Autistische Kinder misshandeltExperte belastet Hildener Erzieher schwer

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Am Donnerstag beginnt in Düsseldorf der Prozess um den Misshandlungsskandal bei der evangelischen Jugendhilfe Educon.

Düsseldorf/Hilden – Sein Auftritt wurde mit großer Spannung erwartet: Fritz Jansen, 64, Verhaltenstherapeut und Erfinder der Intra-Act-Methode, hat am Montag vor dem Düsseldorfer Landgericht als Zeuge ausgesagt. Was er darlegte, kontrastiert in bemerkenswerte Weise mit dem, was bisher im Misshandlungsprozess gegen fünf Hildener Erzieher zu Protokoll gegeben wurde. „Ich habe derartige Methoden in meinem ganzen Leben noch nicht angewendet. Das wäre ein absolutes No-Go“, wiederholte der kleine, rundliche Mann mit dem freundlichen Gesicht mehrere Male. Was in dem Hildener Heim unter dem Titel „Intra Act“ passiert sei, habe „sadistische Züge“ gehabt, man müsse von Misshandlungen sprechen.

Die Leiterin eines Pädagogenteams und ihre vier Kollegen sind angeklagt, in einem Heim der Diakonie in Hilden autistische Kinder im Alter von 9 bis 15 Jahren misshandelt zu haben. Die Hauptangeklagte Mittvierzigerin und eine weitere Erzieherin haben umfänglich ausgesagt und ein Geständnis abgelegt. Die Gruppenleiterin hatte stets den Eindruck erweckt, sie habe in stetigem Beratungskontakt mit dem Psychologen Jansen und seinem Institut gestanden – quasi also mit seiner Billigung gehandelt. Dazu der Experte auf eindringliche Befragung der Richterin: „Definitiv nicht.“

Erschütternde Videos

Zwar hätten Michaela Z. und ihr Mann an mehreren Seminaren teilgenommen und er habe in der Tat „im Vorbeigehen“ auf einer Solinger Tagung (mit 250 Teilnehmern) kurz mit Michaela Z. über das Projekt gesprochen, autistische Kinder nach der Intra-Act-Methode zu behandeln. Von einer engmaschigen Betreuung des Erzieherteams der Gruppe „Lernfester“ könne aber keine Rede sein; allenfalls habe er mal einen Flyer zugesteckt bekommen. Und jene erschütternden Videos von schikanierten und gequälten Kindern, wie sie im Prozess bereits gezeigt wurden, hätten die Angeklagten in seinen Seminaren nicht vorgelegt. Vom Ausmaß der Fehlentwicklungen habe er erst erfahren, als Kollegen von Michaela Z. ein Seminar bei ihm besuchten. „Die haben mir gesagt, dass diese Methoden in ihrer Einrichtung völlig anders verstanden und angewendet würden.“ Wie „anders“ und in welchem Ausmaß, das habe „er zunächst gar nicht glauben können“.

Es gehört zur Ausbildungsmethode Jansens, dass möglichst viele Situationen des täglichen Lebens und die Therapieversuche gefilmt werden; deswegen sind die Beweise für die körperlichen und seelischen Misshandlungen so zahlreich. Die Erzieherin hat zugegeben, autistische Kinder mit Wasserspritzen traktiert zu haben. Dazu Jansen: „Das ist bei mir nicht vorgesehen.“ Das Drücken von Notfallpunkten im Gesicht zur Entspannung? „Noch nie davon gehört.“

Und die Teppichrunde? Kinder unverhofft anrempeln und sie immer wieder umstoßen, damit sie lernen, dass man das bei anderen nicht tut? „Das ist keine wohlwollende Herangehensweise, das ist Misshandlung“. Überhaupt, so gab der Zeuge zu Protokoll, haben ihn die „Kälte und die Beziehungslosigkeit“ der Akteure erschreckt.

Zur Hauptangeklagten geht er auf Distanz. „Diese Frau hat völlige Klarheit darüber, was sie getan hat. Mir hat sie in unserem letzten Telefongespräch gesagt, es sei alles ganz anders gewesen. Ich weiß definitiv, dass sie lügt.“

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