KriminalitätJustiz hat Neonazis und Clans im Visier

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Neonazis in Dortmund

Neonazis in Dortmund

Düsseldorf – Zur Verkündung seines Programms „Neue Formen der Kriminalitätsbekämpfung“ hatte NRW-Justizminister Thomas Kutschaty einen kleinen Gimmick vorbereitet. Auf den Tischen des Konferenzraums im elften Stock der Düsseldorfer Staatskanzlei lagen kleine Notizbücher mit einem hellblauen Einband aus benutzter Knastbettwäsche. „Altmatraz“ steht in großen schwarzen Buchstaben auf dem Umschlag in Anlehnung an den berühmten US-Knast Alcatraz. „Ein Wortspiel“, scherzt der SPD-Politiker. „Da kann man mal sehen, was für kreative Köpfe bei uns arbeiten.“

Nach den Worten des Ministers hat nicht nur die Abteilung Marketing Ideenreichtum bewiesen, auch Staatsanwaltschaften und Gerichte hätten „mit großer Kreativität eigene Maßnahmen und Konzepte erarbeitet, um neuen Kriminalitätsschwerpunkten entschieden entgegenzutreten“. Allein in diesem Jahr seien in der Justiz 300 neue Stellen geschaffen worden: 100 Richter, 100 Staatsanwälte und 100 Wachleute und Rechtspfleger. Im nächsten Jahr sollen 100 weitere Stellen dazukommen. Sie seien nicht nach dem „Gießkannenprinzip“, sondern nach vier zentralen Handlungsfeldern auf die Behörden in NRW verteilt worden, erklärt Kutschaty: Kriminalität in Großstädten, Verbrechen reisender Straftäter, Aufbrechen von Clan-Strukturen und Gefährdung des Rechtsstaats durch Radikalisierung der Massen, insbesondere durch fremdenfeindliche Hetze im Internet. Die Schwerpunkte im einzelnen:

Wohnungseinbrüche, Taschendiebstähle und Straßenkriminalität: Die Zahl der Wohnungseinbrüche in NRW ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, allein von 2014 auf 2015 um 18 Prozent auf über 62 000 Fälle. Nur jeder siebte Fall wird aufgeklärt. Sonderdezernate in Aachen, Arnsberg, Bielefeld, Bochum, Bonn, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Essen, Hagen, Kleve und Köln sollen künftig für eine bessere Aufklärungsquote sorgen. Ähnlich soll es bei Taschendiebstählen und Straßenkriminalität laufen.

Beschleunigte Verfahren: Täter, die keinen festen Wohnsitz haben und auf frischer Tat ertappt werden, sollen innerhalb von einer Woche verurteilt werden. Getestet wurde das Modell bereits in Köln und Düsseldorf. Allein in Köln seien 2015 rund 1000 Schnellverfahren zum Abschluss gekommen. In Zukunft soll diese Variante auf neun weitere Städte ausgeweitet werden, unter anderem Bonn.

Intensivtäter: Um sie besser in den Griff zu bekommen, setzt die Justiz auf spezialisierte Ansprechpartner bei Staatsanwaltschaft und sozialen Diensten, die die Sanktionen und die Einhaltung von Bewährungsauflagen überwachen.

Clan-Strukturen: Die Fehden zwischen Großfamilien haben zuletzt immer wieder die Debatte um „No-go-Areas“ angeheizt. Um die kriminellen Clans in Bielefeld, Duisburg, Essen und Münster sollen sich ebenfalls gesonderte Dezernate kümmern.

Hasskriminalität: Fremdenfeindliche Hetze im Internet wird immer mehr zum Problem. Die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung hat sich in einem Jahr von 54 (2014) auf 207 (2015) vervierfacht. Aufklären soll die Fälle die im Juli eingerichteten Zentralstelle gegen Cyberkriminalität in Köln.

Der Opposition in Düsseldorf gehen die Maßnahmen nicht weit genug. Beschleunigte Verfahren etwa seien nicht nur in ausgesuchten Städten notwendig, „sondern überall im Land“, betont FDP-Innenexperte Marc Lürbke in einem Gespräch .

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