkteilnehmer blieb Brandt auch nach Drücken des Knopfes so grau wie er es zuvor gewesen war. Sie konnten auch den französischen Film "Cartouche, der Bandit" mit Jean-Paul Belmondo und Claudia Cardenale, der wenige Stunden später von ARD und ZDF ausgestrahlt wurde, nicht in Farbe sehen. Und als Vico Torriani am selben Abend zum ersten Mal "Der Goldene Schuss" moderierte und seine Assistentinnen in goldenen Glitzerkleidern die Bühne der Berliner Deutschlandhalle betraten, blieb das den meisten Zuschauern ebenfalls verborgen.

Kein rascher Siegeszug

Und selbst wer einen Farbfernseher hatte, sah die meiste Zeit schwarz-weiß. Bis zum Jahresende 1967 zeigte etwa das ZDF nur 6195 Minuten in Farbe - dies war nur ein Zehntel des Gesamtprogramms. Im Jahr 1970 waren es dann schon 100 549 Minuten (55,1 Prozent).Auch die "Tagesschau" gab es erst ab 1970 in Farbe. Zu diesem Zeitpunkt hatten laut Bundeszentrale für politische Bildung immer noch erst rund acht Prozent der Deutschen einen Farbfernseher. Nicht nur die Zuschauer mussten viel Geld ausgeben, wenn sie bunte Bilder empfangen wollten. Auch für die Sender wurde es teuer. Die ARD investierte allein bis 1972 rund 160 Millionen Mark in die Umrüstung auf die neue Technik.

Am Tag der Umstellung war "Der Goldene Schuss" mit dem neuen Moderator Vico Torriani die erste Show, die im deutschen Fernsehen in Farbe gezeigt wurde.

Am Tag der Umstellung war "Der Goldene Schuss" mit dem neuen Moderator Vico Torriani die erste Show, die im deutschen Fernsehen in Farbe gezeigt wurde.

Es war also alles andere als ein rascher Siegeszug, den das Farbfernsehen in Deutschland antrat. Und dabei war die Bundesrepublik ohnehin schon spät dran. In den USA waren bereits Mitte der 50er Jahre die Bilder bunt geworden. Grundlage war dort die sogenannte NTSC-Farbcodierung, die allerdings Schwächen hatte. Die Farben unterlagen starken Schwankungen, außerdem waren die Bilder wenig kontrastreich.

Ende der 50er Jahre entwickelten Franzosen das verbesserte SECAM-System, das zwar die osteuropäischen Staaten - darunter die DDR - übernahmen, das sich aber in Westeuropa nicht durchsetzen konnte. Der deutsche Ingenieur Walter Bruch trieb schließlich bei Telefunken das Phase-Alternation-Line-System (PAL) voran, das dann 1967 in Deutschland eingeführt wurde.

Längst nicht alle in Deutschland standen der neuen Farbigkeit positiv gegenüber. So fragte sich "Der Spiegel", ob die neuen Bilder nun "Bereicherung oder Hemmnis für den Künstler, phantastisches Welt-Kaleidoskop oder kitschträchtiges Panoptikum" sei. Auch ZDF-Intendant Karl Holzhammer hatte anfangs erklärt, man wolle Farbbilder dort einsetzen, "wo es auf Schau und auf die Entfaltung barocker Pracht" ankomme.

Doch trotz Fernsehklassikern wie dem Ratespiel "Was bin ich?", der Show "Vergißmeinnicht" mit Peter Frankenfeld oder der ZDF-Sendung "Das aktuelle Sportstudio", die nach der Umstellung in Farbe zu sehen waren, waren es Sportereignisse, die der neuen Technik endgültig zum Durchbruch verhalfen.

Die Olympischen Sommerspiele 1972 in München und vor allem die Fußball-Weltmeisterschaft 1974 im eigenen Land, die Deutschland gewinnen konnte, brachten viele Zuschauer dazu, sich ein neues Gerät zu kaufen. Immerhin 47 Prozent der Selbstständigen hatten 1974 einen Farbfernseher, unter den Facharbeitern waren es 22 Prozent. Einen Anteil daran, dass die neuen Geräte erschwinglicher wurden, hatte das Versandhaus Neckermann. Die Industrie hatte sich ursprünglich auf eine Preisbindung von 2500 Mark geeinigt, Neckermann brach die Abmachung jedoch und bot Farbfernseher für 1840 Mark an.

Und wer ein neues Gerät hatte, konnte sich darauf einstellen, nicht allein davor zu sitzen. "Wer einen Farbfernseher hatte, lud seine Nachbarn zur Samstagabendshow ein", erinnert sich etwa Moderatorin Carolin Reiber. Die Zeiten sind vorbei. 2015 besaßen laut Landesmedienanstalten gut 97 Prozent der deutschen Haushalte einen Fernseher - ob darunter noch Schwarz-Weiß-Geräte sind, ist nicht bekannt.

In der DDR

In der DDR wurde das Farbfernsehen erst zwei Jahre nach dem Startschuss in West-Berlin eingeführt - natürlich nicht per PAL, sondern wie in der Sowjetunion mit dem SECAM-System. Der hohe Preis der Geräte und die in den südlichen DDR-Gebieten unzureichende Programmausstrahlung sorgte für einen Schwarzhandel mit PAL-Decodern. Erst Ende der 70er Jahre wurden auch in der DDR Geräte gebaut, die sowohl PAL als auch SECAM empfangen konnten.

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