Musik erklingt für die Ewigkeit

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"So und nicht anders" nennt Dagmar Ferle diese Porträt-Zeichnung von Günter Wand.

"So und nicht anders" nennt Dagmar Ferle diese Porträt-Zeichnung von Günter Wand.

30 Jahre lang prägte Günter Wand das Musikleben Kölns.

Nicht Günter Wand allein dürfte den 7. Januar, an dem er sein 90. Lebensjahr vollendet, heiterer geplant haben. Denn nach einem Sturz in seinem Schweizer Domizil kurz vor Jahreswechsel musste er sich nicht nur mit gebrochenem Arm und schmerzhaften Prellungen plagen. Schlimmer noch für ihn, dass er die geplanten Jubiläumskonzerte am Jahresanfang absagen musste. Doch hoffen und wünschen ihm seine Verehrer, dass er wenigstens im März wieder die geplante Weiterführung des Bruckner-Zyklus mit der „Sechsten“ bei den Berliner Philharmonikern fortsetzen kann.

Seit 1996 gehört das Orchester neben dem Sinfonieorchester des NDR, dessen Chef er von 1982 bis 1991 war, zu den von ihm bevorzugten Klangkörpern. Sie sind es, die seine Werkvorstellungen am perfektesten realisieren und auf seine Intentionen derart eingeschworen sind, dass Wand mit ihnen wagen kann, die vielen CD-Veröffentlichungen der letzten Jahre nicht als Studio-Ergebnisse, sondern durchweg als Live-Mitschnitte publizieren zu lassen.

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Nachdem Wand seit Kriegsende für rund dreißig Jahre das musikalische Gesicht und Gewicht Kölns mit dem Gürzenichorchester geprägt hat, das ihm über seine Amtszeit hinaus so viel Dank schuldet, dem aber auch er manchen künstlerischen Impuls verdankt, begann für ihn eine neue Karriere. Die währt inzwischen beinahe so lange wie seine Kölner Tätigkeit. Neben zahlreichen Dirigaten im europäischen und außereuropäischen Ausland konzentrierte sich Wand zunehmend darauf, die Komponisten, die ihm besonders am Herzen liegen, auf Schallplatte einzuspielen.

Unter dem Eindruck der imposanten Zyklen der neun Bruckner- und aller Schubert-Sinfonien mit dem Sinfonie-Orchester des WDR zwischen 1974 und 81, die bis heute im Handel greifbar sind, hat man inzwischen oft vergessen, dass der einstige Gürzenichkapellmeister mit seinem Orchester schon seit den fünfziger Jahren ein „alter Hase“ im Plattengeschäft war. Vor allem auch für die Komponisten des 20. Jahrhunderts hat er sich im Konzertsaal wie auf den Tonträgern vehement eingesetzt. Glücklich, wer heute noch von diesen Schätzen den einen oder anderen besitzt.

Die gegenwärtigen Aktivitäten in puncto Bruckner in Hamburg und Berlin wurden und werden jedoch von Wand bis in die jüngsten Tage hinein flankiert von Ausflügen zu Brahms, Beethoven, Schubert, aber auch zu Debussy, Mussorgsky oder, wie unlängst, zu Mozart. Dessen „Posthorn-Serenade“, gekoppelt mit Beethovens Sinfonie Nr. 4 (RCA 74321 89717), wird mit eminenter Gelenkigkeit und kammermusikalischem Charme von den Hamburger Musikern zelebriert. Ebenso wird die neue „Achte“ von Bruckner (RCA 74321 82866 2) von den Berlinern aus Wands tief lotender Versenkung in die Partitur des Originals der Haas-Edition mit innerer Ruhe und zugleich aufregend gespannter Bewegung in die Sphären harmonischer Klarheit gerückt. Angesichts dieser Einspielung verstiegen sich Rezensenten zu verständlichen verbalen Verzückungen mit dem Tenor „Bruckner für die Ewigkeit“.

Dürften wir mit dem Glückwunsch einen eigensüchtigen Wunsch verbinden, so wäre es der, dass uns die in Wands Bruckner-Repertoire fehlende „Ouvertüre“ nebst den zwei frühen Sinfonien f-Moll und die „Nullte“, d-Moll, beschert werden. Letztere zumindest hätte fraglos eine exemplarische Dokumentation durch einen Dirigenten seines Rangs verdient.

Wenn Wand seinen Geburtstag absolviert hat und, wieder genesen, vor seinen Orchestern steht, hat er unter den großen Dirigenten nicht nur der Gegenwart einen bewundernswerten Rekord erreicht. Toscanini legte mit 87 den Taktstock nieder, Sir Adrian Boult beendete 90-jährig im Jahre 1979 die Laufbahn als Orchesterchef. Soweit erinnerlich, war es nur Leopold Stokowski, der noch im zehnten Dezennium seines Lebens Partituren zum klingenden Leben erweckte. Dass Wand seine noch gar nicht zur Ruhe neigende musikalische Vitalität und die Gabe behält, seine Musiker nicht nur auf höchstem technischem Stand zu halten, sondern auch weiterhin zu emotionalem Engagement zu „verführen“, das ist gewiss ein Wunsch, dem sich nicht nur die alten Konzertbesucher aus Köln anschließen dürften.

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