WallrafMarisol Corboud fordert Stadt zum Handeln auf

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Gérard und Marisol Corboud

Köln – Mit Entsetzen reagiert die Kölner Politik auf die Nachricht, dass die Vergabekammer Rheinland den Investorenwettbewerb für den Erweiterungsbau des Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud  gestoppt hat. Die Kammer hatte dem Einspruch eines potenziellen Bieters stattgegeben, der sich auf die Trennung des 2013 abgeschlossenen Architektenwettbewerbs und des 2016 gestarteten Investorenwettbewerbs bezog. „Mit Schrecken habe ich das  in Ihrer Zeitung gelesen“, sagt SPD-Kultursprecher Klaus Schäfer. „Das ist ein Desaster“, meint CDU-Kultursprecher Ralph Elster. 

Marisol Corboud, die im Juli 2016  die Präsidentschaft der Fondation Corboud von ihrem Ehemann Gérard Corboud übernommen hat, ist von der Entscheidung der Vergabekammer nicht sonderlich überrascht worden, wie sie im Gespräch mit dieser Zeitung sagt. Allerdings drängt sie jetzt umso nachdrücklicher darauf, dass die Stadt  den Erweiterungsbau selbst in die Hand nehmen müsse: „Das sehe ich als Pflicht der Stadt an.“ Sie habe dazu mit Oberbürgermeisterin Henriette Reker schon „ein super Gespräch“ geführt.  Den Weg durch die Gerichte, um den Investorenwettbewerb  durchzusetzen,  lehnt sie ab: „Nein, das kommt für uns nicht in Frage, denn das dauert dann doch wieder viele Monate. Und das sehe ich nicht ein.“ Auch pocht sie darauf, dass am Siegerentwurf des Basler Architektenbüros Christ & Gantenbein  festgehalten werde.

Kulturdezernentin: „Es wird immer schwieriger, öffentlich zu bauen.“

Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach ist über den neuen Stand „nicht besonders erschüttert oder entmutigt“. Es zeige sich  erneut: „Es wird immer schwieriger, öffentlich zu bauen.“ Eine Kanzlei habe das Verfahren vorab geprüft, „denn wir sind hier nicht als Freischwimmer unterwegs.“ Die Entscheidung der Kammer soll innerhalb der nächsten vier Wochen überprüft werden „Es gibt viele schwierige Baustellen in Köln“, sagt sie, „da muss man mit Ruhe vorangehen.“

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Ralph Elster fordert hingegen  – auch aus Zeitgründen –, dass die Stadt umgehend das Bauprojekt übernimmt. Nicht vorstellbar sei, dass das Verfahren neu aufgerollt   und der Siegerentwurf des Architektenwettbewerbs verworfen werde. „Das würde erst recht neue Probleme mit sich bringen.“ Die finanzielle Herausforderung hält Elster für überschaubar. Laut derzeitiger Planung soll die Stadt  sowieso den Museumsbau, der nur ein Teil des zu bebauenden Komplexes ausmacht,  vom Investor zurückkaufen. Dafür sind rund 30 Millionen Euro veranschlagt. Die Kosten für die ebenfalls geplanten Wohnungen und Geschäftslokale könnten womöglich noch einmal 30 Millionen Euro kosten. Die Finanzierung sei bei einer langen Laufzeit und angesichts der Zinssituation  machbar. Allerdings empfiehlt er, mit der Umsetzung   einen Generalunternehmer zu beauftragen – „die Gebäudewirtschaft ist ja bereits mit der Archäologischen Zone überfordert“.

Die Trennung der beiden Wettbewerbe sei „überflüssig“ gewesen, meint Elster weiter. Wenn   die Vergabekammer nun auch noch zu dem Ergebnis komme, diese  sei nicht rechtens, dann deute das darauf hin, dass bei den Rechtsexperten der Stadt nicht einmal „die Basics“ bekannt seien. Das sei „kläglich“ und „ziemlich alarmierend“.

SPD, Linke und FDP für juristische Prüfung 

Klaus Schäfer setzt  darauf, dass die Stadt  nun erst einmal ihre Rechtsposition überprüft. „Wenn die Substanz es hergibt, dann bin ich dafür, dass man Einspruch beim Oberlandesgericht einlegt.“ Priorität habe für ihn, dass am Investorenmodell festgehalten werde. Notfalls müsse der Wettbewerb  neu ausgeschrieben werden. 

„Es ist jetzt das Schlimmste, was wir befürchtet haben, eingetreten“, sagt Brigitta von Bülow. Die kulturpolitische Sprecherin der Grünen begrüßt, dass Oberbürgermeisterin  Reker eine zügige Bau-Fortsetzung zugesagt habe. Dies ist von Bülow wichtiger, als auf einem langen Rechtsweg zu eruieren, ob das gewählte Verfahren nicht doch juristisch einwandfrei gewesen sei. FDP-Kulturpolitiker Ulrich Wackerhagen hält es hingegen für ratsam, beim Oberlandesgericht Einspruch zu erheben. Denn dann herrsche Rechtsklarheit. Gleichwohl hält er die Entwicklung für  „schrecklich“ und „skandalös“: „Beim Erweiterungsbau wird seit Jahren rumgeeiert – das ist deprimierend.“

 Gisela Stahlhofen, Kultursprecherin der Partei Die Linke, hält den juristischen Weg  sogar für unausweichlich. Die Stadt könne nicht einfach das Verfahren abbrechen. Als sie die Nachricht    am Freitagmorgen gelesen habe, sei ihr erster Gedanke gewesen: „Das darf doch nicht wahr sein!“ Sie sorgt sich, dass Stifter Gérard Corboud  sage: „Nun reicht es mir: Ich ziehe die Sammlung zurück. Dann sähen wir wirklich alt aus.“ 

Marisol Corboud stellt im Gespräch  weiter fest, dass sie jetzt nicht mit dem Abzug der Impressionismus-Sammlung drohe, für die der Erweiterungsbau auch gebaut werden soll. Allerdings sei die Lage „sehr ernst“. Sie werde nicht lockerlassen – „nicht wutschnaubend, aber ich werde messerscharf darauf achten, welche Schritte die Stadt jetzt unternimmt.“ 

 Beim Telefonat mit Marisol Corboud in der Schweiz ist Gérard Corboud im Raum anwesend.  Der 91-jährige Mäzen, der gerade eine Erkrankung auskuriert, hört das Gespräch mit. Als es dann noch um die  vielen Verzögerungen der Vergangenheit geht, ruft er  er aus dem Hintergrund ein kräftiges „Kölle alaaf!“ 

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