VorwürfeStörfall im AKW Hamm soll mit Absicht herbeigeführt worden sein

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Ein Blick auf das Atomkraftwerk Hamm-Uentrop während der Bauphase.

  • Die Atomaufsicht wird den Vorwürfen des Mitarbeiters nachgehen.
  • Nach der damaligen Aufarbeitung des Störfalls hieß es, das Ereignis sei durch personelle Fehlentscheidungen zustande gekommen.

Köln/Hamm – Die atomrechtliche Aufsicht des Landes NRW wird einen Störfall im Kugelhaufen-Reaktor in Hamm-Uentrop aus dem Jahr 1986 neu prüfen. 

Der Störfall soll mit Absicht herbeigeführt worden sein

Ein ehemaliger Mitarbeiter des Kraftwerks behauptet gegenüber dem WDR, der Störfall sei kein Unfall gewesen, sondern vom damaligen Betriebsleiter Hassan Daoud absichtlich herbeigeführt worden. Die Atomaufsicht wird den Vorwürfen nachgehen, sagte die Sprecherin des NRW-Wirtschaftsministeriums, Rabea Ottenhues, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Hermann Schollmeyer hat in den 80er Jahren für eine Mannheimer Firma im Reaktor gearbeitet. Laut dem heute 83-Jährigen ereignete sich der Vorfall folgendermaßen: Die Rohrleitungen des Reaktors mussten gereinigt werden, weil sich dort Staub und abgeplatzte Partikel von Graphitkugeln angesammelt hatten.

Als Kugelhaufenreaktor zog der Reaktor seine Energie aus tausenden tennisballgroßen Graphitkugeln, die mit radioaktivem Material gefüllt waren. Weil aber geeignete Filter fehlten, sei bei dem Reinigungsprozess radioaktives Helium, das zum Kühlen des Reaktors genutzt wurde, in die Umwelt gelangt.

Tschernobyl zunutze gemacht?

Tatsächlich seien die fehlenden Filter bereits bestellt gewesen, behauptet Schollmeyer. Doch dann ereignete sich die Katastrophe von Tschernobyl. „Es bot sich die Möglichkeit, den Reaktor in die radioaktive Wolke hinein abzulassen.“

Betriebsleiter Daoud soll sich also die ohnehin schon erhöhte Strahlenbelastung der Umgebung zunutze gemacht haben, um das radioaktive Helium unbemerkt in die Atmosphäre auszublasen. Damit hätte Daoud Zeit und Geld für die Filter gespart. Tatsächlich aber wurde der Störfall entdeckt.

Die atomrechtliche Aufsicht hat den radioaktiven Austritt 1986 intensiv aufgearbeitet. Im Abschlussbericht heißt es, das Ereignis sei durch eine Fehlentscheidung des Betriebspersonals verursacht worden. Hinweise auf ein absichtliches Handeln finden sich nicht.

Es wird nicht leicht sein, den Vorwürfen nachzugehen

Die Atomaufsicht wird den Vorwürfen Schollmeyers nun nachgehen. Leicht werde das jedoch nicht, sagte Sprecherin Ottenhues. Die Messungen von damals ließen sich nicht wiederholen. Ob nach 30 Jahren jemand juristisch zur Verantwortung gezogen wird, ist ebenfalls fragwürdig.

Hassan Daoud stritt die Vorwürfe gegenüber Radio Lippe ab. Er behauptet, das Gas sei in die Umwelt gelangt, weil ein Mitarbeiter ein Ventil auf- statt zudrehte.

Auch das heutige Nachsorgeunternehmen des 1989 stillgelegten Kraftwerks, die Hochtemperatur-Kernkraftwerk GmbH, weist die Vorwürfe zurück und verweist auf den Bericht der Atomaufsicht.

Das Unternehmen zweifelt zudem an der Glaubwürdigkeit Schollmeyers. Schließlich sei der bei der entscheidenden Sitzung gar nicht dabei gewesen, heißt es in einer Stellungnahme. Zudem habe Schollmeyer gar nicht im nuklearen Teil der Anlage gearbeitet.

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