MillionenDeutsche Bahn lässt ihre Bahnhöfe mit Geld der Verkehrsverbünde renovieren

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Der Bahnhof von Brilon Wald wird saniert und einen neuen Mittelbahnsteig bekommen.

Der Bahnhof von Brilon Wald wird saniert und einen neuen Mittelbahnsteig bekommen.

  • 35 Bahnhöfe in NRW sollen für 161,8 Millionen Euro modernisiert werden.
  • Die Deutsche Bahn zahlt allerdings nur 75,2 Millionen Euro, obwohl ihr die Immobilien gehören.

Düsseldorf – 161,8 Millionen Euro sind eine Menge Geld. In NRW werden damit in den kommenden Jahren 35 Bahnhöfe modernisiert.

Die Deutsche Bahn zahlt allerdings nur  75,2 Millionen Euro, obwohl ihr die Immobilien gehören. 86,6 Millionen übernehmen der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) und der Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) aus eigenen Mitteln. Weil sich der Nahverkehr Rheinland (NVR) als dritter großer Verkehrsverbund des Landes aus Geldmangel nicht beteiligen kann, geht das Rheinland leer aus.

Das hat absurde Folgen, wie zwei Beispiele zeigen: In Köln-Mülheim mit 379 Zügen und 8200 Pendlern an jedem Werktag wird es auf absehbare  Zeit weder niveaugleiche Bahnsteige noch Aufzüge oder Rolltreppen geben.  Brilon Wald  (69 Züge und 1300 Pendler am Tag) wird in Kürze mit neuen Mittelbahnsteigen ausgerüstet.

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Warum bezahlt die Bahn die  Modernisierung ihrer Stationen nicht  komplett aus eigener Tasche?

Die Bahn ist seit der Bahnreform 1994 in NRW lediglich für die Instandhaltung der Bahnhöfe zuständig ist. Will heißen: Ist ein Bahnsteig-Fundament kaputt, bezahlt sie die Reparatur. Alles, was darüber hinausgeht, also zum Beispiel  das Anheben der Bahnsteige auf 76 Zentimeter,  Aufzüge  oder neue Bahnsteigdächer sind Extras. Wenn das Land und die Verkehrsverbünde das wünschen, müssen sie das extra bezahlen.

Warum hat der Nahverkehr Rheinland kein Geld mehr? Haben der VRR und der NWL  besser gewirtschaftet?

Zumindest behaupten sie das. Der VRR hat 49,6 Millionen Euro auf dem Sparbuch, der NWL 36 Millionen. Beide sagen, sie hätten bei den Ausschreibungen ihrer Nahverkehrslinien mit den Eisenbahn-Verkehrsunternehmen so gut verhandelt, dass sie die Überschüsse in die Stationen stecken können.

Dürfen die das überhaupt?

Ja. Zwar müssen die Verkehrsverbünde in erster Linie ausreichend Züge für den Regionalverkehr bestellen und bezahlen. Was übrig bleibt, darf auch in die Infrastruktur investiert werden.

Warum hat der Nahverkehr Rheinland kein Geld übrig?

Der NVR  hat seine Investitionsmittel alle verbraucht, weil die Nachfrage nach Zügen im Ballungsgebiet Köln besonders hoch ist. Allein bei der S-Bahn Köln steigen die Fahrgastzahlen jährlich um fünf Prozent. Dennoch bekommt der NVR nur 44,80 Euro pro Einwohner und Jahr pauschal an Zuschuss, beim VRR sind 57, beim NWL 54 Euro.

Woran liegt das?

Das ist vor Jahren nach einem Gutachten so festgelegt worden. Weil die Gebiete größer sind und dort mehr Menschen leben. Aber die Züge sind im Rheinland  voller.

Muss das Geld anders verteilt werden?

Ja. Aber das findet natürlich nur der NVR. Die anderen Verbünde nicht. Sie müssten etwas  abgeben.

Warum fließen die Überschüsse aus Westfalen und dem Ruhrgebiet nicht zurück ins Verkehrsministerium und werden dort investiert, wo  es besonders nötig ist?

„Wir kümmern uns um die westfälischen Bahnhöfe, die Rheinländer müssen sich um die rheinischen kümmern“, sagt NWL-Sprecher Uli Beele. Wenn es um Geld geht, dürfe man den „Gestaltungswillen der Kommunalpolitiker“ nicht unterschätzen. Will heißen: Jeder ist sich selbst der Nächste. „Welche Bahnhöfe in das Programm kommen, entscheiden allein die Geldgeber“, sagt VRR-Sprecherin Sabine Tkatzik. „Also in diesem Fall die Bahn und wir.“

Muss das sein?

Nein.  „Man hätte die  Überschüsse der Verkehrsverbünde natürlich auch an das Land zurückgeben und von dort neu verteilen können“, sagt die VRR-Sprecherin. „Das ist Sache des Verkehrsministeriums. Fragen Sie da nach.“

Tun wir. Doch was sagt das Verkehrsministerium?

Dass die Verkehrsverbünde  nicht verpflichtet sind, die Modernisierung von Bahnhöfen zu bezahlen. Das tun sie freiwillig. Sie können aber nicht gezwungen werden, ihre Überschüsse ans Land zurückzuzahlen, sondern sind nur verpflichtet, sie für den öffentlichen Personen-Nahverkehr auszugeben.

Das Verkehrsministerium hat seit 2008 noch eine Liste mit 92 Bahnhöfen, die dringend saniert werden müssten.  Was  ist damit?

Das ist die Warteliste der Modernisierungsoffensive 2 (Mof), auf der  auch große Bahnhöfe im Rheinland wie Köln-Mülheim stehen. Allein dessen Sanierung würde 11,4 Millionen Euro kosten. Die 35 Bahnhöfe, um die es jetzt geht, gehören zur Modernisierungsoffensive 3.

Das versteht   kein Mensch. Warum wird die Warteliste nicht zuerst abgearbeitet?

Weil die 415 Millionen für  Mof 2, vom Bund (278 Millionen), vom Land (120 Millionen) und von der Bahn (17 Millionen) bezahlt werden. Bei Mof 3 dagegen sind die Verkehrsverbünde der wichtigste Geldgeber. Das Land zahlt aus eigenen Mitteln keinen Cent. Deshalb kann es auch nicht vorschreiben, welche Bahnhöfe in Angriff genommen werden.

Was heißt das  genau?

Dass Mini-Stationen wie Brilon Wald, Scherfede, Sandebeck oder Welver jetzt aufwendig modernisiert werden, Köln-Mülheim, Leverkusen-Schlebusch oder Wuppertal-Vohwinkel mit hohem Pendler-Aufkommen hingegen weiter auf der Warteliste schmoren. Um nur ein paar Beispiele zu nennen. Immerhin: Bei Köln-Mülheim gibt es zumindest ein paar Planungsmittel aus dem Topf für den Rhein-Ruhr-Express.

Geht’s noch absurder?

Aber klar. Wir rekapitulieren: Die Bahnhöfe gehören der Bahn. Als Eigentümerin kassiert sie für jeden haltenden Zug eine Stationsgebühr, gestaffelt nach sieben Preisstufen. Je wichtiger und komfortabler der Bahnhof, desto teurer wird es. Ein Halt in Brilon Wald kostet  4,21 Euro. Das ist die  Preisstufe 5.  Köln-Mülheim hat Stufe 3 (5,85 Euro). In Brilon Wald verdient Bahn also 290,49 Euro, in Köln-Mülheim sind es 2217,15 Euro.

Wenn die Verkehrsverbünde sich schon freiwillig an der Modernisierung beteiligen, müssten sie am Ende doch geringere Gebühren zahlen?

Von wegen.  Brilon Wald mit neuen Bahnsteigen, wird eine höhere Preiskategorie springen. In Köln-Mülheim wird sich nichts ändern. Wenigstens das.

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