Das Rätsel bleibtMordfall Maria Bögerl wird nach 13 Jahren eingestellt – Polizei äußert sich

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Ein Kameramann filmt bei einer Pressekonferenz in Heidenheim ein Porträt von Maria Bögerl sowie Bilder ihres Autos und eines unbekannten Zeugen.

Ein Kameramann filmt bei einer Pressekonferenz in Heidenheim ein Porträt von Maria Bögerl sowie Bilder ihres Autos und eines unbekannten Zeugen. (Archivbild)

Die Entführung von Maria Bögerl war 13 Jahre lang eines der größten Rätsel der deutschen Kriminalgeschichte. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

Mehr als 13 Jahre sind vergangen, seit die damals 54-jährige Bankiersgattin Maria Bögerl entführt und ermordet wurde. Nun wurden die Ermittlungen in diesem Fall ergebnislos eingestellt. Wie die Staatsanwaltschaft Ellwangen und die Polizei Ulm am Montag in einer gemeinsamen Erklärung mitteilten, sei diese Entscheidung nach langjähriger intensiver Zusammenarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft und der Auswertung von mehr als 10.000 Spuren gefallen. Neue Ermittlungsansätze gebe es derzeit nicht.

Ermittlungsverfahren im Mordfall Maria Bögerl eingestellt – doch Mord verjährt nicht

„Nachdem derzeit keine weiteren Ermittlungsansätze vorliegen, kamen das Polizeipräsidium Ulm und die Staatsanwaltschaft Ellwangen überein, das Ermittlungsverfahren nunmehr einzustellen“, hieß es in der Mitteilung der Ermittlungsbehörden. Gleichzeitig betonten sie, dass gemäß dem deutschen Strafrecht Mord nicht verjährt. Die Zuständigkeit für den Fall bleibt beim Polizeipräsidium Ulm, und im Falle neuer Ermittlungsansätze könnte das Verfahren „jederzeit“ erneut aufgenommen werden.

Mordfall Maria Bögerl auch mehrfach Thema bei „Aktenzeichen XY ... ungelöst“

In den vergangenen 13 Jahren ermittelten die Strafverfolgungsbehörden und gingen mehr als 10.000 Hinweisen nach. Trotz umfangreicher Maßnahmen wie DNA-Massentests, Hausdurchsuchungen und wiederholter Aufrufe in der Fernsehsendung „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ und trotz einiger Rückschläge und Kritik am Vorgehen der Ermittler bleibt einer der bekanntesten Mordfälle Deutschlands vorerst ungelöst.

Kriminalbeamte untersuchen bei Heidenheim-Nietheim den Waldboden.

Kriminalbeamte untersuchen bei Heidenheim-Nietheim den Waldboden. (Archivbild)

Obwohl die Staatsanwaltschaft keinen konkreten Tatverdächtigen ermitteln konnte, liegt den Behörden eine eindeutige DNA-Spur vor, die zweifelsfrei einem männlichen Täter zugeordnet werden kann. Die Zuständigkeit für den Fall beim Polizeipräsidium Ulm liegt weiterhin beim ehemaligen Leiter der inzwischen aufgelösten Sonderkommission. Er verfügt über alle notwendigen Detailkenntnisse.

Mord an Maria Bögerl erregte bundesweite Aufmerksamkeit

Der Mord an Maria Bögerl erregte bundesweit große Anteilnahme und gilt als einer der rätselhaftesten Kriminalfälle der jüngeren deutschen Geschichte. Die Öffentlichkeit war von Anfang an eng eingebunden, so richteten der Ehemann und die Kinder der Entführten nach dem Auffinden der Leiche einen dramatischen öffentlichen Appell an den oder die Täter. Später wurde der Fall unter anderem mehrfach in der Sendung „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ thematisiert.

Eine Polizistin hält ein Wattestäbchen für eine DNA-Probe.

Eine Polizistin hält ein Wattestäbchen für eine DNA-Probe. Rund 3000 Männer im Alter von 21 bis 68 Jahren aus Neuenheim und Umgebung sind zur Abgabe freiwilliger Speichelproben aufgerufen. (Archivbild von 2014)

Im Zuge der umfangreichen Ermittlungen, die zu Beginn von einer eigens eingerichteten Sonderkommission geführt wurden, ergriffen die Behörden im Laufe der Jahre verschiedene Maßnahmen, darunter zwei Massengentests in baden-württembergischen Gemeinden in der Nähe von Heidenheim, um mögliche Tatverdächtige ausfindig zu machen. 2010 wurde im Rahmen der Spurensicherung tatrelevantes Vergleichsmaterial gesichert.

2017 wurde eine Verdächtiger festgenommen

Im Jahr 2017 erfolgte die zeitweilige Festnahme eines Verdächtigen, nachdem ein Phantombild und eine aufgezeichnete Stimme veröffentlicht worden waren. Später wurde er jedoch aufgrund eines DNA-Abgleichs wieder freigelassen, da dieser ihn entlastete und als möglichen Täter ausschloss.

Zwei Polizisten gehen am 16.05.2010 bei Heidenheim-Großkuchen durch eine Aufforstung, um Spuren im Fall der entführten Maria Bögerl zu suchen.

Zwei Polizisten gehen am 16.05.2010 bei Heidenheim-Großkuchen durch eine Aufforstung, um Spuren im Fall der entführten Maria Bögerl zu suchen. (Archivbild von 2010)

Die Fahndung nach dem oder den Tätern konzentrierte sich immer wieder auf den Raum Heidenheim, dem Wohnort des Opfers. Dort wurden nach der Tat zunächst Bögerls Auto und später ihre Leiche gefunden. Zudem hatte der Unbekannte, der sich kurz nach der Entführung telefonisch mit der Lösegeldforderung meldete, nach Angaben der Ermittler einen schwäbischen Dialekt.

Bereits vor rund eineinhalb Wochen, am 3. August 2023, hatte die Staatsanwaltschaft Ellwangen laut Mitteilung die Einstellung des Ermittlungsverfahrens verfügt. „Ein Täter konnte nicht ermittelt werden“, hieß es von der Staatsanwaltschaft und der Polizei Ulm.

Mordfall Maria Bögerl: Eine zeitliche Übersicht

12. Mai 2010: Maria Bögerl (54), zweifache Mutter und Ehefrau eines Sparkassen-Chefs, wird aus ihrem Wohnhaus in Heidenheim entführt. Ihr Ehemann hinterlegt 300.000 Euro Lösegeld an der Autobahn 7. Die Polizei gibt später zu, dass es eine Panne gab: Das Geld konnte nicht rechtzeitig an der vereinbarten Stelle hinterlegt werden.

13. Mai 2010: Das Lösegeld wird nicht abgeholt, der Kontakt zum Entführer bricht ab. Maria Bögerl bleibt verschwunden.

14. Mai 2010: Maria Bögerls Mobiltelefon wird gefunden. Die Polizei entdeckt ihr Auto im Hof des Klosters Neresheim.

16. Mai 2010: Ein anfangs verdächtigter Mann wird kurz nach seiner Festnahme wieder freigelassen.

18. Mai 2010: Die Belohnung für Informationen zur Aufklärung des Falls wird auf 100.000 Euro erhöht. Die Soko „Flagge“ wird ins Leben gerufen.

19. Mai 2010: Die Familie richtet einen emotionalen Appell in der TV-Sendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“ an die Täter.

3. Juni 2010: Eine Spaziergängerin entdeckt die Leiche von Maria Bögerl an einem Waldrand, wenige Kilometer vom Wohnhaus der Bögerls entfernt.

24. Juni 2010: Die Polizei führt nun auch Speichelprobenuntersuchungen zur Täteridentifizierung durch.

11. Juli 2011: Bögerls Ehemann begeht Selbstmord.

14. Juli 2011: Die Kinder der Bögerls kritisieren öffentlich die Vorgehensweise der Polizei.

5. September 2012: Die Polizei appelliert erneut über „Aktenzeichen XY... ungelöst“ an die Öffentlichkeit. Ein Mann führt die Polizei daraufhin monatelang mit falschen Hinweisen in die Irre. Er erhält zunächst mehrere Tausend Euro Belohnung und wird schließlich zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt.

Ein Absperrband der Polizei begrenzt ein Waldgebiet bei Nietheim, das von der Polizei durchsucht wird.

Ein Absperrband der Polizei begrenzt ein Waldgebiet bei Nietheim, das von der Polizei durchsucht wird. (Archivbild)

Februar und August 2014: Tausende Männer beteiligen sich an einem DNA-Massentest in Neresheim (Ostalbkreis) und Giengen an der Brenz (Kreis Heidenheim). Im Auto von Bögerl wurden DNA-Spuren gefunden, mutmaßlich von den Tätern.

November 2015: Ermittler werten 600.000 alte Datensätze mit einer neuen Software aus, darunter vor allem Handy-Verbindungsdaten aus dem Tatzeitraum.

April 2016: Die Polizei verfolgt erneut 150 neue Ermittlungsansätze.

5. April 2017: Die Ermittler suchen nach einem Verdächtigen, der in Nordrhein-Westfalen gesichtet wurde. Die TV-Sendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“ berichtet erneut über den Fall.

6. April 2017: Das Bundeskriminalamt meldet die Festnahme eines Verdächtigen. Die DNA-Probe des Mannes erweist sich als negativ.

Januar 2020: Die Polizei durchsucht Wohnungen von drei Verdächtigen in Bayern und Baden-Württemberg. Der Tatverdacht erhärtet sich jedoch nicht.

Mai 2020: Zum zehnten Jahrestag des Todes von Maria Bögerl gehen viele neue Hinweise ein, die jedoch keine Fortschritte bringen.

23. April 2023: Veröffentlichung einer Folge des Podcasts „Aktenzeichen XY ... Unvergessene Verbrechen“. Die Ermittler von heute kommen zu Wort und berichten über die bisherigen Ermittlungen.

14. August 2023: Das Ermittlungsverfahren wird vorerst eingestellt.

(jag/dpa/afp)

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