Nina Zacher hat ALSDiese Frau wird aus dem Leben gerissen – und Deutschland sieht zu

Lesezeit 3 Minuten
zacher

Das Profilbild von Nina Zacher auf Facebook

Nina Zacher aus München ist Anfang 40, vierfache Mutter, eine lebensfrohe Frau, die mitten im Leben steht, als sie 2012 erfährt, dass sie an der Nervenkrankheit Amytrophe Lateralsklerose (ALS)  leidet. Die Diagnose ist ihr Todesurteil –  die Erkrankung des Nervensystems greift die Muskeln an, diese gehen nach und nach zugrunde, bis die Betroffenen schließlich gelähmt sind, nicht mehr sprechen, nicht schlucken und nicht atmen können.

All das ist grausam genug, doch hinzu kommt, dass die geistigen Fähigkeiten im Laufe der Krankheit meist vollständig erhalten bleiben: Wer an ALS leidet, bekommt seinen eigenen körperlichen Verfall bei vollem Bewusstsein mit.

Unheilbare Krankheit führt in den Tod

Amyotrophe Lateralsklerose ist nicht heilbar. Betroffenen sterben in der Regel innerhalb von nur wenigen Jahren an den Folgen. Auch Nina Zacher wird bald sterben.

Doch sie versteckt sich trotz der Schockdiagnose nicht. Auf Facebook sucht sie ganz offensiv die Öffentlichkeit, will auf die Krankheit aufmerksam machen und die Bevölkerung aufklären.

Mittlerweile folgen mehr als 40.000 Menschen Nina Zachers Profil in dem sozialen Netzwerk – und sie schauen der 46-Jährigen auf diese Weise auch beim Sterben zu. Dabei war vor wenigen Jahren noch so unvorstellbar, dass Nina schon so bald sterben könnte.

Es war 2012, als sie im Skiurlaub Schmerzen im Daumen bemerkt. Ihr kam nach kurzer Google-Recherche der Verdacht, womöglich an ALS erkrankt zu sein, und die Selbstdiagnose bestätigte sich schließlich.

Dem Tode nah: So geht es Nina Zacher mittlerweile

Mittlerweile wiegt Nina Zacher nur noch 35 Kilogramm, sie ist so gut wie vollständig gelähmt. Ihre Facebook-Posts verfasst sie mit Hilfe eines augengesteuerten Computers, denn auf der Tastatur schreiben ist längst unmöglich.

Zu wissen, dass man stirbt, dass man diese Krankheit trotz aller Stärke nicht besiegen kann, das Bewusstsein darüber, die eigenen Kinder und den Mann nach 22 Jahren Ehe verlassen zu müssen – diese nachvollziehbare Wut darüber und die Ohnmacht wird in Nina Zachers Beiträgen deutlich. In einem Post von Anfang April (den sie selbst als ihre „wahrscheinlich letzte Nachricht“ bezeichnete, weil der Tod schon nah sein muss) beschreibt sie sich als „ein Schatten dessen was und wer ich einmal war… Dieser grauenafte Verfall ist unertäglich und ich kann nicht verstehen warum soetwas überhaupt passieren darf.“

Der Tod sei ein Tabuthema, kein partytaugliches Thema „und jeder denkt das würde immer nur den ‚anderen‘ passieren.“ Nina Zacher kritisiert das Wegschauen der Anderen, das Getratsche und die Neugierde, die bei vielen Menschen an die Stelle echten Interesses tritt. Dabei „geschieht jeden Tag dieses grausame Drama, überall in Deutschland hinter verschlossener Tür, in Pflegeheimen, bei schwer Kranken und alten Menschen.“

Wer Nina Zachers Leben und Sterben auf Facebook verfolgt, merkt, wie einsam der Tod trotz Familie und Freunden in unmittelbarer Nähe machen muss: „Mit den meisten meiner vielen Gedanken bin ich jetzt alleine und ich kann sie nicht mehr mitteilten.“ Und eins wird auch dem unbeteiligten Leser klar: Wenn es diese Frau aus dem Leben reißt, dann kann es wirklich jeden treffen.

KStA abonnieren