Rückkehr der ArtenvielfaltStörche überwintern wieder in NRW

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Möglicherweise auch in Köln bald häufiger zu sehen: der Weißstorch

Möglicherweise auch in Köln bald häufiger zu sehen: der Weißstorch

  • Vor allem im Westen steigt der Bestand der Tiere wieder.
  • Auen und Feuchtgebiete, der Lebensraum der Tiere, werden mehr und mehr renaturiert.

Wo Bruno auftaucht, sorgt er für Aufsehen. Und das liegt nicht allein daran, dass er recht groß ist und auffällig schwarz-weiß gemustert. Der Grund ist auch nicht, dass er ziemlich zutraulich ist. Die Sache ist die, dass Bruno ein Weißstorch ist und in Nordrhein-Westfalen eine Rarität. Bislang.

Die meisten Großstädter im Bundesland haben noch nie einen freifliegenden Storch gesehen. Zuerst war Bruno im vergangenen Jahr mit einem Trupp anderer Störche in Köln-Widdersdorf gesehen worden. Offenbar zog er aber nicht mit ihnen ins Winterquartier Richtung Süden. Denn im Januar tauchte er auf einer Baustelle in Rodenkirchen auf, wo er sich mit einem Baggerführer anfreundete.

Regelmäßig kehrte der Vogel dorthin zurück, um sich von ihm füttern zu lassen. Von dem Baggerführer erhielt er auch seinen Namen. Ob Bruno seitdem in Zündorf oder Porz-Langel gesichtet wird: Die Menschen staunen, freuen sich und posten Fotos auf Facebook. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete über den prominenten Vogel.

Viele Störche überwintern hier

Früher einmal gehörten Störche ganz selbstverständlich zum Landschaftsbild zwischen Rheinland und Westfalen. Dass Mensch und Storch eine lange Wechselbeziehung haben, belegt die Legende vom Storch, der die Babys bringt. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts ging der Bestand vor allem in Westdeutschland drastisch zurück. Dass es im Jahr 1991 in Nordrhein-Westfalen nur noch drei Brutpaare gab, war Folge dessen, dass Feuchtgebiete entwässert und die Felder zu landwirtschaftlichen Monokulturen umgewandelt wurden.

Somit fehlte es an Lebensraum und Nahrung. Der Storch braucht naturnahe Flussauen und offene Wiesen. Zum anderen fielen viele überwinternde Störche der Dürre in der Sahelzone in den 70er und 80er Jahren zum Opfer. Auch Kollisionen mit Hochspannungsleitungen sind häufig. Der Weißstorch ist auf der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands seither als gefährdet eingestuft.

Doch Bruno kann als eine Art Bote verstanden werden – nicht für mehr Nachkommen, sondern für mehr Störche: 77 Paare brüteten im Jahr 2011 wieder in NRW. 200 waren es sogar im vergangenen Jahr. In ganz Deutschland gibt es rund 6000 Brutpaare. Vor allem im Westen steigt der Bestand. „Den Störchen in NRW geht es sehr gut, der Bestand hat sich erholt“, bestätigt Michael Jöbges, Storchenexperte beim Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz.

Lesen Sie auf der nächsten Seite über die veränderten Gewohnheiten der Tiere.

Störche haben wieder mehr Lebensraum

Das liegt zum einen daran, dass Auen- und Feuchtgebiete auch mit Hilfe von Ehrenamtlichen renaturiert und Storchenmasten als Nistplätze aufgestellt werden. Beispiel Weserauen, wo heute landesweit die meisten Störche brüten.

Zudem kommen viele sogenannte Westzieher-Störche, die aus ihrem Winterquartier zu uns zurückkehren, nicht aus Afrika, sondern aus dem näher gelegenen Spanien, wo sie Nahrung auf Mülldeponien und Reisfeldern finden, wie Kai-Michael Thomsen, Storchenexperte beim Nabu, berichtet:„Sehr viele Störche überwintern bereits in Spanien und kommen gut und mit wenig Verlusten durch den Winter.“ Durch die kürzere Route sparen sie Energie und gehen ein geringeres Risiko ein.

Von NRW aus ziehen rund 80 Prozent der Störche über diese westliche Route. Aus dem östlichen Deutschland ziehen die Störche dagegen die östliche Route über den Bosporus bis teilweise nach Südafrika. Ornithologen sehen darin den Hauptgrund dafür, dass es in NRW mehr Störche gibt, während der Bestand im Osten Deutschlands abnimmt – obwohl die Bedingungen dort nicht schlechter sind als im Westen. Einige Tiere – wie Bruno – machen sich erst gar nicht mehr auf den Weg und bleiben in Deutschland.

„Zu kalt gibt’s bei Störchen nicht“, weiß Thomsen. „Sie frieren zwar auch, können unser Klima aber gut ab. Da die Winter hier zunehmend milder sind, finden sie auch immer noch Nahrung.“ Es gäbe immer einige Tiere, die statt mit den anderen ins Winterquartier zu ziehen, etwas anderes ausprobieren. Sind sie erfolgreich und kehren zurück, folgen ihnen im nächsten Jahr weitere Artgenossen. „Dieses Verhalten ermöglicht den Tieren, auf klimatische Veränderungen zu reagieren.“

Die Tiere sind sehr anpassungsfähig

Bruno stammt möglicherweise aus einer Pflegestation oder einem Tierpark und ist deshalb an Menschen gewöhnt. In der Regel werden diese Vögel allerdings beringt. Kai-Michael Thomsen hält auch für möglich, dass Bruno ein Wildstorch ist. „Störche sind anpassungsfähig. Es kommt schon vor, dass sie zutraulich werden.“

Vielleicht werden sich in Köln sogar Störche zum Brüten niederlassen? Noch gibt es keine Brutpaare. Michael Jöbges ist aber optimistisch, dass sich demnächst Störche in der Siegaue zwischen Bonn und Troisdorf niederlassen. Die Bedingungen dort seien gut. „Gesehen wurden dort schon öfter welche, das ist ein erstes Indiz.“ Damit es den Vögeln weiterhin gut geht, appelliert Michael Jöbges an jeden, der auf einen Storch trifft, ihn nicht zu füttern und respektvollen Abstand zu halten.

Das gilt auch für Bruno.

Über den Storch

Der Weißstorch gehört zur Ordnung der Schreitvögel. Etwa 80 Zentimeter hoch und bis zu 4400 Gramm schwer erreicht er eine Flügelspannweite von bis zu zwei Metern. Er wird durchschnittlich acht bis zehn Jahre alt, kann in seltenen Fällen aber ein Alter von 25 Jahren erreichen. Störche fressen Frösche, Reptilien, Mäuse, Insekten, Regenwürmer und Fische.

Der Name „Klapperstorch“ kommt daher, dass sich die Vögel mit einem Klappern begrüßen und so auch Eindringlinge von ihrem Nest fernhalten. Sie brüten auf Dächern, Türmen, Strommasten oder Bäumen. Die Brutzeit beginnt  Anfang April und dauert bis  August. Die Jungen haben im Gegensatz zu  Altvögeln keine roten, sondern schwarze Schnäbel. Im Winter ziehen sie Richtung Süden. Winterquartiere liegen in West-, Ost- und Südafrika, mittlerweile auch in Spanien.

Hier können Sie Störche sehen

Im Kreis Minden-Lübbecke brüten die meisten Störche in Nordrhein-Westfalen. Es gibt sogar einen „Radwanderweg Storchenroute“ und ein Storchenmuseum mit Café. Am 12. Juni gibt es eine geführte Storchen-Radtour vom „Aktionskomitee Rettet die Weißstörche im Kreis Minden-Lübbecke“.   Wer sich nicht auf den Weg dorthin machen möchte, kann sich die brütende Tiere live über eine Webcam der Internetseite ansehen.stoerche-minden-luebbecke.de Westfälisches Storchenmuseum Haus Windheim No.2, Im Grund 4 , 32469 Petershagen-Windheimwww.westfaelisches-storchenmuseum.de/ Zahlreiche Horste gibt es  am Niederrhein. Eine Karte mit der Lage der Nester  und  Infos gibt es hier:www.niederrheinstoerche.de Auch um den Storch geht es in den vier Infozentren des Naturschutzgebietes „De Gelderse Poort“ an der deutsch-niederländischen Grenze zwischen Emmerich, Kleve und Nimwegen.www.gelderse-poort.de Auf einer Wanderung durch die Rieselfelder in Münster lassen sich ebenfalls Störche beobachten.www.biostation-muenster.org

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