FälschungMinister warnt vor erfundenem Brief zu Flüchtlingskriminalität

Lesezeit 4 Minuten
Reul (1)

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU)

Düsseldorf – NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) wehrt sich gegen ein gefälschtes Schriftstück, das seit Dienstag im Internet kursiert und angebliche, neue Regeln zum polizeilichen Umgang mit Ausländerkriminalität enthalten soll.

In dem vermeintlichen Brief soll der Minister die Kölner Polizei angewiesen haben, Straftaten von Flüchtlingen und Menschen ausländischer Herkunft zu vertuschen. Eine Unterschrift Reuls, Siegel und Briefkopf des Ministeriums sollten das Schreiben echt wirken lassen. Zahlreiche Nutzer sozialer Netzwerke, darunter mehrere AfD-Politiker und die Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach teilten den Schrieb. Das Ministerium stellte noch am späten Dienstagabend klar, das angebliche Schriftstück sei eine „dreiste Fälschung“.

Vorgeblicher Polizist veröffentliche Schriftstück im Internet

In dem Schreiben, das auf den 13. Juli datiert ist, heißt es, dass bei Straftaten am Tatort möglichst schnell ermittelt werden solle, „ob das Delikt ethnopolitisch motiviert“ sei. Wenn die Tat offensichtlich von „Flüchtlingen, Asylbewerbern oder einer Person mit Migrationshintergrund“ begangen worden sei, solle zum Beispiel keine Anzeige erstattet sondern lediglich ein Verweis ausgesprochen werden, diesbezügliche Anzeigen überdies nicht registriert werden.

Alles zum Thema Herbert Reul

Polizisten würden in diesen Fällen angewiesen, Festnahmeprotokolle mit dem Bleistift auszufüllen, um nachträgliche Berichtigungen zu ermöglichen. Außerdem sollen bei einer von Flüchtlingen begangenen Straftat „jegliche Kontakte mit den Massenmedien ausgeschlossen werden“, heißt es in dem Schriftstück. Die Verordnungen seien bis 31. Oktober dieses Jahres gültig.

Der dreiseitige angebliche Ministererlass waren am Dienstag auf der Internetplattform homment.com erschienen. In Verbindung mit dem Papier hat sich ein bisher unbekannter Nutzer der Seite als Polizist ausgegeben und erklärt, dass er „durch einen glücklichen Zufall“ an den Brief gekommen sei. Der Befehl sei ihm und seinen Kollegen aber auch mündlich erteilt worden. Auch andere Abteilungen hätten diese Anordnung erhalten – nicht nur in Nordrhein-Westfalen. Beamten, die die Anweisungen nicht befolgten, sei mit Rügen, Verwarnungen oder sogar der Dienstentlassung gedroht worden, schreibt der angebliche Polizist weiter.

Begriffe, die nicht zum Jargon gehören

Ein Sprecher des Innenministeriums sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, der Brief habe täuschend echt ausgesehen und sei so für den Laien nicht als Fälschung erkennbar gewesen. Kennern des Themas, sagt der Ministeriumssprecher, hätte aber auffallen können, dass Begriffe wie „Kriminalverbrechen“ oder „Polizeidelikt“, die in dem Brief vorkommen, nicht zum Jargon gehörten. Nutzern sozialer Medien schien der Brief jedoch so glaubhaft zu sein, dass sie den Link vielfach teilten. Die rechtskonservative, nach ihrem Austritt aus der CDU fraktionslose, Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach kommentierte dazu: „Sollte das zutreffen, wäre es ein Verbrechen am Rechtsstaat“. Allerdings löschte sie ihre Posts auf Facebook und Twitter wieder, nachdem das Ministerium vor der Fälschung gewarnt hatte. Auch wenn das Schreiben ein Fake gewesen sei, sei das Thema „einfach tägliche Praxis“.

Der Betreiber der Internetseite, der ehemalige Fernsehmoderator Michael Mross, ist als Verschwörungstheoretiker bekannt. Hier kann jeder Besucher anonym Inhalte veröffentlichen. Entsprechend schwierig gestalten sich die Ermittlungen, die der polizeiliche Staatsschutz des Polizeipräsidiums Düsseldorf wegen des offensichtlich politischen Hintergrundes am Mittwoch eingeleitet hat. „Wir ermitteln wegen des Anfangsverdachts der Urkundenfälschung“, sagte eine Polizeisprecherin. Unterstützt werde man von IT- und Cybercrime-Spezialisten des LKA. Hinweise auf mögliche Täter habe man noch nicht, so die Sprecherin am Mittwochnachmittag.

Öffentlichkeit direkt informiert

Der Ministeriumssprecher sagte, man habe die Nachrichten bei Twitter am Dienstagabend verfolgt und sei so auf das angebliche Dokument gestoßen. Daher habe man die Öffentlichkeit direkt informieren können, dass dies „frei erfunden“ sei und jeglicher Grundlage entbehre. „Diese perfide Fälschung führt uns erneut vor Augen, wie dreist geistige Brandstifter Stimmung gegen Ausländer machen. Ich kann die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen nur bitten, auf derartige Propaganda nicht hereinzufallen und bei angeblichen Nachrichten in sozialen Netzwerken kritisch zu sein“, lässt sich der Minister zitieren. Der Vorwurf einer systematischen Vertuschung von Straftaten, die von Ausländern begangen werden, ist nicht neu. Nach den massenhaften sexuellen Übergriffen der Kölner Silvesternacht 2015/2016 war Polizei und Landesregierung beschuldigt worden, die arabische Herkunft der Täter bewusst zu verschweigen.

KStA abonnieren