ObdachloseGedrängt zum „Querkopf“-Kauf

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Querkopf-Verkäufer Harald Schauff. (Bild: Worring)

Querkopf-Verkäufer Harald Schauff. (Bild: Worring)

Köln – Die drei jungen Männer, die am Aachener Weiher auf Anna G. zuschlendern, halten Zeitungen unter dem Arm. Sie sind kaum 18, tragen Markenklamotten und rauchen. Sie bleiben vor der 33-Jährigen stehen, die alleine auf einer Bank sitzt. Wortlos hält ihr einer eine Ausgabe der Obdachlosen-Zeitung „Querkopf“ vors Gesicht.

Anna G. erschrickt, schüttelt überrascht den Kopf und sagt „Nein, danke“. Doch die Männer rühren sich nicht. Einer klimpert mit Münzen in seiner Hosentasche, die anderen verschränken die Arme vor der Brust. Anna G. fühlt sich bedrängt, sie will aufstehen und fortgehen, doch die Männer verstellen ihr den Weg. „Nein“, wiederholt sie. Einer der Jugendlichen ruft ihr etwas auf rumänisch zu, dann ziehen die drei feixend davon. „Eine unangenehme Situation“, berichtet Anna G., „ich dachte, die wollten mich überfallen oder sonst was mit mir anstellen.“

Beschwerden von Lesern

Seit Monaten beobachtet Harald Schauff vom Verein Querkopf e.V., dass neben den altbekannten „Querkopf“-Verkäufern aus dem Obdach- und Arbeitslosenumfeld zunehmend auch Männer und Frauen aus Rumänien und Bulgarien mit der Zeitung durch die Stadt ziehen oder vor Supermärkten sitzen. „Manche verhalten sich ganz dezent“, sagt Schauff, „aber andere treten aufdringlich und aggressiv auf, machen uns etablierten Verkäufern auch unsere Stammplätze streitig. Das ist mir überhaupt nicht recht, das ist nicht im Sinne unseres Vereins.“ Schauff erhält viele E-Mails, in denen Leser sich über die mitunter aufdringlichen Verkäufer aus Osteuropa beschweren und fragen: „Gehören die überhaupt zu euch?“

Eine Ausgabe des „Querkopf“ kostet 1,50 Euro. Die Kölner Verkäufer erwerben die Exemplare für je 75 Cent in der offiziellen Abgabestelle des Vereins, einem Kiosk am Salierring. Dort gibt es den offiziellen Mitarbeiterausweis. „Den erhält im Prinzip jeder, der möchte“, erklärt Schauff. Auch die Zeitungen dürfe grundsätzlich jeder verkaufen. Aber es gebe gewisse Regeln. „Die Verkäufer sollten unaufdringlich auftreten. Ich persönlich halte mich an den stillen Verkauf, suche nur Blickkontakt“, sagt Harald Schauff, der die Zeitung nicht nur mitgestaltet, sondern auch selbst verkauft. Aber weil das allein zum Leben kaum reicht, gibt Schauff nebenher Nachhilfeunterricht für Schüler. Obdachlos sei er selbst nie gewesen, auch Arbeitslosengeld oder Hartz IV habe er nie bezogen. „Ich will unabhängig sein von den Ämtern“, sagt er. Zum „Querkopf“ kam Schauff 1997 über einen privaten Kontakt zu Klaus Bergmayr, dem Gründer der Zeitung, der vor drei Monaten gestorben ist.

Seine neuen Verkäufer-Kollegen aus Rumänien und Bulgarien sieht Harald Schauff „mit einem weinenden und einem lachenden Auge“. Seit sie unterwegs seien, hätten sich die Zeitungsauflage und der Erlös, der dem Verein zugute kommt, spürbar erhöht. Die teils aufdringlichen Verkaufsmethoden will Schauff aber unterbinden: „Ich habe Faltblätter mit Verhaltenshinweisen auf rumänisch übersetzen lassen und werde diese in dem Kiosk auslegen.“

Polizei und Ordnungsamt haben in der Regel keine Handhabe gegen die Bettler aus Rumänien - nur dann, wenn sie nachweislich aggressiv auftreten. „Aber uns liegen keine Strafanzeigen vor“, berichtet ein Ermittler.

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