InterviewMartin Rütter ist Hundetrainer hilft dabei aber auch Haltern wie Toni Kroos

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Hundetrainer, Komiker und Buchautor: Martin Rütter

Hundetrainer, Komiker und Buchautor: Martin Rütter

Herr Rütter, was verpassen Menschen, die keine Hunde haben?

Ich halte das Zusammenleben mit Haustieren für deshalb so lebensbereichernd, weil man sich auf etwas völlig Neues einstellen muss. Gerade wenn Kinder im Haushalt leben. Kinder können an Tieren sehr gut das Thema Empathie und Verantwortung lernen. Zwei meiner Töchter wollten zusätzlich zu unseren Hunden noch Hasen haben. Ich kann mit Hasen überhaupt nichts anfangen, habe aber gesagt: Wenn ihr mir vernünftig erklärt, wie das mit der Hasenhaltung funktioniert, können wir reden. Dann haben sie sich damit beschäftigt, und wir haben zwei Kaninchen bekommen. An einem Nachmittag kam ich nach Hause, näherte mich dem Stall, und meine Töchter warfen sich auf mich – schreiend: Nicht von oben! Weil die Kaninchen glauben könnten, ich sei ein Greifvogel. Von da an musste ich immer zu den Kaninchen robben. Was ich großartig daran fand, war, dass sich die Kinder Gedanken darüber gemacht haben, was für die Tiere wichtig sein könnte. Wenn man sich für Tierhaltung wirklich interessiert, dann lernt man sehr viel über Empathie.

Zur Person

Martin Rütter geboren am 22. Juni 1970 in Duisburg, ist ein deutscher Hundetrainer und Buchautor. Er wurde seit Mitte der 1990er Jahre durch eine Reihe von Fernseh- und Bühnenproduktionen über den Umgang mit Hunden bekannt. Rütter studierte Sportwissenschaft in Köln und lebt in Erftstadt.

Am Freitag, 9. Juni, veranstaltet Toni Kroos im Kölner Palladium seine Stiftungsgala. Nähere Informationen unter

tonikroos-stiftungsgala

@akzio.de

Jetzt sind Kaninchen aber noch keine Hunde.

Bei Hunden kommt etwas Entscheidendes dazu: Ein Hund ist in der Lage, einen Artfremden als vollwertigen Sozialpartner zu erkennen. Der Hund weiß an jeder Stelle, dass ich kein Hund bin. Aber er kann mich genauso wichtig finden wie einen Hund. Und daraus entsteht diese Nähe.

Von den Kaninchen kommt dann nichts zurück?

Die kommen, wenn man pfeift. Oder gehen auf Kommando irgendwohin und bleiben dann da. Aber die kommen, weil man denen etwas Besonderes zu essen gibt.

Also eine klassische Dressur.

Genau. Das ist auch exakt das, was viele Menschen mit ihren Hunden machen. Der Hund funktioniert dann mittwochs auf dem Hundeplatz, weil er weiß: Wippe, Tunnel, Hürde, ein paar Muster abspulen. Das könnte dann aber jeder andere mit diesem Hund auch machen. Wie bei „Stars in der Manege“. Da kamen die Elefanten reingelaufen und kannten die Abläufe. Ob da jetzt Verona Pooth stand, war denen egal. Wenn ich jemand bin, der beim Klingeln hochschreckt und zur Tür rast, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass mein Hund auch nervös wird, wenn der Briefträger kommt. Da kann ich jetzt sehr leicht zu Toni Kroos kommen.

Den Sie über seine Hunde kennengelernt haben.

Zwei Beagles. Als ich zum ersten Mal zu ihm nach Hause kam, da war er 18, 19 Jahre alt. Da war Rock ’n’ Roll. Seine Frau, die damals noch seine Freundin war, sagte gleich: Bei mir sind die nicht so. Wenn Toni nach Hause kommt, tobt der mit denen. Wir mussten dann mit Toni klären, ob er es in Ordnung findet, dass die so einen Krawall machen, wenn Besuch kommt. Denn wenn du willst, dass die das bei Fremden abstellen, dann können die das nicht bei dir dürfen.

Männer sind verspielt mit Hunden, Frauen sind konsequenter

Dabei ist Toni Kroos auf dem Fußballplatz einer der ruhigsten Menschen der Welt.

Wenn er nach Hause kommt, und die beiden Hunde stürzen sich auf ihn, dann kullert er mit denen auf dem Boden rum. Das ist übrigens typisch Mann. Männer sind mit Hunden immer so bekloppt. Frauen sind konsequenter in der Erziehung.

Wie war die erste Begegnung mit Toni Kroos?

Es war der Tag vor dem Abflug zur WM 2010. Ich war selbst kurz vor der Abreise in den Urlaub. Und plötzlich ruft Bayer Leverkusen hier an: Eine Spielerfrau müsse besucht werden. Ich habe gesagt: Spielerfrauen können mir grundsätzlich gestohlen bleiben, wer ist das überhaupt? Es war Toni, da habe ich gesagt: Gut, bin gleich da.

Warum?

Ich bin sehr Fußball-affin. Toni war da zwar noch nicht der Superstar, der er heute ist. Aber ich mochte einfach seine Art zu spielen. Da habe ich mir gedacht: Fahre ich mal hin.

Aber es ging um seine Frau.

Ja. Und es hat sich herausgestellt, dass sie gar nicht meinem Bild einer Spielerfrau entspricht. Beide waren supernormal und haben sich bedankt, dass ich mir die Zeit genommen habe. Mein Besuch war ein Geburtstagsgeschenk für sie. Dann haben wir einfach nur über die Hunde geplaudert, es war ziemlich schnell klar, wo das Problem lag.

Dann hat er Sie gefragt, ob Sie sich als Botschafter in seiner Stiftung engagieren wollen.

Ich habe das überhaupt nicht hinterfragt, weil Toni und Jessy sehr bodenständig sind und sich wirklich glaubwürdig engagieren. Wenn man sich die Botschafter anschaut, sein Bruder und ein Hundetrainer, das könnte schon glamouröser sein. Er hätte ja auch den Schweini fragen können oder Ronaldo. Weltstars. Aber Toni wollte jemanden haben, der da Bock drauf hat. Heute lade ich Kinder, die er mit der Stiftung unterstützt, in meine Shows ein, besuche die Projekte und unterstütze die Stiftung, wo ich kann. Nun wird es eine Gala in Köln geben, da freue ich mich schon drauf.

Was wird bei der Gala passieren?

Da werden sich am 9. Juni im Palladium viele Menschen treffen, die einfach Lust haben, etwas Gutes zu tun. Die Stiftung unterstützt ja kranke und schwerkranke Kinder in drei Einrichtungen. Und für diese Kids machen wir das. Da sind einige Prominente dabei, PUR singt, und Kai Pflaume moderiert beispielsweise. Ob Toni seine Hunde mitbringt, weiß ich noch nicht (lacht).

Verschiedene Rassen haben verschiedene Bedürfnisse

Warum gibt es Hunde eigentlich noch? Außer als Wach- oder Jagdhund?

Die Frage ist nicht unberechtigt. Hunde hatten immer eine Aufgabe. Zum Hüten, zum Jagen. Aber: Solange es Hunde gibt, hatten sie auch immer die Aufgabe, Gesellschaftstiere zu sein. Die Hälfte aller Rassen heutzutage sind gezüchtet worden, weil sie sich gut mit Menschen verstehen. Schade ist nur, dass die Rassen, die wirklich zum Arbeiten gemacht wurden, auch als Gesellschaftshunde genommen werden. Ich bin dann die Hälfte des Tages damit beschäftigt, dem Hund etwas abzugewöhnen, wofür er eigentlich genetisch gemacht ist. Dann kauft sich einer einen Münsterländer und beschwert sich, dass der jagt.

Wenn Sie auf der Straße oder im Park Hunde sehen – machen Sie da Unterschiede?

Ich würde nie fragen: Wie kann man nur einen Mops kaufen? Ich kläre die Leute allerdings darüber auf, dass es in Deutschland keinen einzigen gesunden Mops gibt. Das sage ich denen schon, würde sie aber nicht an die Wand nageln. So sind auch meine Fernsehsendungen aufgebaut. Die Leute, die da auftreten, können am nächsten Tag noch zum Bäcker gehen.

Aber sie schauen mehr auf die Menschen als auf die Hunde.

Absolut. Wenn jemand zu mir kommt, Bodybuilder mit zwei unkastrierten Rüden, dann sage ich spontan: Alle drei kastrieren. Aber im Idealfall versteht der Mensch irgendwann selbst, dass er seinen Hunden einen Gefallen tut, wenn er sie kastrieren lässt.

Erkennen Sie Moden?

Es gibt Erziehungsströmungen. In den 70er, 80er Jahren hat man Parforce trainiert, da musste der Hund funktionieren. Platz ist Platz. Ende der neunziger Jahre ging es los mit antiautoritärer Erziehung: Wenn der Hund den Postboten beißt, müssen wir darüber in Ruhe sprechen. Mit dem Hund. Früher fand Hundeerziehung auf einem Hundeplatz statt. Als ich angefangen habe, Hausbesuche zu machen, haben mich die Leute für verrückt erklärt. Dabei sagt doch der gesunde Menschenverstand: Wenn mein Hund an der Haustür randaliert, bringt es doch nichts, wenn er auf dem Hundeplatz brav ist. Im Kölner Stadtwald sieht man heute Leute rumlaufen, die ihre Hunde richtig beschäftigen. Früher kamen die Leute nur mit Hunden, die später mehr als 30 Kilo schwer wurden. Heute erzieht man auch die kleineren. Weil die Familienmitglieder werden sollen und gesellschaftstauglich. Ein sensationell guter Trend.

Wenn es darum geht, eine Kaufberatung zu machen, erfahren die Menschen oft von Ihnen, was für ein Charakter sie sind und warum sie zu dem einen Hund besser passen als zum anderen.

Ja. Wir haben ganz oft die Situation, dass wir vor Dingen warnen müssen. Da haben Leute einen elfmonatigen Ridgeback und sagen, dass der immer so lustig tobt. Dann gucke ich mir das an und sage, dass das vielleicht lustig aussieht. Dass der aber eigentlich gerade für den Ernstfall übt. Und wenn man das dann laufen lässt, dauert es zwei Jahre, bis der ernsthaft zubeißt. Das muss ich den Leuten vermitteln, die erst einmal nur einen total verspielten, süßen Hund sehen.

Hundeerziehung muss auch den Haltern Spaß machen

Sie klingen entspannter als viele Hundehalter, die im Zusammenhang mit ihren Tieren stets von Arbeit sprechen.

Grundsätzlich wird das Thema Hund und Hundeerziehung viel zu ernst genommen. Das muss Spaß machen. Wenn ich festlege, was ein Hund können muss und dann mit dem Hund arbeiten gehe, dann bin ich eigentlich schon verloren. So ist das auch in meinen Shows: Die Leute lachen sich zwei Stunden kaputt. Dabei halte ich ihnen den Spiegel vor. Die lachen über sich selbst. Ich kaufe mir keinen Hund, weil ich mit ihm arbeiten will. Ich will Spaß damit haben. Den habe ich aber nur, wenn ein paar Regeln klar sind. Das ist doch wie bei den Fußballern: Die haben alle Druck. Aber Arbeit? Ganz ehrlich: Das ist ein Spiel. Da gibt es bestimmt auch blöde Momente. Aber letztlich haben die einen Ball am Fuß und spielen mit den Jungs fünf gegen zwei. Es muss im Kopf ein Spiel sein. Ein ernsthaft betriebenes. Aber wenn es nicht mehr verspielt ist, dann ist es tot. Und genau so ist es mit den Hunden.

Kann ein Hund für einen Profifußballer ein Anker sein?

Viele Nationalspieler haben Hunde und sind verrückt nach ihnen. Weil es ums Spielen geht; darum, durch den Wald zu rennen. Nichts leisten zu müssen. Das ist ja das Faszinierende. Es gibt in keiner Gesellschaftsschicht mehr oder weniger Hunde. Der Universitätsprofessor macht denselben Quatsch mit seinem Hund wie der Fußballprofi oder der Hilfsarbeiter. Wir haben bei Professor Mang gedreht, dem Schönheitschirurgen. Ein gebildeter Mensch, der zu mir sagt, dass es ihn total nervt, dass sein Hund bei Tisch so bettelt. Der Hund sitzt da, bettelt relativ mäßig. Dann hat Mang als Nachspeise ein Eis. Isst das halbe Eis, schiebt den Teller zur Seite, der Hund steht mit den Pfoten auf dem Rand des Tischs – und darf das Eis vom Teller lecken. Danach gibt es Cappuccino und Kuchen. Und der Hund bettelt. Da sagt Mang: Der Hund muss doch unterscheiden können, dass er den Kuchen nicht bekommt! Da fasst man sich an den Kopf. Der Blick auf den Hund ist dann viel zu menschlich.

Wie erklären Sie dann einem Menschen wie Mang, dass er falsch mit seinem Hund umgeht?

Sehr direkt, er ist ja ein Patriarch alter Schule. Bei anderen Leuten muss ich extrem einfühlsam sein. Das ist wie mit den Kindern: Niemand will hören, dass sein Kind extrem hässlich, dumm und auch noch schlecht erzogen ist – und es das alles von den Eltern hat.

Die Bindung zum Hund ist vergleichbar?

Ja, weil er ein Familienmitglied ist. Ich sage aber auch jedem Hundemenschen, dass man uns guten Gewissens für bekloppt halten darf. Wir sind schließlich diejenigen, die mit einem Beutegreifer durch den Stadtwald laufen. Da ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass niemand genervt wird. Im Umkehrschluss erwarte ich aber auch, dass mich nicht einer schon aus 300 Metern anschreit, ich Penner solle den Drecksköter an die Leine nehmen.

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