ModellbauSchiffsbau mit Säge, Pinzette und Föhn

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Annett Koch hat sich eine eigene kleine Werkstatt eingerichtet, in der sie ihre Schiffsmodelle baut. (Bilder: Christopher Arlinghaus)

Annett Koch hat sich eine eigene kleine Werkstatt eingerichtet, in der sie ihre Schiffsmodelle baut. (Bilder: Christopher Arlinghaus)

Odenthal – Es muss wohl die Umgebung sein, die Annett Koch „infiziert“ hat: Die 40 Jahre alte Verkäuferin wohnt in Odenthal-Stein, in Sichtweite der Steiner Mühle, der Dhünn und vor allem gleich gegenüber vom passionierten Heimatforscher und Modellbauer Günter Blömer. Dessen beeindruckende Modelle von historischen Mühlen und Gebäuden waren es allerdings nicht, die Koch zu ihren allerersten Modellbau-Versuchen bewogen. „Die Kinder haben damals Flugzeug- oder Schiffsmodelle zu Weihnachten geschenkt bekommen“, erinnert sich die Odenthalerin, „und wie das so ist, haben sie bald aufgegeben und die halbfertigen Modelle standen herum.“

Koch, die immer schon gern mit den Händen gearbeitet hat, ließ das keine Ruhe, sie machte sich selbst ans Werk und stellte die Plastikmodelle fertig. Die Hände in den Schoß legen, das ist Annett Kochs Sache nicht. Hat sie Feierabend und die Kinder sind mit Hausaufgaben beschäftigt, wird spielerisch-kreativ Entspannung gesucht. Stricken, Seidenmalerei, Puzzles gehörten bereits zu den Hobbys der 40-Jährigen, aber auch sonst packt sie gern zu: „Als ich noch bei meinen Eltern lebte, habe ich gern gemauert, und Malern und Tapezieren kann ich auch ganz gut.“

Der Modellbau aber hat die junge Frau so sehr begeistert, dass sie sich eine eigene kleine Werkstatt in einem Schuppen eingerichtet hat – längst ist sie von den schlichten Plastik-Modellen zu aufwendigen und komplizierten aus Holz übergegangen. „Manchmal ist es einfach schön, allein zu sein, einmal Ruhe zu haben“, beschreibt Koch. „Da frickele ich so mit der Pinzette vor mich hin, und auch wenn ich manches Mal das Ganze in die Ecke werfen möchte – es reizt mich dann doch wieder zum Weitermachen.“ Dass sie für die ersten Schritte im Modellbau Segelschiffe auswählte, ist mitnichten Zufall: „Ich komme von Rügen“, sagt Koch schmunzelnd, „da ist man ja einfach wasserbezogen.“ Ihr erstes Holz-Schiffmodell, die „Adler von Lübeck“ , hat sie fast ein ganzes Jahr Arbeit gekostet. Denn bei den anspruchsvolleren Modellbausätzen ist weit mehr als ein wenig Leim nötig, um das Modell originalgetreu zusammenzubauen: Viele Bullaugen und Schießscharten müssen von Hand ausgesägt werden, die Beplankung wird zwar im Modellbau-Paket geliefert, muss aber mit dem Föhn und behutsamer Handarbeit passend gebogen werden, und auch die „Jungfern“ musste Modellbauerin Koch selbst anbringen. Als „Jungfern“ werden im traditionellen Segelschiffbau Holzscheiben bezeichnet, mit denen Wanten und Stage festgesetzt wurden – und von denen gab es auf Windjammern reichlich. Für Koch bedeutete das, winzige Kordeln durch die Holzscheiben zu fädeln, damit die wie ein Flaschenzug funktionierende Konstruktion originalgetreu aussah. „Zu Weihnachten habe ich dann endlich die richtige Bohrmaschine bekommen“, schildert die Odenthalerin, die inzwischen mit der „Victory“, einem 100-Kanonen-Schiff, fast fertig ist. Nebenbei bildet sich Annett Koch mit dem Modellbau auch noch ein wenig fort, denn natürlich liest sie auch die Geschichte ihrer Modellschiffe. Ihre Leidenschaft für die hölzernen Schönheiten ist allerdings nicht ganz billig, so etwa 600 Euro habe sie inzwischen in ihr Hobby gesteckt, sagt die zweifache Mutter. Doch das Werkeln mit Hunderten winziger Einzelteile macht ihr so viel Spaß, dass sie sich bald an ihr nächstes Projekt wagen will: „Die hohe Schule ist natürlich das ganz frei gearbeitete Modell“, so Koch, „und Günter Blömer hat mich ermutigt, damit anzufangen. Er glaubt, dass ich so weit bin.“ Die Familie werde, so Koch, noch Urlaub auf Rügen machen, dort will sich die Nachwuchs-Modellbauerin Anregungen holen, um ein eigenes Modell zu entwickeln. Ihre Geschicklichkeit hat sie ja mit den fertigen Modellen schon erprobt: „Für die Beplankung habe ich fast ein halbes Jahr gebraucht, selbst die Nähte in den Segeln habe ich von Hand gemacht. Das ist ja auch ein Reiz beim Modellbau: Auch wenn einiges vorgegeben ist, man muss schon selbst denken.“ Ihr Ansprechpartner, wenn es einmal nicht so vorwärts geht, ist ja auch gleich gegenüber und kann sie beraten. Eines ihrer Schiffe war auch schon in Blömers Ausstellung beim Mühlentag 2011 zu sehen. Verkaufen allerdings will Annett Koch ihre aufwändig gearbeiteten Schiffe nicht: „Auf keinen Fall, wenn jemand ein so schönes Schiffsmodell haben möchte, soll er das schön selbst erarbeiten.“

Bis zum Frühjahr wird Koch noch einige Freizeit in ihr Hobby stecken können, doch sobald die Tage länger werden, wird ihre Fingerfertigkeit anderswo gebraucht: Die 40-Jährige ist auch leidenschaftliche Gärtnerin und hat in der warmen Jahreszeit in ihrem Nutz- und Ziergarten alle Hände voll zu tun.

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