SchlachthöfeKritik erbost Fleischhersteller

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Schlechte Arbeitsbedingungen und extrem niedrige Löhne: Großschlachtereien stehen in der Kritik.

Schlechte Arbeitsbedingungen und extrem niedrige Löhne: Großschlachtereien stehen in der Kritik.

Düsseldorf/Köln – Die Empörung war auch am Tag danach noch zu spüren: Einige große Fleischfabrikanten fühlen sich von Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) zu Unrecht an den Pranger gestellt. Schneider hatte am Dienstag über den oft mangelhaften Arbeitsschutz in der Fleischindustrie berichtet. Dabei kritisierte er vor allem die hohe Zahl von Werkverträgen, mit denen nicht selten südosteuropäische Akkordarbeiter zu Niedriglöhnen beschäftigt würden. Zum Teil herrschten „frühkapitalistische Bedingungen“, schimpfte Schneider.

Deutschlands größter Schweinefleischverarbeiter Tönnies – Jahresumsatz 2011: 4,6 Milliarden Euro, im Besitz von Schalke-Aufsichtsratschef Clemens Tönnies – reagierte verärgert. Obwohl er sonst keine Namen nannte, hatte Schneider den Marktführer erstaunlich offen ins Gespräch gebracht: Mit Blick auf die nicht gerade üppigen Bußgelder, die das Land bei Verstößen gegen den Arbeitsschutz verhängen kann, hatte der Arbeitsminister gesagt: ,,Wenn man Herrn Raùl kaufen kann, sind 20.000 Euro nicht viel Geld.“

Die Anspielung verstanden alle: Der spanische Stürmer Raùl stand schließlich von 2010 bis 2012 bei Schalke unter Vertrag. Schlechte Arbeitsbedingungen bei Tönnies im ostwestfälischen Rheda-Wiedenbrück? Ein Firmensprecher dementierte scharf: „Für unser Unternehmen können wir feststellen, dass die Kritik in Bezug auf den Lohn, die Unterbringung und auch die Arbeitsplatzgestaltung von Werkvertragsarbeitnehmern nachweislich nicht zutrifft“, hieß es in einer Stellungnahme. „Wir sehen in den aktuellen politischen Äußerungen einen weiteren Versuch, Wahlkampf auf Kosten der Unternehmen in der Fleischbranche zu machen.“

Das Arbeitsministerium beharrt dagegen auf seine Darstellung. Es habe bei allen großen Schlachthöfen Missstände gegeben. „Bei dieser Aussage bleiben wir“, bekräftigte eine Sprecherin.

Die von Schneider ebenfalls kritisierten Werkverträge sind bei Tönnies weit verbreitet: Rund 3400 von 5000 Mitarbeitern sind so beschäftigt. Die Subunternehmer sollen nun aber eidesstattlich versichern, dass sie den Beschäftigten mindestens acht Euro je Stunde auszahlen, sagte der Tönnies-Sprecher. Bei Westfleisch in Münster sind nach eigenen Angaben 50 bis 60 Prozent der Mitarbeiter über Werkverträge angestellt. Diese sind nicht verboten, gelten aber als ein mögliches Mittel, Löhne zu drücken.

Bei der Fleischhof Rasting GmbH freut man sich hingegen über das Lob des Ministers. Schneider hatte das Unternehmen in Meckenheim dafür gelobt, dass die Firma keine Werkverträge abschließt. Rasting hat knapp 800 Beschäftigte an den Standorten Meckenheim und Essen und erzielte zuletzt einen Jahresumsatz von etwa 450 Millionen Euro. Das Unternehmen gehört der Edeka-Gruppe.

„Wir arbeiten nur mit Festangestellten“, teilte der kaufmännische Leiter bei Rasting, Manfred Sebastian, auf Anfrage mit. Mitarbeiter mit Werkverträgen gebe es nicht. Die Bezahlung sei übertariflich, so Sebastian. Ungelernte Produktionshelfer etwa in der Verpackung verdienen zehn Euro pro Stunde. Facharbeiter ohne leitende Funktion haben üblicherweise einen Stundenlohn von etwa 15 Euro. Schneider hatte hingegen von Stundenlöhnen von 4,50 Euro in den kritisierten Firmen berichtet.

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