VogelforschungStadtvögel zwitschern lauter

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Das Rotkehlchen gehört zu den Frühaufstehern.

Das Rotkehlchen gehört zu den Frühaufstehern.

Üben, üben, üben: Vögel lernen das Singen wie Menschen das Sprechen, indem sie die Lieder von erwachsenen Tieren nachzuahmen versuchen. Zebrafinken brauchen dafür 35 bis 100 Tage; anfangs brabbeln sie noch mehr oder weniger unartikuliert vor sich hin. In letzter Zeit wurden viele Gemeinsamkeiten zwischen Vögeln und Menschen entdeckt. So ist das Singen bei den Vögeln wie bei uns das Sprechen vor allem eine Sache der linken Gehirnhälfte. Molekularbiologen stellten fest, dass die Gene, die beim Sprechen aktiviert werden, denjenigen ähneln, die Vögel für das Singen brauchen. Darwin könnte also recht behalten: Er äußerte als Erster die Vermutung, dass sich die menschliche Sprache aus dem Vogelgezwitscher entwickelt haben könnte.

Stadt-Land-Gefälle

Spatzen, Amseln oder Kohlmeisen, die in Großstädten leben, trällern ihre Lieder in höheren Frequenzen und singen zugleich lauter als Vögel auf dem Land. Üblicherweise wird das so erklärt, dass sie sich damit gegen den niederfrequenten Lärm in den Städten zu behaupten versuchen. Doch es kommen noch mehr Faktoren hinzu, meinen dänische Biologen - und verweisen auf die städtische Architektur. Singvögel müssen in einer Stadt zum Beispiel damit rechnen, dass Häuser, Straßen, offene Räume, Alleen und kleine Gassen ihre Laute unterschiedlich reflektieren.

Um sich Gehör zu verschaffen, müssen sie das Echo von Gebäuden einkalkulieren. Auf dem Land seien die Verhältnisse überschaubarer, der Gesang werde nicht so leicht verzerrt, meinen die Forscher. Für diese Theorie spricht, dass Stadtvögel auch dann lauter und höher singen, wenn gar kein Verkehrslärm zu hören ist. Wie groß das Repertoire eines Vogels ist, hängt von vielen Faktoren ab.

Dazu zählt auch das Wetter. Forscher belauschten insgesamt 400 männliche Vertreter von 44 nordamerikanischen Vogelspezies, darunter Pirole, Grasmücken, Sperlinge, Finken, Meisen und Drosseln. Ergebnis: Je größer die Schwankungen etwa beim Wechsel zwischen Feuchtigkeit und Trockenheit im Jahresverlauf, desto komplexere Tonfolgen brachten die Vögel in den jeweiligen Regionen hervor. Offenbar haben sie sich darauf eingestellt, dass ihre Laute je nach Vegetationsform auf unterschiedliche Weise übertragen werden.

Vögel haben Lieblingslieder

Wie wirkt der Vogelgesang eigentlich auf die Artgenossen? So ähnlich wie Musik auf den Menschen, glauben Neurowissenschaftler. Bei ihren Versuchen zeigte sich, dass im Gehirn weiblicher Sperlinge, die ihren Partnern während der Brutsaison beim Zwitschern zuhörten, das gleiche Belohnungssystem aktiviert wurde wie bei Menschen, die ihre Lieblingsmusik hören. Vogelmännchen, die einen Geschlechtsgenossen singen hörten, reagierten hingegen eher säuerlich: Ihr sogenannter „Mandelkern“ (Amygdala) zeigte ähnliche Aktivitäten wie unsereins beim Hören von Musik, die wir nicht leiden können.

Spräche ein Kavalier die Dame seines Herzens zum Beispiel auf Mittelhochdeutsch an, würde er damit einen eher befremdlichen Eindruck hinterlassen. Auch Vögel sind lieber auf der Höhe der Zeit. Wissenschaftler beobachteten Sperlinge auf Kent Island im US-Staat Maryland über eine Spanne von 30 Jahren. Nur die Eingangsmelodien der Lieder blieben über die Jahrzehnte nahezu gleich, der mittlere Teil veränderte sich teils drastisch, der Schlusstriller wurde mit der Zeit immer kürzer - offenbar zum Wohlgefallen der Vogeldamen. Diejenigen Spatzen, die immer wieder neue Varianten ausprobierten, hatten beim weiblichen Geschlecht größeren Erfolg.

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