Oskar Peterson war die „Subway”-Treppe zu steil

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Mit dem „Subway“ schließt nach über dreißig Jahren am Donnerstag eine Kölner Jazz-Institution.

Der Laden floriert. Die Zuschauer kommen, schätzen die Atmosphäre. Etliche Jazzstars drängten bei Deutschland-Tourneen auf einen Auftritt im „Subway“. Warum nun das Ende? Aus Altersgründen, sagt Klaus Appelt, Besitzer des Jazzclubs in der Aachener Straße und „Mann für alles“. Er organisierte (von der Buchung bis zum Hotel), kassierte am Abend, hielt die Stars bei Laune. Vorbei. Oder doch nicht ganz? Den Titel „Subway“ hat Appelt sich jedenfalls schützen lassen; er könnte also jederzeit, an jedem Ort „Jazz im Subway“ veranstalten.

Am 4. Dezember 1970 fand auf der schmalen Bühne des Kellerclubs das erste Konzert statt. Das Ambiente erinnerte verblüffend an vergangene, gleichwohl noch lebendige Jazz-Zeiten, als diese Musik oft unter Tage ihre Liebhaber erreichte. Der Jazz, das Chamäleon des damaligen Kulturbetriebs: Oben in den Konzertsälen polierten die Stars das Image des Genres, unten in der Nacht jammten die so genannten „Subterranians“. Chaotisch sei es da vor dreißig Jahren zugegangen, sagt Appelt. Einer der ersten im Raum war der Bassist Peter Trunk.

Die Anfangsjahre waren schwer. Und wenn jemand prophezeit hätte, der Club würde in dreißig Jahren noch bestehen, er hätte ein müdes Lächeln geerntet. Den finanziellen Unterbau, um überhaupt Livemusik veranstalten zu können, erbrachte der Disco-Betrieb. Einmal pro Woche, manchmal zweimal, wurde das „Subway“ zum Treffpunkt der Jazzfans. Das Programm war überwiegend auf amerikanischen Mainstream-Jazz ausgerichtet, weil der das Publikum anzog. Einer der ersten unter der angereisten Prominenz war der Saxofonist Dexter Gordon, in jenen Jahren allerdings in Vergessenheit geraten. Kurze Zeit später aber „entdeckte“ ihn die amerikanische Fachpresse wieder.

Der Club erwarb sich in Musikerkreisen einen guten Ruf. Das lag zum einen an der perfekten Betreuung, zum andern an der Begeisterungsfähigkeit des Publikums. Die Liste der Stars, die kamen, ist lang. Max Roach, der legendäre Schlagzeuger, gastierte hier, ebenso sein Kollege Art Blakey. Stan Getz entsetzte die Fans, als er seinen weichen Saxofon-Sound elektronisch bearbeitete. Chet Baker, die verlorene Gestalt, konzertierte hier das letzte Mal, kurz vor seinem tödlichen Fenstersturz in Amsterdam.

In den Anfangsjahren schaltete sich bei den Konzerten oft der Hörfunk zu. Ab 1984 postierte das West-Fernsehen seine Kameras im Club: „Jazz im Subway“ wurde der erste und einzige Live-Mitschnitt aus einem deutschen Jazzclub. Auch deshalb drückten sich mehr Stars denn je die Klinke in die Hand. Das eher verwegene „Honky Tonk“- Piano, an dem etwa Horace Silver gespielt hatte, wurde ausgetauscht. Anfangs gegen einen geliehenen Bechstein-Flügel, dann gegen einen Bösendorfer, auch der eine Leihgabe. Schließlich gönnte sich Appelt einen Yamaha-Flügel. Daran spielten McCoy-Tyner, Tommy Flanagan, Joachim Kühn, Gonzalo Rubalcaba, Benny Green und viele mehr.

Um die Stars ranken sich Geschichten. Auf Archie Shepp musste das Publikum eine Stunde lang warten. In der Pause wollte er seine Gage und spielte erst weiter, als ein Mittelsmann das Geld in Verwahrung nahm. Buddy Tate kam einen Tag zu früh; er hatte sich im Datum geirrt. Dollar Brand ordnete ein Rauchverbot an. Und Dexter Gordon schwankte in bierseliger Laune wie ein Rohr im Wind. Als Dizzy Gillespie gastierte, hätte Appelt horrende Eintrittspreise verlangen können, so groß war der Andrang. Zum 20-jährigen Jubiläum sollte Oscar Peterson kommen. Doch dem übergewichtigen Pianisten war die Treppe zum „Subway“ zu steil.

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