Morddrohung vom „Paten“?

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„Bei Gott“, es sei kein Scherz, sagt Necati Arabaci. „Wenn ich rauskomme, werde ich ein paar Leute Dings machen.“ Der Kölner Rotlichtpate, der im Herbst 2004 unter anderem wegen Menschenhandels und Zuhälterei zu neun Jahren Haft verurteilt wurde, redet sich in Rage. Bekannten, die ihn im Gefängnis besuchen, versichert er immer wieder, dass er sich für die Verurteilung rächen werde. Er ahnt nicht, dass die Gespräche im Besuchsraum der Justizvollzugsanstalt Wuppertal von der Polizei abgehört und aufgezeichnet werden.

„Ich bin sehr nachtragend, ich schwöre, ich hab' mir Liste gemacht“, sagt Arabaci. Auf den Kölner Oberstaatsanwalt Jürgen Botzem, der die Ermittlungen gegen ihn leitete, habe er einen besonderen Hass. Aber auch die Kripo-Beamten, die ihn enttarnten, habe er auf der Liste: „Ich weiß ein paar Namen, ich schwöre dir, ich werde die mein Leben lang nicht vergessen. Diese Ratten.“ Mit Konkurrenten aus dem kriminellen Milieu werde er kurzen Prozess machen: „Ich werde alle wegmachen, die mir Stress machen. Ich schwöre es.“ Einem seiner Kritiker werde „gegebenenfalls“ in den Kopf geschossen.

Weil die abgehörten Gespräche den Schluss zuließen, dass er „bestimmte Personen“ mit eigenen Händen oder durch Auftragskiller töten wolle, hat die Staatsanwaltschaft Köln eine so genannte „Sicherungsverwahrung“ beantragt. Der Prozess am Landgericht Köln, in dem über den Antrag entschieden wird, beginnt kommenden Montag. Kommt es zu einer Verurteilung, hätte dies weit reichende Folgen. Im Extremfall könnte das lebenslange Haft für Arabaci bedeuten, da eine Freilassung nicht mehr automatisch nach neun Jahren, sondern erst mit Zustimmung eines Psychologen und einer erneuten richterlichen Überprüfung möglich wäre.

Dazu werde es jedoch nicht kommen, glaubt Steffen Ufer, einer der Anwälte von Arabaci. Der Prozess sei eine „überflüssige Veranstaltung, die durch nichts gerechtfertigt ist“. In den abgehörten Gesprächen habe sein Mandant nur angeben wollen. „Das war reines Renommierverhalten gegenüber Ex-Kumpanen, fern von strafrechtlicher Relevanz“, meint auch Mitverteidiger Ingo Thie´e.

Arabaci soll im Gefängnis nicht nur Morddrohungen ausgesprochen haben. Auch sein kriminelles Reich hat der Türke nach den Ergebnissen der Ermittlungen weitergeführt. An den Einnahmen aus Bordellen in Elsdorf, Leverkusen und Augsburg sei er weiterhin beteiligt gewesen, und er habe seinen „Untergebenen“ unter anderem konkrete Anweisungen zum Umgang mit Konkurrenten gegeben. Für die Kölner TableDance-Bar „Stardust“ habe er Lokalverbote ausgesprochen.

Die Fahnder gehen davon aus, dass Arabaci nach seiner Haftentlassung ins europäische Ausland abtauchen will. Von dort wolle er seinen „bestimmenden Einfluss“ auf das Kölner und überörtliche Rotlicht- und Türstehermilieu weiterhin ausüben und seine kriminellen Machenschaften „in gewohntem Umfang“ fortsetzen.

Dieser „Umfang“ ist erheblich. Die Verbrecher-Karriere des heute 33-Jährigen sei durch außergewöhnliche Brutalität gekennzeichnet, berichten Szenekenner. Mitte der 90er Jahre beherrschten türkische und arabische Gruppierungen das Kölner Rotlichtmilieu. Brutale Revierkämpfe, Schießereien, Schutzgelderpressungen und Menschenhandel gehörten zum Repertoire der Gangster. Der mehrfach vorbestrafte Arabaci, der sich zwischenzeitlich als Gemüsehändler tarnte, soll im Laufe der Zeit zum Boss der Bosse aufgestiegen sein. Im Jahr 2002 wurde er verhaftet, zwei Jahre später zu neun Jahren Gefängnis verurteilt.

Der Kölner Chefankläger Botzem ging zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr ohne Bodyguards vor die Tür. Im Sommer 2003 hatte ein V-Mann der Polizei von einem Mordkomplott gegen den Staatsanwalt berichtet. Anhänger von Arabaci hätten einen „Erol“ aus Duisburg beauftragt, den hartnäckigen Ermittler umzubringen. Botzem wurde als besonders gefährdet eingestuft. Er erhielt Personenschützer, sein Haus wurde mit Panzerglas zur Festung ausgebaut. Die Suche nach dem angeblichen Auftragskiller namens „Erol“ blieb zwar erfolglos, doch für Botzem gilt heute immer noch „Sicherheitsstufe 1“.

Anfangs soll er sein Leben im Ausnahmezustand, in dem er sogar zum Ausführen seines Hundes Begleitschutz bekommt, spöttisch als „Theater“ abgetan haben. Bald schon aber erlebten ihn Kollegen als müde und deprimiert. Nach internen Streitigkeiten wollte ihn der Behördenleiter zudem versetzen. Seit Oktober 2004 ist Botzem wegen psychischer Probleme dienstuntauglich geschrieben. „Das ist kein Leben mehr, das ist die Hölle, ein Gefängnis“, wurde er kürzlich zitiert.

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