Fall AmriMinister der Grünen erhielten Tischvorlage zur Personalie Kretschmer

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Regierungsgutachter Bernhard Kretschmer war während des Verfahrens im Gespräch mit der Uni Bielefeld.

Regierungsgutachter Bernhard Kretschmer war während des Verfahrens im Gespräch mit der Uni Bielefeld.

Düsseldorf – Die Empörung des Fraktionschefs der Grünen war groß. Man habe erst aus der Presse davon erfahren, dass der Rechtsprofessor Bernhard Kretschmer Regierungsgutachter im Fall Amri werden soll, wetterte Mehrdad Mostofizadeh in Richtung SPD.

Auch von einer Berufung in den Landesdienst habe man nichts gewusst. Jetzt erfuhr der „Kölner Stadt-Anzeiger“: Diese Behauptungen stimmen so nicht. Tatsächlich wurden die Grünen im Kabinett über die Personalie informiert.

Damit ist nun auch die Forderung nach einem Gutachten vom Tisch. „Die entstandenen Irritationen über den Gutachter sind ausgeräumt, das haben wir im Plenum deutlich gemacht“, hieß es bei den Grünen. Der Fall Amri müsse rückhaltlos und ohne politische Scharmützel aufgeklärt werden.

Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ erfuhr, wurden die Minister der Grünen, ebenso wie alle andere Kabinettsmitglieder, am 24. Januar informiert. Für die Kabinettssitzung wurde ein Lebenslauf von Kretschmer mitgeschickt, in dem wörtlich vermerkt war: „Ruf auf eine W3-Professur für Strafrecht, Strafprozessrecht und interdisziplinäre Rechtsforschung an der Universität Bielefeld, Dezember 2016.“

Die Sitzung leitete ausgerechnet Grünen-Frontfrau Sylvia Löhrmann (60), weil Hannelore Kraft (SPD) in Berlin weilte. Als Kraft im Landtag die Personalien verkündete und dabei Kretschmer eine große Unabhängigkeit zuschrieb, ließ sie die Information gegenüber der Öffentlichkeit zwar weg, aber zumindest der SPD-Koalitionspartner hätte wissen können, dass eine NRW-Uni und Kretschmer im Gespräch waren.

Nachdem Medien den Sachverhalt enthüllten und Kretschmer tatsächlich eine Ausarbeitung vorstellte, die die Verteidigungslinie von Kraft und Innenminister Ralf Jäger weitgehend stützte, entschieden sich die Grünen für eine Attacke auf Krafts Staatskanzlei.

Doch in den vergangenen Wochen ruderte die Öko-Partei zurück, beließ es bei der Forderung nach einer neuen, unabhängigen Analyse des Versagens im Fall Amri. In SPD-Kreisen wird gemutmaßt, dass den Grünen die Peinlichkeit inzwischen aufgefallen sei und man daher lieber die Finger stillhalte.

Bei den Grünen hieß es, man habe auf eine unangreifbare Vergabe des Gutachtens gedrungen. Ein Sprecher sagte: „Das wurde uns zugesichert, darin war man sich in der Koalition einig. Von Verhandlungen mit der Universität Bielefeld war nicht die Rede. Bei der Beschlussfassung über die Begutachtung gab es keine Hinweise auf diese Veränderung bei der Auswahl des Gutachters. Das ist sonst geübte Praxis.“

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