Raubkatzen in NRW„Die Luchse kommen aus Belgien“

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Eurasischer_Luchs

Symbolbild

Herr Kaiser, in der vergangenen Woche machte der aus dem Zoo Gelsenkirchen entflohene Luchs Findus Schlagzeilen. Inzwischen ist er wieder eingefangen. Aber wie viele freilebende Luchse gibt es nachgewiesen im Land?

Es sind relativ wenige – weniger als zehn Individuen. Sie tauchen mal hier und mal da auf. Nur einen einzigen Luchs im Kreis Lippe, also im südlichen Teutoburger Wald, haben wir seit Jahren, genauer seit 2008, beständig beobachtet.

Hat die Zahl der Luchse in den vergangenen 20 Jahren zugenommen?

Es gibt aus dem Jahr 2003 einen Reproduktionsnachweis in der Eifel, also Spuren eines erwachsenen Tieres gemeinsam mit Spuren von Jungtieren. Aber: Wir haben aus den gesamten Zeitraum von 25 Jahren zwischen 1985 und 2010 insgesamt nur 22 eindeutige Nachweise von Luchsen in NRW. Von einer Luchs-Population kann man da gar nicht sprechen.

Wo kommen die Tiere her?

Das wissen wir nicht. Die Luchse in der Eifel wandern vermutlich aus dem Hohen Venn, also Belgien, oder den französischen Vogesen ein.

Warum ist es so schwer, Informationen über die hier lebenden Luchse zu sammeln?

Der Luchs fällt nicht sehr auf wie etwa der Wolf. Grundsätzlich ist es natürlich aber möglich genauso wie beim Wolf anhand von genetischen Analysen festzustellen, woher sie kommen. Dafür braucht man aber erst einmal genetisches Material, also zum Beispiel Haare aus dem Fell.

Welche Lebensräume eignen sich für den Luchs?

Luchse sind Einzelgänger, die in großen strukturreichen, zusammenhängenden Wäldern leben. Felsige Anhöhen sind für den Luchs, der ein hervorragender Kletterer ist, sehr gut. Auch Altwaldbereiche mit viel abgestorbenem Holz, wo das Tier sich verstecken kann, sind geeignet.

Was tut das Land, um den Luchs zu schützen?

Wir fühlen uns den Zielen, die in der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union festgehalten sind, verpflichtet. Darin heißt es, dass alle Staaten dafür sorgen sollen, dass Tiere, die in bestimmten Anhängen aufgelistet sind, einen günstigen Erhaltungszustand erreichen. NRW beschränkt sich dabei auf das Monitoring, also die Überwachung des Bestandes. Wir machen keine Aussetzungs- oder Zuchtprogramme. Wir beobachten Projekte in anderen Bundesländern, also etwa in Bayern oder im Harz.

Welche Prognose geben Sie mit Blick auf die Entwicklung der Luchse in NRW?

Unser Bundesland ist sicher nur ein Teillebensraum für die Tiere angesichts von deren großen Aktionsräumen. In NRW fällt der gesamte Rhein-Ruhr-Raum wegen seiner dichten Besiedlung als Lebensraum für den Luchs weg. Mit Blick auf die Entwicklung des Bestandes bin ich sehr, sehr vorsichtig. Im Bayerischen Wald zum Beispiel gibt es seit mehreren Jahrzehnten insgesamt knapp zehn weibliche Tiere, die jedes Jahr Junge bekommen. Trotzdem ist die Gesamtzahl der Luchse dort nicht gestiegen.

Für den Fall, dass Wanderer im Wald auf einen Luchs treffen: Wie sollen sie sich verhalten?

Die Chance, dass das passiert, ist illusorisch gering. Wenn der Luchs einen Menschen bemerkt, geht er. Wenn ein Wanderer das Riesenglück haben sollte, auf einen Luchs zu treffen, dieser den Wanderer aber nicht bemerkt, gelten dieselben Regeln wie bei anderen Wildtieren auch. In die Hände klatschen und damit dem Tier die Chance geben zu reagieren.

Luchs-Informationen

Nach dem Bären und dem Wolf ist der Eurasische Luchs (Lynx lynx) das größte Landraubtier Europas. Er hat eine Körperlänge von 80 bis 120 Zentimetern, eine Schulterhöhe von 50 bis 75 Zentimetern und ist damit fast so groß wie ein Schäferhund. Männliche Luchse wiegen bis zu 30 Kilogramm. Charakteristisch sind Pinselohren mit schwarzen Spitzen und der Backenbart.

In freier Wildbahn werden Luchse etwa 15 Jahre alt. Ihr wichtigstes Beutetier ist das Reh, aber auch Feldhasen, Rothirsch-Kälber, junge Wildschweine, Füchse, Marder, Dachse und Vögel werden von Luchsen erlegt. Die Tiere waren in Deutschland lange ausgerottet. Die letzten Luchse auf dem Gebiet des heutigen Deutschland wurden Mitte des 19. Jahrhunderts geschossen. 

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