Verkaterte AzoreninselWildkatzen bedrohen Vogelwelt

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Für die Vogelfauna auf Inseln sind verwilderte Katzen eine tödliche Bedrohung, die nur mit deren konsequenter Ausrottung gestoppt werden kann. Das gilt selbst dann, wenn der Tisch für die herrenlosen Haustiere reichlich mit Mäusen und Ratten gedeckt ist. Zu diesem Ergebnis kommt eine Feldstudie spanischer und portugiesischer Wissenschaftler, die auf der Azoren-Insel Corvo das Jagdverhalten verwilderter und domestizierter Katzen erforscht haben. Im „Journal of Zoology“ veröffentlichten sie jetzt ihre Erkenntnisse.

Die Azoren ( zu deutsch: Habichtsinseln) sind eine Gruppe von neun größeren und mehreren kleineren portugiesischen Atlantikinseln, die mehr als 1300 Kilometer westlich vom europäischen Festland mitten im Ozean liegen. Es herrscht ein ozeanisch-subtropisches Klima ohne Temperaturextreme. Die Insel Corvo (Bild) ist durch einen bergige Landschaft mit viel Weideland, wenig Wald und steile Küstenklippen geprägt.

Das Team um Sandra Hervías Parejo von der Universität Murcia hatte auf Corvo anhand von Kotuntersuchungen herausgefunden, dass Katzen sich dort im Sommer hauptsächlich von Vögeln ernähren, vor allem von den Nestlingen des Gelbschnabelsturmtauchers. 80 Prozent des Weltbestandes des Meeresvogels leben auf den Azoren. Weitere Meeresvogelarten fanden die Forscher auf der Insel nicht mehr – offenkundig, weil sie bereits von Katzen ausgerottet worden sind, die Siedler eingeschleppt hatten und danach verwildert waren, heißt es in der Studie.

Katzen sind die größten Räuber

Dass herrenlose Katzen die Vogelwelt auf Inseln dezimieren, ist nicht neu. Unerforscht war bislang der Zusammenhang zwischen dem lokalen Beuteangebot und dem, was die Katzen davon fressen – und zu welcher Jahreszeit. Katzen gelten bei der Futtersuche als Generalisten, die nehmen, was sich bietet. Für ihre Studie ermittelten die Forscher zunächst das Inselvorkommen an Nagern, Land- und Seevögeln und Gliederfüßern wie Insekten und Spinnen. Die von Katzen erlegte Beute bestimmten sie mit Kotanalysen. Das Ergebnis: Auf Corvo machen die ebenfalls von Menschen eingeschleppten Mäuse und Ratten einen Gutteil der Katzenkost aus, vor allem im Winter. Im Sommer fraßen sie massenhaft Sperlinge und Sturmtaucher, und zwar die wehrlose Brut. Außerhalb der Brutzeit sind die Sturmtaucher auf See und so vor den Katzen sicher. „Die Katzen fraßen die Beute entsprechend ihrem jahreszeitlichem Vorkommen“ – ohne sich auf eine Beuteart zu spezialisieren, so die Forscher.

Auf der 17 Quadratkilometer kleinen Insel sind Katzen die größten Räuber. Die bergige Landschaft ist von Weideland geprägt, wenig Wald und steile Küstenklippen runden das Bild ab. Es gibt nur ein Dorf mit 425 Einwohnern, aber sehr viele Katzen.

Parallel ermittelten die Forscher, wie weit sich Hauskatzen in der Natur bewegen, wenn ihre Besitzer sie tags frei herumlaufen lassen. Dazu wurden 21 Tiere mit GPS-Sendern ausgerüstet. Resultat: Das Streifverhalten der Katzen war nicht vom saisonalen Beuteangebot abhängig, sondern von Temperatur, Lichtverhältnissen und Regen. Die meisten Hauskatzen entfernten sich maximal 800 Meter vom Haus.

Herrenlose Tiere jagen

Die Forscher schlagen vor, zum Schutz von Brutkolonien seltener Vögel in deren Umfeld Katzenhaltungsverbote auszusprechen. Abseits dieser Zonen seien Hauskatzen in der Regel keine große Bedrohung. Herrenlose Tiere gelte es aber konsequent zu bejagen, da diese nicht zu kontrollieren seien – eine Praxis, die von Tierschützern scharf kritisiert wird. Doch die Wissenschaftler äußern sich eindeutig: „Nur die Ausrottung verwilderter Katzen kann auf Inseln die ursprüngliche lokale Artenvielfalt erhalten.“

In der Ausrottung der eingeschleppten Nager sehen die Wissenschaftler keine Lösung. Gäbe es keine Ratten und Mäuse mehr, würden die Katzen noch mehr Vögel jagen – bis zu deren lokalem Aussterben. Mehr Nager, etwa Kaninchen, auf die Insel zu holen, wäre aber auch kontraproduktiv: Mit größerem Beuteangebot würden sich die verwilderten Katzen entsprechend vermehren. Ideal wäre einzig eine „Reset-Taste“, zurück zum Jahr 1452 – damals erst wurde Corvo entdeckt.

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